Abgrenzung Hilfsmittel und allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens.

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Gesetzlich krankenversicherte haben gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 27 Abs. 1 Nr. 3 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.


Doch nicht alle Hilfsmittel werden von der gesetzlichen Krankenkasse als kostenübernahmefähig eingestuft und zur Verfügung gestellt/bezahlt. Die Leistungen dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Das bedeutet, sie müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein.


Zu unterscheiden sind dabei Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich und Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich. Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist der Leistungsanspruch des Versicherten grundsätzlich auf den vollständigen funktionalen Ausgleich der Behinderung gerichtet. Im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs werden hingegen die direkten oder indirekten Folgen einer Behinderung, soweit die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder zumindest gemildert werden und somit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, ausgeglichen. Dabei schulden die Krankenkassen lediglich einen Basisausgleich und kein vollständiges Gleichziehen mit den nahezu unbegrenzten Möglichkeiten eines Gesunden.


Ein Anspruch auf Kostenübernahme für ein bestimmtes Hilfsmittel besteht allerdings nicht, wenn es sich bei dem Hilfsmittel um einen Gegenstand des alltäglichen Lebens handelt. Der Begriff des „allgemeinen Gebrauchsgegenstandes des täglichen Lebens“ ist nicht nach unverzichtbaren Einzelkriterien bestimmbar. Er erfordert vielmehr eine Gesamtwürdigung verschiedener Merkmale und erweist sich damit als „Typusbegriff“. Die Frage des allgemeinen Gebrauchs eines Gegenstandes hängt in erster Linie von seiner praktischen Bedeutung für die Lebensführung der Menschen und von ihren allgemeinen Lebensbetätigungen ab. Maßgebend hierfür ist die jeweilige Zweckbestimmung, ausgehend von Funktion und Gestaltung des Gegenstands, wie er konkret beansprucht wird und wie er beschaffen ist. Ist ein Gegenstand für alle Menschen oder jedenfalls die Mehrzahl unentbehrlich oder besitzt ihn die Mehrzahl der Menschen unabhängig von etwaigen Krankheiten oder Behinderungen aus sonstigen Gründen, kann stets von einem allgemeinen Gebrauch des Gegenstandes gesprochen werden. Dies gilt auch bei therapeutischer Wirkung des Gegenstandes (Primärfunktion: allgemeiner Gebrauchsgegenstand, Sekundärfunktion: Hilfsmittel). Umgekehrt liegt ein allgemeiner Gebrauchsgegenstand dann nicht vor, wenn die Hauptfunktion medizinisch geprägt ist und lediglich eine Nebenfunktion auf einen Gebrauchsgegenstand hindeutet, wie z.B. bei Gummieinlagen bei Inkontinenz, die hauptsächlich der Krankenbekämpfung dienen, aber auch zur Bettwäsche gehören. Denn Gegenstände, die für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt werden, sind keine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17. Januar 1996 – 3 RK 39/94 -, Rn. 28, juris; BSG Urt. v. 25.6.2009 – B 3 KR 4/08 R, Rn. 11, beck-online; Nolte in: Kasseler Kommentar, 109. EL Mai 2020, SGB V § 33 Rn. 22b).


Die Abgrenzung von Hilfsmittel und allgemeinen Gebrauchsgegenstandes des täglichen Lebens bereitet in der Praxis immer wieder Probleme. Krankenkassen lehnen die Kostenübernahme von Hilfsmittel teilweise zu Unrecht mit der Begründung ab, dass es sich bei dem beantragten Hilfsmittel um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handele. Betroffene können und sollten gegen diese Entscheidungen Widerspruch einlegen und notfalls eine Klage vor dem Sozialgericht erheben.

 

Der Autor ist als Fachanwalt für Medizinrecht bundesweit im Gesundheitsrecht, insbesondere im Hilfsmittelrecht tätig.

 

Julian Jakobsmeier

Rechtsanwalt und

Fachanwalt für Medizinrecht 



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