Abstandsverstöße – Halber Tachowert ausreichend?

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Neben Geschwindigkeitsüberschreitungen und Rotlichtverstößen sind Unterschreitungen des Mindestabstands die häufigsten Verkehrsordnungswidrigkeiten.

Gemäß § 4 StVO muss der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter diesem gehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird. Wer vorausfährt, darf nicht ohne zwingenden Grund stark bremsen. Der einzuhaltende Sicherheitsabstand muss sich insbesondere nach der gefahrenen Geschwindigkeit, der Örtlichkeit, den Wetterverhältnissen und der Verkehrslage richten. Die Bußgeldkatalogverordnung gibt in Nr. 12.5 der Tabelle 2 als Wert den halben Tachowert an. 

Nach der Rechtsprechung ist der halbe Tachoabstand jedoch nur ein unverbindlicher Maßstab (AG Homburg/Saar DAR 1998,31; vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker, § 4 StVO Rn 4 mwN). Die Obergerichte, die für die Entscheidung über Rechtsbeschwerden gegen die Urteile der Amtsgerichte entscheiden, ermitteln den Sicherheitsabstand exakter.

Der Sicherheitsabstand zwischen zwei Kfz darf demnach auf einer Schnellstraße den von dem nachfolgenden Kfz in 1,5 Sekunden zurückzulegenden Weg grundsätzlich nicht unterschreiten (OLG Düsseldorf VRS 74,451; OLG Hamm VRS 55,211; OLG Köln VRS 67,286 ua.). 

Dies wirkt sich insbesondere bei höheren Geschwindigkeiten aus, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen:

Bsp.: 120 km/h – ½ Tachoabstand 60 m    1,5 sec. Differenz 66,66 m

180 km/h – ½ Tachoabstand 90 m              1,5 sec. Differenz 150 m

Dies bedeutet, dass ein Pkw mit einer Geschwindigkeit von 180 km/h mit 90 m Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug den halben Tachoabstand zwar ohne Weiteres einhält. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ist der Mindestabstand von 150 m jedoch eindeutig unterschritten.

Diese obergerichtliche Rechtsprechung muss bei der Verteidigung in der Hauptverhandlung berücksichtigt werden, insbesondere wenn erwogen wird, gegen eine Entscheidung Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht einzulegen. 

In der Praxis sind aber Erfolge bei der Verteidigung konkret in der Verhandlung vor dem Amtsgericht beim Bewerten des Beweisvideos möglich. 

Der Autor des Rechtstipps, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht und Strafrecht Christian Steffgen, hat sich seit 2001 speziell auf das Fahrverbots- und Bußgeldrecht bei Geschwindigkeits-, Abstands- und Handyverstößen spezialisiert. Vielen Mandanten hat er vor Gerichten in Bayern und Baden-Württemberg persönlich beigestanden und u. a. Fahrverbote verhindert und Einstellungen bewirkt. Er ist Vertragsanwalt der GTÜ. Die Bundesrechtsanwaltskammer hat ihm das Zertifikat Q für besondere Bemühungen in der Fortbildung verliehen. 


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