Achtung Auftraggeber und Arbeitgeber! Freie Mitarbeiter sind oft scheinselbstständig

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Am 04.06.2019 hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass Honorarärzte im Krankenhaus oftmals als scheinselbstständig zu bewerten sind. Die ist gleichbedeutend damit, dass diese Ärzte in Wahrheit sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer sind.

Das soll nach dem Gerichtsurteil immer dann der Fall sein, wenn die Ärzte in die Organisation des Betriebs eingegliedert sind. Dabei geht es insbesondere darum, dass eine Führungskraft des Krankenhauses neben den Angestellten des Krankenhauses auch dem Honorararzt Weisungen erteilen kann.

In Krankenhäusern wird das wohl in den allermeisten Fällen so zu handhaben sein, da eine Arbeit des Honorararztes ohne Führung durch die Krankenhausleitung kaum denkbar sein wird.

Relevanz des Urteils für andere Berufsgruppen, insbesondere im Logistikbereich

Das Urteil des Bundessozialgerichts betraf den Fall einer Honorarärztin. Es ist jedoch zu erwarten, dass die Grundsätze, die in diesem Urteil ausgearbeitet wurden, von der Rentenversicherung auch in anderen Fällen angewendet werden.

Dies betrifft insbesondere Branchen, in denen der Einsatz sogenannter freier Mitarbeiter als selbstständige Unternehmer erfolgt, diese aber in eine Organisation eingebunden werden.

Für diese Fälle sollte das Urteil vom Arbeitgeber zum Anlass genommen werden, zu prüfen, ob die freien Mitarbeiter tatsächlich freie Mitarbeiter sind.

Finanzielle Folgen der Scheinselbständigkeit für Auftraggeber bzw. Arbeitgeber

Im Rahmen der regelmäßigen Betriebsprüfungen durch die Rentenversicherung ist zu erwarten, dass solche Vertragsverhältnisse reihenweise als sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse eingestuft werden.

Zudem werden die in diesem Urteil festgestellten Grundsätze auch im Rahmen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit durch den Zoll angewendet werden.

Das Ergebnis wird sein, dass die Sozialversicherungsbeiträge für die Vergangenheit nachberechnet werden.

Außerdem hat die Einstufung der Mitarbeiter als Arbeitnehmer auch zur Folge, dass die Regelungen aus dem Mindestlohngesetz Anwendung finden werden.

Dies kann insbesondere in der Logistikbranche dazu führen, dass die Sozialversicherungsbeiträge aufgrund des fiktiven Gehalts berechnet werden, das dem Arbeitnehmer als Mindestlohn zugestanden hätte.

Dies kann – gerade in Fällen mit längerer Historie – zu empfindlichen finanziellen Belastungen führen, da nun die Beiträge aus der Vergangenheit in geballter Form geleistet werden müssen.

Die Einstufung als Arbeitnehmer führt zudem dazu, dass der Auftraggeber nun als Arbeitgeber zu qualifizieren ist und als solcher die Lohnsteuer für den jeweiligen Arbeitnehmer an das Finanzamt abführen muss bzw. hätte abführen müssen.

Strafrechtliche Folgen

Grundsätzlich stellt das Nichtabführen der Sozialversicherungsbeiträge für einen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten eine Straftat dar. Es handelt sich um das sogenannte Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB).

Voraussetzung dafür, dass eine Bestrafung erfolgt, ist, dass der Arbeitgeber vorsätzlich gehandelt hat, also wusste, dass es sich um ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis handelte und dennoch keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hat.

In vielen Fällen wird es sich nicht um vorsätzliche Taten handeln, weil die jeweiligen Auftraggeber nicht wussten, dass es sich bei den sogenannten „freien Mitarbeitern“ in Wahrheit um sozialversicherungspflichtig Beschäftigte handelte.

Da das Urteil in den Medien sehr präsent war und ist, werden ab jetzt jedoch die Voraussetzungen schwieriger werden, um von fehlendem Vorsatz auszugehen.

Zumindest trifft die Auftraggeber in ähnlichen Konstellationen die Pflicht, zu überprüfen, ob es sich bei den freien Mitarbeitern um sozialversicherungspflichtig Beschäftigte handelt.

Außerdem kommt noch unter ähnlichen Voraussetzungen wie bei Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt eine Strafbarkeit wegen Lohnsteuerhinterziehung in Betracht.

Schließlich drohen Bußgelder wegen Verstoßes gegen das Mindestlohngesetz.

Was jetzt zu tun ist:

Zunächst sollte jeder Auftraggeber von freien Mitarbeitern, Subunternehmern und Honorarkräften nach den Grundsätzen des Urteils des BSG prüfen, ob demnach auch bei ihm möglicherweise eine solche risikobehaftete Konstellation gegeben ist.

Hierzu sollte fachliche Beratung hinzugezogen werden und ggf. ein sogenanntes Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung angestoßen werden.

In einem solchen Statusfeststellungsverfahren wird verbindlich festgestellt, ob eine sozialversicherungsrechtliche Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit durch den Auftragnehmer vorliegt.

In Fällen, in denen nach eigener Prüfung oder nach Durchlaufen eines Statusfeststellungsverfahrens festgestellt wird, dass eine Sozialversicherungspflicht vorliegt, sollte in Eigeninitiative eine Meldung bei den zuständigen Behörden und eine Nachzahlung der Beiträge und Steuern erfolgen.

Bei den Steuern sollte der Blick auch auf mögliche Umsatzsteuer und Vorsteuerkorrekturen gelegt werden, dass auch diese Beurteilung sich ggf. ändert, wenn ein Unternehmer gar kein Unternehmer, sondern ein Angestellter ist.

Hier kann möglicherweise eine Zahlungsvereinbarung mit den zuständigen Stellen getroffen werden.

Schließlich sollte natürlich bei neu zu schließenden Verträgen eine genaue Beurteilung erfolgen, ob es sich um freie Mitarbeiter oder um Angestellte handelt.

Als Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht und Zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht (Fernuni Hagen) stehe ich Ihnen gerne für ein erstes Beratungsgespräch zur Verfügung. Über mein Honorar informiere ich Sie grundsätzlich im Vorfeld.

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Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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