Abitur, Studium, Berufsqualifikation – so fechten Sie ein Prüfungsergebnis an

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Eine nicht zufriedenstellende Prüfungsbewertung kann durch Nachprüfung und gerichtliches Verfahren verbessert werden. Doch hier gibt es zahlreiche Feinheiten zu beachten, um zum Erfolg zu kommen.

Wenn Sie diesen Text hier lesen, gehören Sie vielleicht zu der großen Zahl an Schülern oder Studenten, die gerade durch eine wichtige Prüfung gefallen sind – oder auch zu den Eltern, die ihrem Sohn oder ihrer Tochter aus dieser misslichen Lage heraushelfen wollen. 

Die Prüfung, um die es geht, mag eine einzelne Klausur, die gesamte Zwischenprüfung im Studium oder auch das Abitur sein. Und nun fragen Sie sich, wie es für Sie weiter geht – ich will Ihnen zeigen, dass es durchaus Möglichkeiten gibt. 

Um zu zittern, sich Vorwürfe zu machen, hin und her zu rechnen, ob es gereicht haben könnte, und sich über die eigenen Fehler zu ärgern, haben Sie die letzten Wochen und Monate zwischen der Prüfung und der Ergebnisbekanntgabe schon ausreichend „genutzt“. 

Nun sind Ihre Befürchtungen eingetreten, das ist einfach der momentane Sachstand. Das ist kein Grund, nun in Schockstarre zu verfallen, vielmehr müssen Sie sich überlegen, wie es weitergehen soll. 

Hierzu möchte ich Ihnen einige Hinweise geben, die sich vor allem auf die Rechtslage des Jura-Studiums in Bayern beziehen, aber auch auf viele andere Examen übertragbar sind. 

1. Weitermachen!

Wenn Sie noch einen weiteren Versuch haben, um die Prüfung abzulegen, nutzen Sie diesen. Bleiben Sie am Ball, treten Sie noch einmal an und bestehen Sie. Schaffen Sie es im zweiten Anlauf, löst sich Ihr rechtliches Problem in Luft auf. 

Parallel dazu können Sie selbstverständlich das erste Ergebnis anfechten. In den meisten Fällen wird das Anfechtungsverfahren über den ersten Versuch noch nicht abgeschlossen sein, bis Sie die Ergebnisse des Wiederholungsversuchs bekommen. Dann kann man die juristische Auseinandersetzung bspw. durch eine Erledigterklärung zu einem schnellen Ende führen. 

War es Ihr letzter Versuch, müssen Sie sich nach Alternativen umsehen. Gibt es vielleicht noch einen allerallerletzten Versuch, für den Sie einen Härtefallantrag stellen müssen? Können Sie an einer anderen Universität oder in einem anderen Bundesland noch einmal antreten? Welche Studiengänge kämen noch in Frage, welche Scheine können Sie sich anrechnen lassen? 

Nutzen Sie die Chance, auch wenn Sie sie im Endeffekt nicht brauchen sollten – Selbstmitleid hilft niemals.

Bei schulischen Prüfungen muss Ihnen klar sein, dass Sie zunächst so behandelt werden, als hätten Sie zu Recht nicht bestanden. Wenn Sie in der Abiturprüfung nach Ansicht der Lehrer nicht gut genug waren, dann wird Sie vorerst keine Universität zum Studium zulassen, da Sie eben (noch) kein Abitur haben.

2. Nachprüfungsverfahren

Viele Studienordnungen sehen ein Nachprüfungsverfahren, auch Remonstration genannt, vor. Dafür legt man seine Einwendungen gegen die Bewertung schriftlich nieder. Diese werden über das Prüfungsamt dem Korrektor zugeleitet, der sich dann noch mal mit seiner Benotung beschäftigt und selbst entscheidet, ob er an der vergebenen Punktzahl festhält oder nicht. 

Das hört sich nun nach einem von vornherein vergeblichen Bemühen an, denn warum sollte der Korrektor auf einmal von seinem Urteil abweichen? Tatsächlich kann man hier mit einer höflich formulierten Einwendungsschrift, die die eigenen Schwächen durchaus anerkennt, aber auch die Stärken der Arbeit betont, schon noch Verbesserungen erreichen. 

Die Erfolgschancen sind nicht hoch, das muss man zugeben, sie liegen beim bayerischen juristischen Staatsexamen bei ca. 5 %. Aber auch eine fünfprozentige Chance sollte man ergreifen, denn schließlich geht es um die eigene Zukunft.

Soweit kein Nachprüfungsverfahren vorgesehen ist, gibt es normalerweise aber die Möglichkeit des Widerspruchs. Während in anderen Rechtsgebieten das Widerspruchsverfahren in Bayern weitgehend abgeschafft ist, besteht es im Prüfungsrecht weiter. Damit kann man zunächst noch eine außergerichtliche Klärung anstreben.

