Anwältin für Familienrecht: Wechselmodell oder Residenzmodell – Welches Betreuungsmodell passt zu Ihrer Situation?

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Wenn Eltern sich trennen, stellt die Organisation der Kinderbetreuung eine zentrale Herausforderung dar. Zwei der häufigsten Modelle sind das Wechselmodell und das Residenzmodell. Beide Modelle haben spezifische Vor- und Nachteile, die sorgfältig geprüft werden sollten, um die beste Lösung für das Kindeswohl zu finden.


Das Wechselmodell: Gleichwertige Betreuung durch beide Elternteile


Beim Wechselmodell leben die Kinder zu annähernd gleichen Teilen bei beiden Elternteilen, oft im wöchentlichen Rhythmus. Beide Eltern übernehmen die Verantwortung gleichberechtigt und gestalten den Alltag des Kindes gemeinsam.


Vorteile des Wechselmodells:


  • Starke Bindung zu beiden Elternteilen: Das Kind hat regelmäßigen und intensiven Kontakt zu beiden Eltern, was eine gleichberechtigte Beziehung fördert.

  • Gleichverteilung der Verantwortung: Beide Elternteile teilen sich Erziehung, Betreuung und Entscheidungen gleichermaßen.

  • Vermeidung von Überbelastung: Die Last der Betreuung verteilt sich auf beide Elternteile.


Nachteile des Wechselmodells:


  • Hohe organisatorische Anforderungen: Die Abstimmung von Terminen, Schule und Freizeitaktivitäten erfordert eine gute Zusammenarbeit.

  • Belastung durch Ortswechsel: Kinder können unter den häufigen Wechseln zwischen den Haushalten leiden, insbesondere wenn es Konflikte gibt.

  • Finanzielle Mehrbelastung: Zwei gleichwertig ausgestattete Haushalte zu führen, kann kostspielig sein.


Das Wechselmodell eignet sich vor allem dann, wenn die Eltern kooperationsfähig sind und in räumlicher Nähe zueinander wohnen.


Das Residenzmodell: Stabilität durch einen Hauptwohnsitz


Beim Residenzmodell lebt das Kind überwiegend bei einem Elternteil, während der andere Elternteil feste Umgangszeiten hat. Dieses Modell wird häufig gewählt, wenn die Eltern weit voneinander entfernt wohnen oder sich Konflikte nicht vermeiden lassen.


Vorteile des Residenzmodells:


  • Stabilität für das Kind: Ein fester Wohnsitz und ein konstanter Alltag bieten Sicherheit, insbesondere für kleinere Kinder.

  • Weniger Konflikte: Der geringere Abstimmungsbedarf zwischen den Eltern reduziert Spannungen.

  • Einfache Organisation: Die Verantwortlichkeiten sind klar geregelt, und das Kind kann in seiner gewohnten Umgebung bleiben.


Nachteile des Residenzmodells:


  • Ungleiche Bindung: Der Umgangselternteil hat weniger Kontakt zum Kind, was die Beziehung belasten kann.

  • Hohe Belastung des Residenzelternteils: Der Hauptbetreuer trägt oft die größte Verantwortung für Erziehung, Schule und Freizeitgestaltung.

  • Gefühl der Benachteiligung: Der Umgangselternteil kann sich von der Erziehung ausgeschlossen fühlen.


Das Residenzmodell ist besonders geeignet, wenn das Kind eine feste Umgebung braucht oder die Elternbeziehung konfliktbelastet ist.


Rechtliche Aspekte der Betreuungsmodelle


Die Wahl des Betreuungsmodells sollte stets im besten Interesse des Kindes getroffen werden. Können die Eltern keine Einigung erzielen, entscheidet das Familiengericht über das Modell, das das Kindeswohl am besten gewährleistet. Wichtige Kriterien sind die Bindung des Kindes zu den Eltern, die berufliche und räumliche Situation der Eltern sowie deren Kooperationsfähigkeit.


Seit einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) im Jahr 2017 kann das Wechselmodell auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden, wenn dies dem Kindeswohl dient (BGH, Beschluss vom 1. Februar 2017 – XII ZB 601/15). Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer ausgewogenen Betreuung durch beide Elternteile.


Fazit: Die richtige Wahl für das Kindeswohl


Das Wechselmodell bietet die Möglichkeit einer gleichwertigen Betreuung, setzt aber eine enge Zusammenarbeit der Eltern voraus. Das Residenzmodell gewährleistet Stabilität, birgt jedoch das Risiko einer ungleichen Beziehung zwischen Kind und Elternteilen. Beide Modelle haben Vor- und Nachteile, die individuell abgewogen werden müssen.


Eltern sollten gemeinsam eine Lösung finden, die auf die Bedürfnisse des Kindes zugeschnitten ist. Wenn keine Einigung erzielt wird, kann das Familiengericht eine Entscheidung treffen, die auf das Kindeswohl ausgerichtet ist. 


Foto(s): @linusklose

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