Anfechtung der Annahme der Erbschaft wegen Irrtums über den Beginn der Ausschlagungsfrist

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Einleitung

Der testamentarisch eingesetzte oder gesetzlich bestimmte Erbe wird mit dem Erbfall, d.h. dem Tod der zu beerbenden Person (dem Erblasser) Erbe. Eine Annahme der Erbschaft bedarf es nicht. Der Erbe wird grundsätzlich bereits mit dem Tod des Erblassers Inhaber aller Rechte und Pflichten des Verstorbenen. Dieser Erwerb ist zunächst nur ein vorläufiger, da der Erbe die Möglichkeit hat, das Erbe innerhalb einer Frist von sechs Wochen auszuschlagen. Diese Frist beginnt bei testamentarischer Erbeinsetzung nicht vor Bekanntgabe des Testaments durch das Nachlassgericht. Bei gesetzlicher Erbfolge beginnt die Frist mit der Kenntnis vom Tod des Erblassers und Kenntnis vom Berufungsgrund, d.h. zum Beispiel dem Verwandtschaftsverhältnis.

Das Problem

Wenn Erbe und Erblasser wenig Kontakt hatten, hat der Erbe keine Kenntnis, ob der Nachlass werthaltig oder überschuldet ist. Da er grundsätzlich auch mit seinem eigenen Vermögen für die Schulden des Nachlasses haftet, ist es für ihn eminent wichtig, Kenntnis vom Vermögen des Verstorbenen zu erlangen. Dies setzt gerade im Verkehr mit Banken häufig einen Erbschein voraus. Im Normalfall führt die Beantragung eines Erbscheins aber zur Annahme der Erbschaft mit der Folge, dass diese nicht mehr ausgeschlagen werden kann. Der Erbe muss also entscheiden, ob er die Erbschaft ausschlägt und das innerhalb einer Frist von sechs Wochen, ohne sich in dieser Zeit Kenntnis von der Werthaltigkeit des Nachlasses verschaffen zu können. Nimmt er das Erbe an oder schlägt er nicht aus, bleibt ihm bei überschuldetem Nachlass nur die Möglichkeit, die Haftung auf den Nachlass zu beschränken.

In bestimmten Fällen kann die Annahme oder die Fristversäumung angefochten werden. Eine Anfechtung setzt aber einen beachtlichen Irrtum voraus. Zur Frage, wann ein solcher Irrtum vorliegt, hat sich aktuell das OLG Schleswig-Holstein in seinem Beschluss vom 31.07.2015, Az: 3 Wx 120/14, geäußert.

Der Fall

Am 26.05.2014 verstarb die Erblasserin. Sie hatte einen Sohn. Dieser beantragte am 23.07.2014 einen Erbschein für sich als Alleinerben, der ihm am 24.07.2014 erteilt wurde. Am 26.08.2014 erklärte der Sohn die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist. Begründet hatte der Sohn die Anfechtung mit fehlender Kenntnis von der Überschuldung des Nachlasses. Er war aber auch ersichtlich davon ausgegangen, dass die Ausschlagungsfrist erst ab Erteilung des Erbscheins laufe.

Der Sohn hatte die Einziehung des Erbscheins wegen Unrichtigkeit beantragt, weil er wegen der erfolgten Anfechtung nicht mehr Erbe sei. Das Nachlassgericht ist dem Antrag nicht gefolgt und hat die Sache zur Entscheidung dem OLG Schleswig-Holstein vorgelegt.

Die Entscheidung

Das OLG hat der Beschwerde stattgegeben. Der Sohn sei zwar der berufene gesetzliche Erbe. Zudem habe er die Erbschaft angenommen. Beides hatte er aber wirksam angefochten.

Der Anfechtungsgrund lag nicht in der Überschuldung des Nachlasses. Die Überschuldung des Nachlasses kann nur dann ein Anfechtungsgrund sein, wenn der Erbe von der Werthaltigkeit des Nachlasses ausgegangen ist. Daran fehlt es, wenn wie hier, der Erbe davon ausgeht, dass der Nachlass überschuldet sein könnte bzw. hiermit rechnet.

Der Sohn war nach Überzeugung des OLG der irrigen Annahme aufgesessen, dass die Ausschlagungsfrist erst ab Erhalt des Erbscheins laufe. Das OLG hat hierin einen beachtlichen Irrtum erblickt. Der Sohn war aufgrund seiner Anfechtung rückwirkend nicht mehr Erbe.

Fazit

Eine Lösung des oben skizzierten Problems der Informationsbeschaffung besteht auch nach der Entscheidung des OLG Schleswig-Holstein nicht. Im Normalfall dürfte der Erbe zumindest aufgrund anwaltlicher Beratung Kenntnis vom Beginn der Ausschlagungsfrist haben. Jedenfalls erklärt der Erbe in den typischen Erbscheinsanträgen die Annahme der Erbschaft. Damit dürfte anders als im entschiedenen Fall im Regelfall eine Anfechtung aus diesem Grund ausgeschlossen sein.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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