Anlegerrecht: Durch Pfändung von 10-jähriger Anfechtungsfrist in die Dreimonatsfrist

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Nach dem BGH-Urteil vom 08.01.2015 – IX 198/13 = BeckRS 2015, 01686, NJW-Spezial 2015, 2015 sind bei einem Schneeballsystem die an den Anleger ausgezahlten Beträge an die Insolvenzmasse abzuführen, wenn Rückzahlungen in Kenntnis des Schneeballsystems erlangt wurden. Die Kenntnis des Schneeballsystems spreche für einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners. 

Folge: Danach könnte angenommen werden, dass Forderungen gegen Graumarktemittenten und -anbieter bei Vorliegen eines Schneeballsystems nicht mehr anfechtungsfrei durchgesetzt werden können. Denn die Zahlungen wären im Falle eines Insolvenzverfahrens, sofern es denn eröffnet wird, anfechtbar und unter Umständen zur Masse zu ziehen. Diese Annahme trifft hingegen nur zum Teil zu, nämlich für außergerichtliche Leistungen.

Es bleibt ein Ausweg für den Gläubiger: Durch eine Titulierung der Forderung mit anschließender Pfändung rutscht die Gläubigerforderung von einer zehnjährigen Anfechtungsfrist nach § 133 InsO in eine dreimonatige Anfechtungsfrist nach den §§ 130, 131, 134 InsO. Einfacher formuliert: Wird die Forderung gepfändet, besteht ein nur dreimonatiges Anfechtungsrisiko. Nach Ablauf der drei Monate ist die Pfändung und Erfüllung unanfechtbar. 

Denn: Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine während des Dreimonatszeitraums im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Sicherung oder Befriedigung zwar als inkongruent anzusehen (st. Rspr. BGHZ 136, 309, 311 ff; BGHZ 128, 196 ff). Daher begründe ein erst während des Dreimonatszeitraums vor dem Eröffnungsantrag wirksam gewordenes Pfandrecht in der Insolvenz kein anfechtungsfestes Absonderungsrecht nach § 50 Abs. 1 InsO, wenn der Schuldner zur Zeit der Rechtshandlung zahlungsunfähig war (§ 131 Abs.1 Nr. 2 InsO). Sofern das Pfandrecht dagegen vorher entstanden und auch aus sonstigen Gründen nicht anfechtbar sei, könne die anschließende Befriedigung durch Zahlung nicht mehr angefochten werden, weil sie die Gläubiger nicht benachteilige (st. Rspr. BGH, ZIP 1991, 1014, 1017; ZIP 2000, 898), LG Bonn, Urteil vom 04. Mai 2007, 1 O 418/06.

Zwischenfazit: Werden die Gläubiger durch die Pfändung nicht benachteiligt, kann es auf den Benachteiligungsvorsatz nicht mehr ankommen.

Bei einem dinglichen Arrest besteht eine Unsicherheitsfrist von drei Monaten

Bei einem dinglichen Arrest mit der Pfändung von Vermögenswerten würden die vorstehenden Erwägungen wie bei einem Hauptsachetitel gelten. Es bestände dann eine Unsicherheitsfrist von drei Monaten nach der Pfändung. Wird kein Insolvenzantrag innerhalb von drei Monaten nach dem Arrest gestellt, ist die Pfändung anfechtungsfrei.

Fazit: Eingezogene Gläubigerforderungen in Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit müssen grundsätzlich an die Insolvenzmasse abgeführt werden (Ausnahme: Bargeschäft). Wer die (drohende) Zahlungsunfähigkeit einmal kennt, löst einen entsprechenden Vermutungstatbestand aus. Die Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit soll zudem schon dann vorliegen, wenn sie einmal vorliegt. Das Anfechtungsrisiko kann also Zeiträume von mehreren Jahren erfassen (Exkurs: Der bilanzpflichtige Gläubiger kann bei betrieblichen Forderungen für 10 Jahre steuermindernde Rückstellungen bilden müssen). Eine Pfändung kann die Anfechtungsfrist von 10 Jahren auf drei Monate verkürzen. Ein dinglicher Arrest im Graumarktbereich kann zielführend sein, wenn der Schuldner meint, etwa wegen der Nachrangigkeit von Finanzinstrumenten keinen Insolvenzantrag stellen zu müssen. Dann hätte der Gläubiger gute Chancen, über den Dreimonatszeitraum hinauszukommen.


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