Anom-Daten verwertbar - BGH verliert endgültig seinen Wertekompass

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Handychats, nach BGH egal, wie erlangt

Nachdem der BGH sich in jüngerer Vergangenheit bereits mehrere Aussetzer geleistet hat (so etwa die "Neufestsetzung" zur nicht geringen Menge Cannabis), folgt nun der nächste Riesen-Fauxpas, welcher entweder an der fachlichen Kompetenz der höchsten deutschen Richter, oder  aber an deren Willen, rechtsstaatliche Grundsätze umzusetzen, zweifeln lässt. 


Kurzzusammenfassung des Sachverhalts

Mit dem Slogan "Designed by criminals for criminals"  lockte die  Verschlüsselungs-App Anom zahlreiche dubiose Kunden zum Erwerb entsprechender Kryptotelefone, um ihre kriminelle Kommunikation im Verborgenen zu halten. Dabei handelte es sich weitgehend um organisierte Kriminalität in Form von Waffenhandel und Drogenhandel. Tatsächlich handelte es sich jedoch um eine List des FBI, welche die Handys tatsächlich entwickelt haben und Codes besaßen, um die verschlüsselten Nachrichten mitlesen zu können. Die Verwendung des entsprechenden Materials war bislang hochgradig umstritten, weil deutsche Behörden selbst nicht in den Abhörvorgang involviert waren, das heißt die entsprechenden Maßnahmen und die hieraus gewonnenen Erkenntnisse weder unter den Voraussetzungen des deutschen Rechts erlangt, noch verwertet wurden. Damit noch nicht genug: Ein Server, auf denen die Chatnachrichten gespeichert waren, stand in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, dessen Identität das FBI auf dessen Bitte jedoch nicht preisgab, ebenso wenig wurde bekannt, warum dieser Staat überhaupt um Geheimhaltung bat.


Kernaussagen der Entscheidung

Jetzt der Oberhammer: Der BGH entschied nun, dass die aus den Chats erlangten Erkenntnisse  auch vor deutschen Gerichten als Beweismittel Bestand haben sollen, auch wenn keiner weiß, woher diese rühren und auf welche Weise sie erlangt wurden (1 StR 54/24).  Hiernach seien Anom-Daten zumindest bei dem Verdacht schwerer Straftaten verwertbar und zwar (festhalten) auch dann, wenn der Betroffene sich gegen den zugrundeliegenden Beschluss nicht wehren kann, nicht bekannt ist, wer den Beschluss erlassen hat und dieser selbst dem Gericht nur vom Hörensagen bekannt ist. Ob deutsche Behörden selbst auf diese Weise hätten vorgehen dürfen, sei außerdem unerheblich. „Die Maßnahmen richteten sich ausschließlich gegen Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für die Beteiligung an Straftaten der organisierten Kriminalität, insbesondere im Bereich des Betäubungsmittel- und Waffenhandels, bestanden.“ Kurzgefasst: Wir hauen drauf.


Resümee

Rechtspolitisch ist die Entscheidung, ähnlich wie Entscheidungen zu den Encrochat-Handys, durchaus nachvollziehbar, weil es sich der Bevölkerung wohl nur schwer vermitteln ließe, derart dicke Fische wieder vom Haken zu lassen. Rechtlich jedoch – und alleine hierauf darf es im Rahmen einer gerichtlichen Entscheidung ankommen – ist dieses Ergebnis absolut unvertretbar und tritt den Rechtsstaat mit Füßen. Sowohl rechtsstaatliche Standards als auch entsprechende europäische Rechtsprechung werden durch den BGH geflissentlich ignoriert. Ein Ausdruck entweder an Inkompetenz oder an Ignoranz, der seinesgleichen sucht.

Im Ergebnis kann man also zusammenfassend sagen: „Wir pfeifen auf unsere eigenen Regeln, solange es nur die Richtigen trifft.“ Wehren kann sich gegen die Beschlüsse auch kein Mensch, kennt ja keiner. Ein Armutszeugnis der deutschen Rechtsprechung auf höchster Ebene, nicht mehr weit entfernt vom Inquisitionsverfahren. Wenn das höchste deutsche Gericht in Strafsachen ein derartiges Vorgehen toleriert bzw. legitimiert, muss man sich über gar nichts mehr wundern.


Läuft gegen Sie ebenfalls ein Verfahren, sitzen Sie in Untersuchungshaft und brauchen Sie Unterstützung im Betäubungsmittelstrafrecht? Dann sprechen Sie mich gerne an. Auch wenn die Zeiten unsicher sind, lassen wir uns sicherlich nicht den Mund verbieten. 



AS-Strafverteidigung

Adrian Schmid

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht

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