Anspruch auf Krankengeld, auch wenn die AU-Bescheinigung erst später ausgestellt wird?

  • 2 Minuten Lesezeit

Das Bundessozialgericht hatte bisher immer einen persönlichen Kontakt zum Arzt gefordert, damit eine Lücke in der AU-Bescheinigung geschlossen werden kann, vgl. BSG, Urt. v. 11.05.2017 - B 3 KR 22/15 R. Dieses Erfordernis ging jedoch an der Praxis vorbei.

Daher hat das BSG mit Urteil vom 26.03.2020 - B 3 KR 10/19 R - die Rechtsprechung zum Krankengeld bei verspäteter Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung fortentwickelt:

"Der Senat entwickelt diese Rechtsprechung fort und konkretisiert sie dahin, dass es einem "rechtzeitig" erfolgten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt gleichsteht, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw -erhaltenden zeitlichen Grenzen eine ärztliche Feststellung der AU als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erhalten, es dazu aber aus dem Vertragsarzt und der Krankenkasse zurechenbaren Gründen erst verspätet nach Wegfall dieser Gründe gekommen ist. 

Das ist insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen die Gründe für das nicht rechtzeitige Zustandekommen einer ärztlichen Folge-AU-Feststellung in der Sphäre des Vertragsarztes und nicht in derjenigen des Versicherten liegen. Dies ist typischerweise zu bejahen bei einer auf Wunsch des Vertragsarztes bzw seines von ihm angeleiteten Praxispersonals erfolgten Verschiebung des vereinbarten rechtzeitigen Arzttermins in der (naheliegenden) Vorstellung, ein späterer Termin sei für den Versicherten leistungsrechtlich unschädlich, weil nach den Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (AU-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) auch die begrenzte rückwirkende ärztliche AU-Feststellung statthaft sei."

Fazit

Eine Lücke in den ärztlichen Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit (AU) ist somit unschädlich, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan und innerhalb der anspruchsbegründenden/-erhaltenden zeitlichen Grenzen versucht hat, eine ärztliche Feststellung der AU als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erhalten, es dazu aber aus dem Arzt zurechenbaren Gründen erst verspätet gekommen ist. Der Versicherte ist dann so zu behandeln, als hätte er von dem aufgesuchten Arzt rechtzeitig die ärztliche Feststellung der AU erhalten.

Falls Sie also in den letzten Jahren als Versicherter eine Ablehnung der Weiterzahlung von Krankengeld mit der Begründung erhalten haben, die AU-Bescheinigung sei zu spät erstellt worden, sollte  umgehend überprüft werden, ob mit der neuen Rechtsprechung ein Anspruch auf Krankengeld bestand. Dies kann in vielen Fällen auch dazu führen, dass auch die Pflichtversicherung fortbestand und die Zahlung von Beiträgen zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung zu Unrecht gefordert wurden. 

Die Autorin ist in den medizin- und sozialrechtlichen Bereichen bundesweit tätig.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Stephanie Bröring

Beiträge zum Thema