Abstammungsrecht – was kann ich tun, wenn ich keinen rechtlichen Vater habe? Teil 2

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Klärung der Abstammung

Die Abstammung kann gemäß § 1600d Abs. 1 BGB, § 169 Nr. 1 FamFG gerichtlich festgestellt werden. Unter anderem legt § 1598a BGB einen Anspruch des Vaters, der Mutter und des Kindes jeweils gegen die anderen beiden Personen auf Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung fest. Durch diesen Anspruch kann das im Grundgesetz verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, das auch das Recht auf Kenntnis eigener Abstammung und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung umfasst, tatsächlich durchgesetzt werden. Die Möglichkeit einer Abstammungsklärung gemäß    § 1598a BGB stellt unter normalen Umständen kein gerichtliches Verfahren dar. Die klärungsberechtigten und -verpflichteten Personen können sich zunächst einvernehmlich an ein privates Institut wenden, um die Abstammung klären zu lassen. Nur in einem Sonderfall, wenn sich ein Beteiligter weigert, die Zustimmung zur Abstammungsklärung abzugeben, kann das Gericht auf Antrag eines Klärungsberechtigten die nicht erteilte Einwilligung ersetzen und die Duldung einer Probenentnahme anordnen.

In allen diesen Verfahren ist das Gericht gesetzlich verpflichtet, alle erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Es ist nach dem sogenannten Amtsermittlungsgrundsatz an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Im Rahmen eines solchen Gerichtsverfahren erfolgt die Beweisaufnahme in der Regel in Form eines Sachverständigengutachtens, nämlich ein humangenetisches, biostatistisches DNA-Gutachten. Mit den modernen Abstammungsgutachten lässt sich heute nahezu jeder Fall eindeutig klären.

In anderen Fällen kann die Begutachtung durch einen Sachverständigen, durch die Verwertung eines von einem Beteiligten eingeholten Gutachtens über die Abstammung ersetzt werden, § 177 Abs. 2 S. 2 FamFG. Eine Verwertung eines privaten Abstammungsgutachtens ist nur im Einverständnis mit allen Beteiligten möglich, sofern das Gutachten mit Einwilligung aller Beteiligten eingeholt worden ist und das Familiengericht an den Feststellungen des Sachverständigen nicht zweifelt. Die Verwertung eines heimlich von einem Beteiligten eingeholten Gutachtens scheidet grundsätzlich aus, da eine heimlich durchgeführte DNA-Analyse des genetischen Materials einer anderen Person dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht in seiner Ausformung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Solche Gutachten werden deswegen für unverwertbar gehalten.

Gemäß § 178 Abs. 1 FamFG hat jede Person Untersuchungen zum Zweck der Feststellung der Abstammung zu dulden. Allerdings kann es vorkommen, dass ein Beteiligter – insbesondere der potenzielle Vater bei der Vaterschaftsfeststellung – seine Mitwirkung an der Abstammungsbegutachtung ohne gerechtfertigten Grund verweigert. In einem solchen Fall muss versucht werden, diese zwangsweise durchzusetzen, § 178 Abs. 2 S. 2 FamFG. Haben Zwangsmittel keinen Erfolg, können auch andere Mittel, z.B. die Begutachtung dritter Personen, etwa von Großeltern, in Betracht gezogen werden.

Ein Sonderproblem stellen die Fälle der sog. postmortalen Abstammungsbegutachtung dar, nämlich der Probenentnahme bei einem Toten (Exhumierung), wegen der Störung der Totenruhe. Da im Abstammungsprozess eine sog. Amtsermittlungsmaxime gilt, muss das Gericht alle erreichbaren Beweismittel benutzen, die Aufklärung versprechen. Dazu gehört nach heutigem Kenntnisstand auch die Beweiserhebung durch DNA-Gutachten anhand von Gewebeproben eines bereits Verstorbenen, selbst wenn dazu dessen Exhumierung erforderlich ist. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hält in seinen Entscheidungen die Exhumierung des Toten zum Zweck der DNA-Analyse für zumutbar, soweit sie erforderlich ist, um die Abstammung zu ermitteln. Dies wird damit begründet, dass das Recht eines Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung, die für das Verständnis und die Entfaltung eigener Individualität von zentraler Bedeutung ist, die Totenfürsorge der berechtigten Angehörigen überwiegt.

Foto(s): ©Adobe Stock/WavebreakmediaMicro

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