Aktiensplitt bei Google Inc. - und was Depotbanken daraus machen

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Jeder Anleger, der Google-Aktien in seinem Depot hatte, war überrascht, als er feststellte, dass nach dem Aktiensplitt auf die „neuen Aktien“ Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag durch die Depotbank abgeführt wurde.

Was ist die Story?

Im April 2014 teilte die Google Inc. aus den USA ihre Aktien, die zu einem Kurs von ca. 1.100,00 US-Dollar gehandelt wurden, im Verhältnis 1:2 auf. Dieses bedeutet, dass jeder Aktionär, der bisher beispielsweise 20 Aktien hielt, plötzlich 40 Aktien hatte. Oder anders ausgedrückt für eine Aktie zu bisher ca. 1.200,00 US-Dollar erhielt der Google Aktionär zwei Aktien zu jeweils ca. 600,00 US-Dollar. Eigentlich haben die Aktionäre keine neuen Aktien erworben, sondern vielmehr wurden ihre Aktien hinsichtlich der Anzahl in den doppelten Betrag getauscht zum halben Kurswert. Trotzdem haben deutsche Depotbanken auf jede neue Google-Aktie einen steuerpflichtigen Kapitalertrag von 600,00 US-Dollar ermittelt und auf diesen Betrag, dem Kunden gemäß § 43 a Abs. 1 EStG 25 % Kapitalertragsteuer und 5,5 % Solidaritätszuschlag belastet.

Google hat die neuen Aktien als sogenannte Stock Dividends deklariert. Diese neuen Aktien hatten kein Stimmrecht. Dieses hatte den Hintergrund, dass Mehrheitsaktionäre von Google ihr Stimmrecht erhöhen wollten, durch Einschränkung der Stimmrechte der bisherigen Aktionäre.

Wie ist der Vorgang steuerlich zu betrachten?

Zunächst ist es so, dass zu den steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen auch Dividenden gehören (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Variante 1 EStG). Dividenden sind nicht nur Bardividenden, sondern auch Sachwerte, beispielsweise Aktien. Nach deutschem Steuerrecht ist es so, dass die Zuweisung von Aktien, die unentgeltlich erfolgt, nur dann eine Dividende und damit steuerpflichtig ist, wenn die Zuteilung auf einem Gewinnausschüttungsbeschluss beruht. Google hat jedoch durch die neuen Aktien keine zusätzlichen Gewinne ausgeschüttet, die über die Bardividende hinausgehen.

Vorliegend verblieb es bei den ursprünglichen Anschaffungskosten der Aktien, es erhöhte sich nur die Anzahl. Damit blieb auch das Grundkapital der Aktiengesellschaft gleich. Ob Google eine Kapitalerhöhung vorgenommen hatte wurde nicht bekannt. Nach deutschem Steuerrecht ist ein Aktiensplitt immer dann steuerneutral, wenn eine Aktie in zwei oder mehrere Anteile aufgespalten wird und das Grundkapital der Gesellschaft gleich bleibt.

Vorauseilender Gehorsam bei den Depotbanken?

Davon muss man wohl ausgehen.

Für die Frage, ob bei einer ausländischen Aktiengesellschaft eine steuerneutrale Neuverteilung bereits vorhandener Vermögenswerte vorliegt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes allein das ausländische Gesellschaftsrecht maßgeblich. Das BMF geht jedoch gemäß § 20 Abs. 4 a, Satz 1, 7 EStG davon aus, dass Anteile aus dem Spin-Off neu erworben werden.

Vorliegend haben die unentgeltlich zugewiesenen und stimmrechtlosen Google-Aktien zwar eine neue ISIN erhalten, was auch eine von mehreren Voraussetzungen für einen Spin-Off ist. Allerdings wurde bei Google keinerlei Vermögen auf einen neuen Rechtsträger übertragen. Daher können wir nicht davon ausgehen, dass durch die neue Zuteilung einer ISIN sich eine steuerliche Bewertung zu Lasten des Anlegers ergibt.

Grundsätzlich ist im Zweifel zu Gunsten des Steuerpflichtigen davon auszugehen, dass eine unentgeltliche Zuteilung von Aktien durch ausländische Emittenten immer mit 0,00 € anzusetzen ist. 

Dieses gilt nicht nur für die Steuerpflichtigen, sondern auch für die Depotbanken, die zwar aus dem Depotvertrag heraus verpflichtet sind, zu prüfen, ob ein kapitalertragssteuerpflichtiger Vorgang vorliegt oder nicht. Sie sind jedoch nicht berechtigt, aus dem Depotvertrag eine Pflicht herzuleiten und im „vorauseilenden Gehorsam“ zu Lasten des Anlegers Kapitalertragsteuer auf unentgeltlich zugewiesene Aktien zu erheben. 

Was ist zu tun?

Aktionäre können bei dem Betriebsstättenfinanzamt der Depotbank gemäß § 37 Abs. 2 AO die Erstattung beantragen. Gemäß § 37 Abs. 2 AO lässt das BMF einen Erstattungsanspruch des mit der Kapitalertragsteuer belasteten Aktionärs direkt zu. Der Aktionär ist daher aktiv legitimiert und nicht auf seine Depotbank verwiesen. Nach dieser Regelung in der Abgabenordnung hat derjenige, auf dessen Rechnung eine Steuerzahlung geleistet wird einem Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages. Der Aktionär verlangt die Beträge erstattet, die seine Depotbank auf Grund der im Verhältnis zu ihrem Finanzamt wirksamen Steueranmeldung abgeführt hat.

Der Aktionär hat daher die Möglichkeit direkt bei dem Betriebsstättenfinanzamt seinen Erstattungsanspruch geltend zu machen.

Eine andere Möglichkeit ist die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches gegen die Depotbank. Der Aktionär/Anleger braucht sich nicht auf seinen Erstattungsanspruch gegen das Betriebsstättenfinanzamt der Bank verweisen lassen. Er kann die Rückbuchung der Kapitalertragsteuer direkt bei seiner Depotbank verlangen. Es liegt dann an der Bank bei dem Finanzamt gemäß § 44 b Abs. 5 EStG die Änderung ihrer Steueranmeldung zu beantragen und die überzahlten Beträge zurückzuverlangen. Der Schadensersatzanspruch des Anlegers gegen die Depotbank wird im Zivilrechtsweg geltend gemacht und bindet nicht das Finanzamt.

Warum Schadensersatzanspruch?

Nun, die Depotbank, die Kapitalertragsteuer abführt, muss den Sachverhalt aufklären und ist verpflichtet, die Steuerrechtslage einzuschätzen. Tut sie dieses nicht oder ungenügend oder schätzt sie die Steuerrechtslage falsch ein, kann ihr Kunde Schadensersatz verlangen. Der Schadensersatzanspruch besteht zum einen in der Rückbuchung der belasteten Kapitalertragsteuer und zum anderen in der Differenz (abgeführte Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag), mit der er nicht an den Kursgewinnen teilnehmen kann.

Um mit Theodor Fontane zu sprechen: „Es ist ein weites Feld.“ Wir werden sehen, welche Antworten die Rechtsprechung zu dieser Frage schreibt.

Gern sind wir für Sie da.

Anwaltskanzlei BONTSCHEV

Rechtsanwältin Kerstin Bontschev

Fachanwältin für Steuerrecht

Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht 


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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