Abgasskandal – EuGH erleichtert Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen

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Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.03.2023 lassen sich Schadenersatzansprüche im Abgasskandal leichter durchsetzen (EuGH Rs. C-100/21). Wie der EuGH deutlich machte, hat der Käufer eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung schon dann Schadenersatzansprüche, wenn der Autohersteller nur fahrlässig gehandelt hat und dem Käufer daraus ein Schaden entstanden ist. Das heißt, dass dem Autohersteller kein Vorsatz nachgewiesen werden muss. Die Hürden für Schadenersatzansprüche im Dieselskandal hat der EuGH damit deutlich gesenkt.

„Damit stellt der EuGH die Rechtsprechung der deutschen Gerichte auf den Kopf. Diese waren bisher davon ausgegangen, dass Schadenersatzansprüche im Abgasskandal nur dann bestehen, wenn dem Autohersteller Vorsatz nachgewiesen werden kann. Nach der Rechtsprechung des EuGH reicht allerdings schon einfache Fahrlässigkeit aus. Daran werden sich die Gerichte in Deutschland orientieren und ihre Rechtsprechung umstellen müssen.“, sagt Rechtsanwalt Michael Staudenmayer.

Dass sich die Rechtsprechung im Abgasskandal ändern wird, wird sich voraussichtlich bald zeigen. Denn die Gerichte hatten tausende Verfahren zum Dieselskandal auf Eis gelegt, um die Rechtsprechung des EuGH abzuwarten. Allein vor dem BGH sind nach Medienberichten noch rund 1.900 Revisionen und Nichtzulassungsbeschwerden anhängig. Die erste BGH-Verhandlung nach dem EuGH-Urteil ist auf den 8. Mai terminiert. Dabei geht es um Schadenersatzansprüche im VW-Abgasskandal.


Mercedes mit Thermofenster


In dem Verfahren vor dem EuGH ging es um einen Mercedes C 220 CDI. Der Käufer hatte u.a. wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung geklagt. Konkret ging es um ein sogenanntes Thermofenster bei der Abgasreinigung. Solche Thermofenster bewirken, dass die Abgasreinigung nur innerhalb eines bestimmten Temperaturbereichs effizient arbeitet und die Grenzwerte für den Stickoxid-Ausstoß einhält. Bei kühleren Außentemperaturen wird die Abgasreinigung jedoch reduziert, mit der Folge, dass die Stickoxid-Emissionen steigen.

Der EuGH hat zwar schon am 06.11.2022 entschieden, dass das Thermofenster illegal ist (EuGH Rs. C-873/19). Zudem hat der EuGH dem Argument der Autohersteller, dass es aus Motorschutzgründen notwendig sei, eine klare Absage erteilt. Der BGH hat bisher dennoch keine Anspruchsgrundlage für Schadenersatzansprüche bei der Verwendung von Thermofenstern gesehen, da es den Karlsruher Richtern am Vorsatz der Autobauer fehlte.


Schadenersatz schon bei Fahrlässigkeit


„Dieser Vorsatz ist nach der Entscheidung des EuGH vom 21.03.2023 nun für Schadenersatzansprüche der Autokäufer nicht nötig“, so Rechtsanwalt Staudenmayer. Der EuGH hat deutlich gemacht, dass der einzelne Käufer eines Fahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung durch das EU-Recht geschützt wird. Die Gerichte der EU-Mitgliedsstaaten müssen daher nun die Schadenersatzansprüche europarechtskonform auslegen.

Konkret ging es in dem Verfahren um einen Mercedes. Ähnliche Thermofenster wurden jedoch z.B. auch von VW, Audi, Skoda, Seat, BMW, Opel, Fiat (Fiat Chrysler Automobiles FCA, nun Stellantis), Jeep, Peugeot und Renault verwendet.

„Das Urteil lässt sich auf die Fahrzeuge anderer Hersteller übertragen. Grundsätzlich bestehen nun Schadenersatzansprüche, wenn der Diesel-Hersteller eine unzulässige Abschalteinrichtung verwendet hat. Es wurden nicht rechtskonforme Fahrzeuge auf den Markt gebracht. Damit sie die Grenzwerte z.B. für den Stickoxid-Ausstoß einhalten, müssten sie kostenträchtig nachgerüstet werden, weil ansonsten die Stilllegung droht. Wie bei den vom VW-Skandal betroffenen Fahrzeugen bekannt wurde, führen Software-Updates jedoch zu anderen Problemen beim Motor wie z.B. höherem Verbrauch und höherem Verschleiß sowie reduzierter Leistung.“, so Rechtsanwalt Staudenmayer.


Unzulässiges Software-Update bei VW Golf mit Dieselmotor EA 189


Interessant ist das Urteil auch für Autobesitzer, deren Fahrzeug in den ursprünglichen VW-Abgasskandal verwickelt war, und bei denen ein Software-Update aufgespielt werden musste. Hier hat das Verwaltungsgericht Schleswig mit Urteil vom 20.02.2023 festgestellt, dass das Update bei einem VW Golf mit dem Dieselmotor EA 189 unzulässig ist, weil es eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters enthält. „Auch bei Fahrzeugen mit einem Software-Update dürfte der Weg für Schadenersatzansprüche geebnet sein“, sagt Rechtsanwalt Staudenmayer.

Mehr Informationen: https://www.ra-staudenmayer.de/t%C3%A4tigkeitsschwerpunkte/abgasskandal



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