AG Stuttgart Urteil v. 13.10.2020 - Kostenlose Reisestornierung auch ohne Reisewarnung (Kreuzfahrt)

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Urteil des Amtsgericht Stuttgart Urteil vom 13.10.2020 - Az: 3 C 2559/20


Vollständige Rückerstattung der Reisekosten nach Rücktritt wegen Covid-19 am Zielort/ Schiffskreuzfahrt 

Dieses Urteil verdeutlich noch einmal, dass es auf eine Einzelfallentscheidung und die Argumentation ankommt. Das Urteil löst lehrbuchartig den Fall nach klassischen juristischen Grundsätzen.

Nach dem AG Frankfurt entschied, dass eine Reisewarnung lediglich ein Indiz sei für "außergewöhnliche Umstände" reiht sich nun auch das AG Stuttgart ein und bestätigt, dass eine Reisewarnung keine Voraussetzung für einen Rückerstattungsanspruch nach Reiserücktritt ist. 

Das AG Stuttgart geht sogar weiter und zieht zur Auslegung des § 651 h BGB die EU Richtlinie (EU 2015/2302) heran. Denn die Normen im BGB, die eine solche Rückerstattung regeln, gehen zurück auf die EU Richtlinie, die im Rahmen einer sog. Vollharmonisierung in das deutsche Recht eingefügt wurden. Das Gericht führt eine sog. richtlinienkonforme Auslegung durch.

Die Entscheidenden Punkte:

Es besteht ein Anspruch auf Rückerstattung nach einer Stornierung wegen Covid-19 gemäß § §§ 346 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Nach dem Rücktritt/Stornierung kann der Reisende seine Kosten für die Pauschalreise vollständig zurückverlangen, wenn 

  • am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise erheblich beeinträchtigen (§ 651h BGB)
  • derartige Umstände liegen vor, wenn etwa wegen Ausbruchs einer schweren Krankheit am Reiseziel erhebliche Risiken für die menschliche Gesundheit bestehen (Erwägungsgrund 31 RL 2015/2302)

Die Frage, ob dies beim Zeitpunkt der Stornierung absehbar ist als Prognoseentscheidung zu beurteilen. Das Gericht zieht folgende Erwägungen hinzu:

  • "der Grad der Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung lässt sich nicht in Form einer festen Größe, sondern nur Fallweise unter Berücksichtigung des konkreten Reisevertrags beantworten" (Verweis auf die BGH Entscheidung NJW 2002,3700 juris Rn. 12)  konkret ist also folgendes zu beurteilen:
  1. . die Wahrscheinlichkeit, für welche Rechtsgüter Gefahren drohen
  2. . die Gefahrenlage der konkreten Reise

            Hier sieht es das Gericht wie folgt: Aufgrund der Pandemie besteht eine " realistische Wahrscheinlichkeit einer schweren Erkrankung, die zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen bis zum Tode führen kann"

  • die Reisewarnung sei ein wichtiges Indiz, aber keine Voraussetzung.
  • auch die Reisewarnung des WHO sei hier heranzuziehen
  • zum Zeitpunkt der Stornierung bestand keine Therapiemöglichkeit
  • die Tatsache, dass auf Kreuzfahrten Menschen auf engem raum zusammen reisen, wurde ebenfalls als Gefahr gesehen
  • auch die Möglichkeit als gesamtes Schiff in Quarantäne gestellt zu werden wurde hier in die Prognose aufgenommen


Ich berate Sie gerne 

Wenn Sie Fragen zu Ihren Ansprüchen gegen den Reiseveranstalter haben, freue ich mich auf Ihre Anfrage. 


Foto(s): Dalkilic


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