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Schwerbehindertenrecht - was Sie wissen und beachten müssen!

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Schwerbehindertenrecht - was Sie wissen und beachten müssen!

Die wichtigsten Fakten

  • Schwerbehinderte werden durch verschiedene Vorschriften im dritten Teil des Neunten Sozialgesetzbuchs (SGB IX) besonders geschützt.
  • Ab einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 gilt man als schwerbehindert.
  • Der Schwerbehindertenausweis dient als Nachweis der anerkannten Schwerbehinderung.
  • Um die Nachteile durch die Behinderung auszugleichen, gibt es unterschiedliche Nachteilsausgleiche.
  • Schwerbehinderte und gleichgestellte Personen profitieren von verschiedenen Erleichterungen im Arbeitsleben und bei der Steuer.

Was ist das Schwerbehindertenrecht?

Das Schwerbehindertenrecht beinhaltet sämtliche rechtlichen Vorschriften, welche die Rechtsverhältnisse von schwerbehinderten Menschen in Deutschland regeln. Seit 1. Januar 2018 bildet der dritte Teil des Neunten Sozialgesetzbuchs (SGB IX) dafür die Rechtsgrundlage. Das SGB IX umfasst in den §§ 151–242 besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen.

Als schwerbehinderte Menschen werden laut § 2 Abs. 2 SGB IX Personen mit einer körperlichen, seelischen oder geistigen Einschränkung bezeichnet. Diese Behinderung muss einen Grad von mindestens 50 aufweisen. Solche Personen werden auf verschiedene Art und Weise besonders geschützt. Zudem sind für sie als Ausgleich für die behindertenbedingten Nachteile zahlreiche Nachteilsausgleiche vorgesehen.

Welchen Zweck hat das Schwerbehindertenrecht?

Durch das Schwerbehindertenrecht soll die Selbstbestimmung der Betroffenen und deren gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erleichtert werden. Darüber hinaus sollen durch das Schwerbehindertenrecht Benachteiligungen von Behinderten verhindert und diesen entsprechend gegengesteuert werden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wurde das Schwerbehindertenrecht einzig zum Schutz schwerbehinderter Personen ausgestaltet.

Was ist ein Nachteilsausgleich für Schwerbehinderte?

Ziel eines Nachteilsausgleichs ist es, Nachteile, die durch eine Schwerbehinderung entstehen, durch Vorteile aufzuwiegen. Nachteilsausgleiche werden abhängig vom Merkzeichen und vom Grad der Behinderung (GdB) gewährt. Berechtigte weisen ihren Anspruch auf Nachteilsausgleiche durch den Schwerbehindertenausweis nach.

Es existieren verschiedene gesetzliche Vorschriften zum Nachteilsausgleich. Es gibt auch Nachteilsausgleiche, die freiwillig gewährt werden. Unter die gesetzlich vorgeschriebenen fallen beispielsweise:

  • steuerliche Erleichterungen (u. a. Einkommensteuer, Kraftfahrzeugsteuer)
  • Parkerleichterungen wie die Benutzung von Behindertenparkplätzen
  • kostenlose Beförderung im öffentlichen Personenverkehr
  • reduzierter Eintritt zu Veranstaltungen
  • Zusatzurlaub und Kündigungsschutz im Arbeitsleben
  • Ermäßigung beim Rundfunkbeitrag

Welche Bedeutung hat der Grad der Behinderung?

Der Grad der Behinderung (GdB) beurteilt das Ausmaß einer Behinderung. Seine exakte Feststellung erfolgt auf Antrag des Betroffenen durch zuständige Behörden wie Versorgungsämter mithilfe ärztlicher Gutachten. Man gibt den GdB in Zehnerschritten zwischen 20 und 100 an.

Ab einem Grad der Behinderung von 20 erkennt die zuständige Behörde eine Behinderung an. Eine solche liegt laut den Regelungen des Sozialgesetzbuches dann vor, wenn die körperliche, geistige oder seelische Verfassung einer Person sich von dem für das Lebensalter normalen Zustand unterscheidet und somit ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben leidet. Unter der Voraussetzung, dass dies sehr wahrscheinlich für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten der Fall ist.

Als schwerbehindert wird man ab einem Grad der Behinderung von 50 bezeichnet. Wenn nicht nur eine Beeinträchtigung vorliegt, stellt die zuständige Behörde den GdB durch eine Gesamtschau fest. Bei diesem Verfahren finden sämtliche Funktionsbeeinträchtigungen, die mindestens einen Einzel-GdB von 10 aufweisen, Berücksichtigung.

Zudem existieren noch unterschiedliche Merkzeichen, die bei besonderer Form der Schwerbehinderung zuerkannt werden:

  • G (erheblich gehbehindert)
  • aG (außergewöhnlich gehbehindert)
  • B (berechtigt zur Mitnahme einer Begleitperson)
  • H (hilflos)
  • BL (blind)
  • RF (auf Antrag Ermäßigung des Rundfunkbeitrags)
  • GL (gehörlos) 

Seit 2009 werden Merkzeichen nach den Leitlinien der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) erteilt.

Welchen Zweck erfüllt der Schwerbehindertenausweis und wie beantragt man ihn?

Will man Vergünstigungen für schwerbehinderte Menschen beantragen oder beanspruchen, so muss man einen Schwerbehindertenausweis vorlegen. Dieser dient als Nachweis der Art und Schwere der Behinderung. Der Schwerbehindertenausweis wird dem schwerbehinderten Menschen auf Antrag ausgestellt. Antragsformulare erhalten Betroffene in der Regel beim zuständigen Versorgungsamt.

