Mit und ohne Testament: Die gesetzliche und gewillkürte Erbfolge – Teil 1

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Verfassungsrechtliche Grundlagen und Prinzipien des Erbrechts

Im Art. 14 Abs. 1 GG wird die sog. Erbrechtsgarantie festgelegt: «Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.» Eine ähnliche Vorschrift enthält die Grundrechtecharta (GRCh), die gem. Art. 6 I EUV den Gründungsverträgen der EU gleichgestellt ist. In ihrem Art. 14 Abs. 1 S. 1 legt sie fest, dass jede Person das Recht hat, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum unter anderem auch zu vererben. Die Erbrechtsgarantie gilt als Maßstab gesetzlicher Regelungen – sie formuliert das Erbrecht als Rechtsinstitut und als Recht des Individuums. Das letzte umfasst nicht nur das Recht des Erblassers, sein Vermögen zu vererben, das Recht des Erben, das Vermögen des Erblassers kraft gesetzlicher oder gewillkürter Erbfolge zu erwerben, sondern auch das sog. negative Erbrecht, nämlich das Recht nichts aus dem Nachlass zu erhalten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jeder frei in seiner Entscheidung, ob er Erbe eines anderen werden oder auf andere Art etwas aus dessen Nachlass bekommen will (BGH, Urteil vom 19. 01. 2011 - IV ZR 7/10).

Das Erbrecht beruht auf drei wichtigen Grundsätzen. Nach dem Prinzip des Privaterbrechts wird das Vermögen des Erblassers in private Hand gelenkt. Erst wenn kein testamentarischer oder gesetzlicher privater Erbe (ob jemand Erbe sein kann, bestimmt sich nach den Ordnungen der §§ 1924 ff. BGB) auffindbar ist, fällt der Nachlass gemäß §1936 S. 2 BGB dem Staat zu. Durch diesen Grundsatz wird die Eigentumsordnung und damit die Rechtsordnung über die Generationen hinweg etabliert. Nach dem anderen Prinzip, den Grundsatz des Familienerbrechts (inkl. des Pflichtteilsrechts), wird das Vermögen des Erblassers im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge von Personen und Personengruppen geerbt, die mit dem Erblasser enge persönliche und wirtschaftliche Beziehungen haben – vor allem von Ehegatten und der Familie. An die Stelle der rechtlichen und sittlichen Pflichten zur gegenseitigen Förderung und Hilfe unter Lebenden tritt nach dem Tod ein Anteil am Vermögen des Erblassers. Letztlich gehört auch die sog. Testierfreiheit zu den wichtigsten Grundsätzen des Erbrechts. Der Erblasser darf durch Testament oder Erbvertrag die Erbfolge privatautonom regeln. Das Recht, durch Verfügung von Todes wegen über sein Vermögen zu verfügen, stellt einen unabdingbaren Teil des allgemeinen, im deutschen Zivilrecht herrschenden Grundsatzes der Privatautonomie dar. Hat der Erblasser von seinem Recht, für die Zeit nach dem Tod eine aus seiner Sicht angemessene Vermögensverteilung zu bewirken, Gebrauch gemacht und ein Testament hinterlassen, hat die aufgrund dieser letztwilligen Verfügung erfolgende gewillkürte Erbfolge den Vorrang vor der gesetzlichen.

Gesetzliche und gewillkürte Erbfolge 

Gem. § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tode einer Person (Erbfall) deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über, sog. Gesamtrechtsnachfolge. Das Gesetz bestimmt den Übergang des Vermögens als Ganzes, mit Einschluss der Verbindlichkeiten, auf den Erben, § 1967 BGB. Dabei kann Erbe nur werden, wer als Erbe berufen ist. Das BGB kennt zwei Arten der Erbfolge - der gesetzlichen Erbfolge, die nach dem Tode automatisch eintritt, wenn kein Testament oder Erbvertrag vorliegt, die eine anders lautende Erbfolge anordnen, und der gewillkürten Erbfolge, die auf Grund einer solchen Verfügung von Todes wegen eingreift. Die zwei Modalitäten stehen in keinem strikten Gegensatz zueinander, so dass sie nach dem Willen des Erblassers auch kombiniert werden können - der Erblasser kann z.B. nur teilweise über seinen Nachlass von Todes wegen verfügen und es im Übrigen bei der gesetzlichen Erbfolge belassen.

Allerdings ist die oben genannte Testierfreiheit des Erblassers nicht grenzenlos - das Erbrecht enthält vielmehr zwingende Vorschriften unter anderem zur Form (Testament oder Erbvertrag) und zum Inhalt der zu treffenden Regelungen. So ist der Erblasser verpflichtet, sich an die festgelegten erbrechtlichen Typen der zulässigen Gestaltungen zu halten. Darüber hinaus sind auch die Vorschriften zum Pflichtteilsrecht zu berücksichtigen. Das Pflichtteilsrecht nach den §§ 2303 ff. BGB regelt das „Minimum“ an Erbquote, welches einem „Enterbten“ aus dem Kreis der in § 2303 Abs. 1, 2 BGB benannten Personen zukommen soll aus gesetzgeberischer Sicht, wenn auch eine Verfügung von Todes wegen anders lautet und eine aus den § 2303 Abs. 1, 2 BGB benannten Personen nichts zukommen lassen begehrt.


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