Nur Sachargumente zählen

Wichtig ist, dass man hier strikt sachliche Argumente findet. Man fühlt sich oft geradezu genötigt, an die menschliche Seite zu appellieren: „Es ist mein letzter Versuch. Ich bin nur ganz knapp durchgefallen. Ich habe so lange studiert. Das ist mein Traumberuf. Meine Eltern können mich nicht noch länger finanziell unterstützen. Ich habe einfach das Falsche gelernt. Mir ging es beim Schreiben nicht gut“. 

Das sind aber keine Argumente, die der Korrektor beachten darf. Mehr noch: Diese machen unter Umständen die gesamte Remonstration unzulässig, da es sich dann nicht mehr um Einwendungen in der Sache handelt.

Kompetente Vertretung notwendig

Auf welche sachlichen Einwendungen man sich konzentriert und wie man diese formuliert, muss man individuell entscheiden. Am besten ist es natürlich, wenn der Korrektor tatsächlich etwas übersehen oder fachlich falsch beurteilt hat – das kommt aber eher selten vor. Dass eine Klausur zu schwer war, ist ebenfalls keine taugliche Einwendung, sofern man nicht darlegen kann, dass die Schwierigkeit bei der Korrektur nicht ausreichend berücksichtigt wurde. 

Eine aussichtsreiche Remonstration sollte jedenfalls einige Punkte beinhalten, die man gut bearbeitet hat, und deren Bedeutung für die gesamte Arbeit herausstellen. 

Bereits in diesem Stadium sollte man überlegen, sich kompetent beraten zu lassen. Ein auf das Prüfungsrecht spezialisierter Rechtsanwalt erkennt mögliche Angriffspunkte und weiß, wie man diese mit Erfolgsaussicht rügt. Dafür fallen natürlich, das darf man nicht verschweigen, Kosten an. 

Aber auch das Nachprüfungsverfahren an sich ist häufig nicht kostenfrei. So werden bspw. bei der bayerischen Zweiten Juristischen Staatsprüfung 45 Euro pro Prüferstellungnahme verlangt. Wer also bei allen elf Klausuren die Erst- und Zweitkorrektur anfechten möchte, zahlt dafür 22 x 45 = 990 Euro. 

Aber gerade dann, wenn man nicht eine ganz bestimmte Klausur verbessern will, sondern einfach pauschal „irgendwo noch einen Punkt braucht“, um zu bestehen oder seine ersehnte Note zu erreichen, wird man in diesen sauren Apfel beißen müssen – denn man weiß ja nie, welcher Korrektor sich am ehesten erweichen lässt.

Keine Gebühren werden dagegen in der Regel bei der Anfechtung der Abiturnote erhoben.

3. Klageverfahren

Parallel zum Nachprüfungsverfahren (oder nach einem Widerspruchsverfahren) gibt es noch das gerichtliche Klageverfahren. Niemand muss eine Benotung einfach so hinnehmen. Denn es geht dabei um ganz normales Verwaltungshandeln, das in einem Rechtsstaat der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Und genauso, wie man einen Steuerbescheid anfechten oder auf Erteilung der Baugenehmigung klagen kann, ist auch die Bewertung einer Prüfung nicht sakrosankt. 

Klagefrist nicht versäumen

Dabei muss man aber beachten, dass das Nachprüfungsverfahren in den meisten Prüfungsordnungen der gerichtlichen Klage nicht vorgeschaltet ist, sondern beides nebeneinandersteht. Die Klagefrist von einem Monat läuft also schon mit Bekanntgabe der Ergebnisse an, nicht erst mit Abschluss des Nachprüfungsverfahrens – wartet man erst ab, ob die Remonstration erfolgreich ist, ist es für die Klageerhebung meistens schon zu spät.

Nur bei einem echten Widerspruchsverfahren schließt sich die Klage und damit auch die Klagefrist an den Widerspruch an. In diesem Fall hat man nach Erhalt des Widerspruchsverfahrens noch mal einen Monat Zeit, um die Klage zu erheben.

Die möglichen Einwendungen sind bei der Klage noch enger als bei der Nachprüfung. Das Gericht (hier entscheidet das Verwaltungsgericht) will und darf sich nicht an die Stelle des Prüfers setzen. Es wird also nicht die gesamten Klausuren noch einmal durchgehen und dann seine eigene Bewertung verfassen. 

Weiter Bewertungsspielraum

Vielmehr müssen konkrete Einwendungen gegen die Korrektur erhoben werden. Dabei reicht es keinesfalls aus, zu sagen, der Prüfer habe zu hohe Maßstäbe angesetzt oder zu streng bewertet. Denn der Prüfer hat ein relativ weitgehendes Bewertungsermessen, in das das Gericht gerade nicht eingreifen will. 

Das Verwaltungsgericht München hat dies zum Beispiel so formuliert: „Gegenstände des prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraumes sind etwa die Punktevergabe und Notengebung (...), die Einordnung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabenstellung, bei Stellung verschiedener Aufgaben deren Gewichtung untereinander, die Würdigung der Qualität der Darstellung, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung sowie die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels.“ (Az. M 4 K 13.495) 

Daher muss man schon sehr genau darlegen, warum ein Prüfer diesen weiten Spielraum doch einmal überschritten haben sollte. 