Schwerbehindertenausweise werden im Regelfall auf fünf Jahre befristet ausgestellt. Je nach Bundesland ist die Befristung verschieden lang. Ab dem 10. Lebensjahr muss im Regelfall das Lichtbild des Besitzers bei der Verlängerung erneuert werden.

Was versteht man unter Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen?

Unter bestimmten Voraussetzungen können solche Personen, bei denen ein Grad der Behinderung von mindestens 30, aber weniger als 50 vorliegt, mit schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden.

Die Gleichstellung nimmt auf Antrag der Betroffenen die Bundesagentur für Arbeit vor, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass sie erforderlich ist. Hierbei geht es vor allem um Fälle, in denen Behinderte ansonsten wegen ihrer Behinderung einen Job nicht bekommen oder diesen verlieren würden.

Welche besonderen Regelungen greifen für Schwerbehinderte im Arbeitsleben?

Arbeitszeit

Schwerbehinderte und gleichgestellte Mitarbeiter besitzen einen Anspruch darauf, die Arbeitszeit behinderungsgerecht zu gestalten. Vorausgesetzt, dies ist dem Arbeitgeber zuzumuten und es entstehen ihm keine unverhältnismäßigen Aufwendungen. Auf Verlangen sind schwerbehinderte und gleichgestellte Beschäftigte von Mehrarbeit freizustellen. Zudem können sie Bereitschaftsdienste verweigern. Im Einzelfall kann auch Nacht- oder Schichtarbeit unzumutbar sein.

Zusatzurlaub

Schwerbehinderte Arbeitnehmer besitzen einen Anspruch auf zusätzlichen bezahlten Urlaub im Umfang von einer Arbeitswoche. Den entsprechenden Anspruch müssen Betroffene schriftlich unter Vorlage einer Kopie des Schwerbehindertenausweises geltend machen. Gleichgestellte haben diesen Anspruch nicht.

Besonderer Kündigungsschutz

Sowohl Schwerbehinderte als auch Gleichgestellte genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Vor Ausspruch einer ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, die Zustimmung des Integrationsamts einzuholen. Dieses kontrolliert, ob der Behinderte aufgrund seiner Behinderung die Kündigung erhalten soll oder ob die Behinderung damit nicht in Verbindung steht.

Damit der besondere Kündigungsschutz greift, muss das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung schon länger als sechs Monate bestanden haben. Die Kündigungsfrist beläuft sich dann auf ein Minimum von vier Wochen.

Beschäftigungspflicht

Private und öffentliche Arbeitgeber mit 20 Arbeitsplätzen oder mehr müssen ein Minimum von fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten besetzen. Schwerbehinderte Frauen sind dabei besonders zu berücksichtigen.

Wenn Arbeitgeber die festgelegte Zahl schwerbehinderter Arbeitnehmer nicht erreichen, müssen sie für jede unbesetzte Pflichtarbeitsstelle eine monatliche Ausgleichsabgabe entrichten. Mit dieser Abgabe werden dann anderswo Arbeitsplätze für Schwerbehinderte finanziert.

Diskriminierungsverbot

Mit der europäischen Antidiskriminierungs-Richtlinie 2000/78/EG trat Anfang Juli 2001 im Zusammenhang mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ein Diskriminierungsverbot für schwerbehinderte Menschen in Kraft. Seit 2018 ist dieses in § 164 SGB IX geregelt.

Es umfasst bei der Diskriminierung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers u. a. einen Schadensersatzanspruch und eine deutliche Beweiserleichterung zugunsten des Schwerbehinderten. Hierbei geht es vor allem um Fälle von Diskriminierung bei der Einstellung, beim beruflichen Vorankommen oder bei der Kündigung von Arbeitsverhältnissen.

Altersrente 

Schwerbehinderte können eher Altersrente beantragen als Menschen ohne Behinderung. Unter gewissen Voraussetzungen können Schwerbehinderte auf Antrag vor dieser früheren Rente sogar noch eine vorgezogene Altersrente erhalten, jedoch mit Abschlägen von bis zu 10,8 %.

Die Altersgrenze für eine Rente ohne Abschläge wird seit 2015 in Schritten von 63 auf 65 Jahre erhöht. Die Altersgrenze für die vorgezogene Rente wird seit 2012 von 60 auf 62 Jahre angehoben. Der Rentenanspruch besteht auch dann weiter, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft wegfällt, während die Rente bezogen wird.

Schwerbehindertenvertretung

Schwerbehinderte Arbeitnehmer wählen zudem eine Schwerbehindertenvertretung. Diese hat sich neben dem Personalrat oder Betriebsrat insbesondere um die Interessen dieser Beschäftigten zu kümmern.

Welche steuerlichen Erleichterungen gibt es für Schwerbehinderte?

Für Behinderte und schwerbehinderte Personen bestehen verschiedene steuerliche Erleichterungen. Diese leisten ihren Beitrag dazu, die Nachteile von Menschen mit Behinderungen zumindest in finanzieller Hinsicht zu verringern.

Betroffene können die durch ihre Behinderungen verursachten Kosten bei der Einkommensteuer in Abzug bringen. Konkret können neben besonderen Aufwendungen oder Kraftfahrzeugkosten für Privatfahrten auch pauschalierte Beträge je nach Grad der Behinderung steuermindernd geltend gemacht werden:

Grad der BehinderungSteuerfreibetrag
GdB 25 bis 30310 EURO
GdB 35 bis 40430 EURO
GdB 45 bis 50570 EURO
GdB 55 bis 60720 EURO
GdB 65 bis 70890 EURO
GdB 75 bis 801.060 EURO
GdB 85 bis 901.230 EURO
GdB 95 bis 1001.420 EURO

Je nach Behinderung kann es darüber hinaus zu einer Reduzierung oder Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer kommen.

Foto(s): ©Pexels/Marcus Aurelius

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