Amazon sperrt Kundenkonto wegen zu vieler Retouren

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Wer bei Amazon häufig Waren bestellt und diese gleich wieder zurücksendet, kann möglicherweise damit rechnen, dass sein Kundenkonto ohne Vorwarnung gekündigt wird.

Laut Studien liegt die Rückgabequote bei Internetgeschäften bei etwa 10 bis 16 %. Durch das 14-tägige Widerrufsrecht ist eine Rücksendung innerhalb dieser Zeit problemlos möglich. Die Portokosten trägt im Regelfall Amazon. Händler sind dem aber nicht hilflos ausgeliefert und haben das Recht, sich ihre Kunden selbst auszusuchen und ggf. Geschäfte mit bestimmten Kunden zu verweigern.

1. Widerrufsrecht

Fraglich ist allerdings, ob durch die aufgrund hoher Rückgabequote erfolgte Kontosperrung ohne jegliche Vorwarnung das gesetzliche Widerrufsrecht der Verbraucher ausgehebelt wird.

Gemäß §§ 355 Abs. 1 S. 1, 312 Abs. 1 S. 1 BGB besteht für Verträge, welche im Fernabsatz geschlossen worden sind, ein Widerrufsrecht. Dieses steht auch den Kunden von Amazon zu. § 312i BGB erweitert den Rechtsschutz der Kunden dahingehend, dass man von den gesetzlichen Vorschriften weder zum Nachteil des Verbrauchers abweichen darf, noch diese durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden können. Amazon übt erheblichen Druck auf die Kunden aus, dieses Widerrufsrecht nicht wahrzunehmen. Eine solche Druckausübung könnte eine relevante Abweichung oder Umgehung des gesetzlichen Widerrufsrechtes darstellen, denn faktisch kann der Kunde sich nicht mehr folgenlos von seiner Willenserklärung lösen. Dies hätte zur Folge, dass Amazon nicht grundlos ein Kundenkonto sperren dürfte.

Befürworter, welche das Verhalten von Amazon als gerechtfertigt ansehen, argumentieren wie folgt:

Grundrechtlich liegt die Entscheidung, ob es zu einem weiteren Vertrag kommt, aufgrund der geschützten Vertragsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG bei beiden Vertragsparteien, also auch bei Amazon. Wenn man in dem Verhalten von Amazon eine unzulässige Umgehung sehe, so würde Amazon jedoch die Entscheidung, einen weiteren Vertrag abzuschließen, genommen werden.

Meiner Ansicht nach ist die vorgenannte Argumentation fragwürdig. Denn Amazon wird keineswegs ein Zwang zum Abschluss von Verträgen auferlegt. Amazon ist es unbenommen, Verträge nach freiem Belieben abzuschließen. Somit kann davon ausgegangen werden, dass die Privatautonomie und Vertragsfreiheit berücksichtigt worden ist, und demnach auch die verbraucherschützenden Normen Anwendung finden müssen. Die faktische Umgehung des § 312i S. 2 BGB durch Kündigung des Kundenkontos nach Ausübung des Widerrufsrechtes könnte ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB darstellen. Dies könnte daraus folgen, dass Amazon zunächst vorgibt, sich im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zu bewegen, jedoch den Verbraucher Sanktionen nach der Rechtsausübung auferlegt. Aufgrund solch widersprüchlichen Verhaltens sollte die Vertragsabschlussfreiheit – welche im engeren Sinne überhaupt nicht tangiert ist – eingeschränkt werden. Meiner Einschätzung nach umfasst das Umgehungsverbot aus § 312i S. 2 BGB Situationen, in welcher ein Vertrag bereits abgeschlossen wurde, und zwar freiwillig. Er umfasst gerade nicht Situationen, welche Unternehmen verpflichten würde, Verträge abzuschließen.

2. AGB

Die Verbraucherzentrale hat die Kündigungspraxis von Amazon bereits abgemahnt und kritisiert, dass es an einer eindeutigen Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) fehlt und die betroffenen Kunden nicht vorgewarnt werden. In den Amazon-AGB ist Folgendes geregelt:

 „Wir behalten uns das Recht vor, Ihnen Service auf der Website vorzuenthalten oder Mitgliedskonten zu schließen. Das gilt insbesondere für den Fall, dass Sie gegen anwendbares Recht, vertragliche Vereinbarungen oder unsere Richtlinien verstoßen.“

Es ist fraglich ob diese unklare Formulierung den gesetzlichen Voraussetzungen genügt. Die Benennung konkreter Voraussetzungen, welche eine Kündigung nach sich ziehen, fehlt gänzlich. Hinweise, dass eine bestimmte Retourenquote nicht überschritten werden darf, findet man ebenfalls nicht.

3. Bereits erworbene digitale Inhalte

Das Oberlandesgericht Köln entschied Ende Februar 2016, dass Kindle-Kunden ein Recht darauf haben, bereits zuvor im Abo erworbene Bücher weiter zu nutzen (OLG Köln, Az.: 6 U 90/15). Den Kauf weiterer Bücher könnte Amazon allerdings verwehren.

Fazit: Einerseits besteht keine Verpflichtung, Kunden beliefern zu müssen, andererseits könnte eine solche Verhaltensweise das Widerrufsrecht des Verbrauchers aushebeln. Hinzu kommt, dass es sehr fragwürdig erscheint, ob die von Amazon verwendeten AGB wirksam sind. Eine Klage des Verbraucherschutzes gegen Amazon ist bereits anhängig. Nun ist mit juristischem Widerstand zu rechnen, welcher sich durch die verschiedenen Instanzen ziehen wird.

 

RAin Diana Hopf

Tätigkeitsschwerpunkt Allgemeines Zivilrecht

Tel. (0351) 80 71 8-0, hopf@dresdner-fachanwaelte.de

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