Der bloße Hinweis, man habe eine bestimmte Passage doch gut gelöst, mag im Rahmen der Nachprüfung sinnvoll sein (siehe oben); wenn der Korrektor dies anerkennt, aber zugleich ausführt, dass diese eine Leistung zusammen mit den anderen positiven Aspekten der Arbeit insgesamt doch nicht ausreicht, dann überschreitet er seinen Spielraum gerade nicht. 

Denn der Korrektor ist gerade dafür da, aus einer Fülle guter und schlechter Einzelleistungen (eine juristische Examensklausur hat regelmäßig zwischen 20 und 50 Seiten) ein Gesamtergebnis festzustellen. 

Zielgenaue Einwendungen notwendig

Das mag nun ziemlich entmutigend klingen. Das ist aber keinesfalls so gedacht. Man muss sich nur mit den rechtlichen Rahmenbedingungen auseinandersetzen, sonst verliert man sich in Erwägungen, die keine Erfolgsaussichten mit sich bringen. 

Wichtig sind daher zielgenaue Angriffe gegen tatsächliche Bewertungsfehler. Der klarste Fall liegt natürlich vor, wenn eine richtige Antwort als falsch kritisiert wurde. Ebenso dürfen Lösungen, die im Endeffekt unvollständig oder teilweise falsch waren, nicht völlig übergangen werden, wenn sie zumindest in Ansätzen richtig waren. 

Auch Ausführungen, die sachlich richtig und passend waren, dürfen nicht völlig ignoriert werden, weil die Musterlösung sie nicht umfasst. Unterstellt der Prüfer dem Prüfling, er habe mit einer bestimmten Formulierung „das Falsche gemeint“, kommt es darauf an, wie diese bei verständiger Auslegung zu verstehen war. Begründet der Korrektor die Note wesentlich mit einem einzelnen, nicht zentralen Kritikpunkt, liegt darin unter Umständen ein Gewichtungsfehler, da er seinen Bewertungsspielraum überschreitet.

Sachliche Einschätzung hilft

Aus diesen Fallgruppen erkennt man eines: Genauso, wie es bei Prüfungsarbeiten ein eindeutiges Richtig und Falsch oft nicht gibt, kann man eine Bewertung selten zweifellos als zutreffend oder unzutreffend einstufen. 

Daher sollte man für Klage auch schon vor dem Verwaltungsgericht (wo man sich eigentlich auch selbst vertreten könnte) einen Rechtsanwalt beauftragen. Das soll keine Werbung für mich und meine Kollegen sein. Aber es ist einfach vernünftiger, jemanden an seiner Seite zu haben, der sich mit der Materie intensiv auskennt. 

Zudem schadet es auch nicht, wenn sich eine etwas neutralere Person damit beschäftigt, die auch den notwendigen Abstand zu den in Rede stehenden Prüfungsleistungen hat. 

Ein guter Anwalt wird Ihnen, wenn es angebracht ist, auch ganz klar sagen: „Schauen Sie, diese eine Klausur war einfach nichts. Da können wir uns auf den Kopf stellen, es wird nichts bringen. Unsere Strategie muss vielmehr diesen, diesen und diesen Gesichtspunkt bei den anderen Arbeiten umfassen.“ 

4. Resümee

Sie haben nun theoretisch erfahren, wie man eine Prüfungsanfechtung durchführen kann. Dass jeder individuelle Fall anders zu beurteilen ist, ist eine juristische Binsenweisheit. Aber hier ist sie so richtig wie wohl nirgends sonst. Die Herangehensweise hängt ganz zentral vom Fach und der anzuwendenden Prüfungsordnung ab. Jede Klausur ist anders und hat ihre individuellen Stärken und Schwächen. Jeder Korrektor ist anders und sichert sein Urteil anders ab. 

Niemand kann Ihnen garantieren, dass er Ihr enttäuschendes Ergebnis doch noch hinbiegen wird. Aber dafür, allgemeine Regeln in die konkrete Lösung für einen konkreten Fall umsetzen, gibt es eben Anwälte. Sie sollten durchaus den Mut haben, im Rahmen einer Erstberatung einfach einmal Ihre Chancen abzuklären. 

Und noch eine Bitte: Gehen Sie nicht erst am letzten Tag der Anfechtungsfrist des letzten Versuchs zu einem Anwalt. Es ist niemals ratsam, erst die letzte Chance zu ergreifen. Auch das erste Durchfallen kann und darf man anfechten. Und allein die Tatsache, dass der erste Versuch noch nicht in Stein gemeißelt ist, sondern sich doch noch zum Guten wenden könnte, nimmt Ihnen im Wiederholungsversuch sehr viel von der Nervosität, die den Prüflingen oft genug im Weg steht.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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