Anwalt bei Vorladung, Anklage oder Hausdurchsuchung mit dem Vorwurf Untreue

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Wer besondere Befugnisse hat, hat in der Regel auch eine entsprechende Verantwortung. Betreffen die besonderen Befugnisse die Einwirkungsmöglichkeit auf das Vermögen einer anderen Person, so kann bei Missbrauch oder Bruch der damit einhergehenden Pflichten und der hierdurch verursachten Schädigung des Vermögens eines Anderen unter Umständen sogar eine Strafbarkeit wegen Untreue begründet werden.

Wie hoch ist die Strafe für Untreue?

Für Untreue droht gem. § 266 Abs.1 StGB grundsätzlich eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe.

Wann droht eine höhere Strafe wegen Untreue?

In bestimmten Fällen droht allerdings eine höhere Strafe (§ 266 Abs.2 StGB). Zum Beispiel kann für gewerbsmäßige Untreue oder für eine solche, durch die ein Vermögensverlust großen Ausmaßes verursacht wird, eine Freiheitsstrafe zwischen 6 Monaten und 10 Jahren (§§ 266 Abs.2, 263 Abs.3 StGB) drohen.

Für die Annahme eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes gibt es keine starre Grenze, allerdings hat der BGH entschieden, dass dieser Vorwurf erst ab der Herbeiführung eines Vermögensverlustes von mindestens 50 000 Euro im Raum steht (vgl. BGH, Urteil v. 07.10.2003 – 1 StR 274/03).

Wann macht man sich wegen Untreue strafbar?

Eine Strafbarkeit wegen Untreue droht im Wesentlichen in zwei Konstellationen.

1. Beim Missbrauch der Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen. Diese Befugnis kann durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder ein Rechtsgeschäft begründet werden (§ 266 Abs.1 Alt.1 StGB).

2. Durch einen Treuebruch, also bei der Verletzung eine Treuepflicht, die im Zusammenhang mit der Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zusammenhängt. Diese Pflicht kann ebenfalls durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder ein Rechtsgeschäft begründet werden oder aus einem Treueverhältnis entstehen (§ 266 Abs.1 Alt.2 StGB).


In beiden Fällen ist es erforderlich, dass der Täter aufgrund seines Verhaltens einen Vermögensnachteil beim Geschädigten (dessen Vermögensinteressen betreut werden) herbeiführt.

Kann sich jeder wegen Untreue strafbar machen?

Grundsätzlich kann sich jeder wegen Untreue strafbar machen. Voraussetzung ist aber, dass man eine sogenannte Vermögensbetreuungspflicht hat. Man braucht also eine bestimmte Nähe zu dem geschädigten Vermögen, um sich wegen Untreue strafbar zu machen. Hier zeigt sich, dass im Rahmen der Untreue zum Einen sanktioniert wird, dass fremdes Vermögen geschädigt wird und zum anderen drückt gerade der Straftatbestand der Untreue die Vermögensschädigung im Zusammenhang mit dem Bruch eines gewissen Vertrauens, dem Missbrauch seiner Stellung, aus.

Diese Vermögensbetreuungspflicht ist in beiden Alternativen der Untreue nach § 266 StGB erforderlich, also sowohl in der Missbrauchsalternative als auch in der Treuebruchalternative (vgl. BGH, Beschluss v. 11.05.2021 – 4 StR 350/20).

Wann hat man eine Vermögensbetreuungspflicht?

Eine Vermögensbetreuungspflicht besteht nicht schon dann, wenn man dem Vermögen eines Anderen besonders nahe steht; hierauf zugreifen kann.

Das wäre zu weit. So weit soll die strafrechtliche Sanktionierung nicht gehen. Es sind also höhere Anforderungen an das Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht zu stellen.

Entscheidend für das Bestehen einer Vermögensbetreuungspflicht ist nach der Rechtsprechung insbesondere:

1. Der Inhaber der Vermögensbetreuungspflicht muss einen gewissen Entscheidungsspielraum haben in Bezug auf die Betreuung des Vermögens. Es bedarf einer gewissen Eigenständigkeit. Man muss also vor allem betrachten, inwiefern der Pflichtige Weisungen und Kontrollen unterliegt. Vgl. z.B. BGH, Beschluss v. 29.01.2020 – 1 StR 421/19.

2. Die Vermögensbetreuungspflicht darf nicht nur eine bloße (untergeordnete) Nebenpflicht, sondern muss eine Hauptpflicht des Inhabers der Vermögensbetreuungspflicht sein (vgl. z.B. BGH, Beschluss v. 11.05.2021 – 4 StR 350/20).


Wichtig ist, dass die Vermögensbetreuungspflicht mehr ist, als die bloße Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Vermögensinteressen einer anderen Person. Eine bloß tatsächlich, faktisch, bestehende Möglichkeit zum Zugriff bzw. zur Einwirkung auf das Vermögen einer anderen Person, genügt ebenso wenig. Vgl. BGH, Beschluss v. 11.05.2021 – 4 StR 350/20.


Der BGH bejahte zum Beispiel in einem Beschluss das Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht eines Vertragsarztes gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse im Falle der Ausstellung von Heilmittelverordnungen (vgl. BGH, Beschluss v. 11.05.2021 – 4 StR 350/20).


Eine Vermögensbetreuungspflicht kann auch dann entstehen, wenn das Rechtsverhältnis, durch welches sie entsteht, zivilrechtlich unwirksam ist, soweit der Pflichtige faktisch die entsprechende Herrschaft über das Vermögen ausübt (vgl. BGH, Urteil v. 04.03.2020 – 5 StR 395/19).

Wann missbraucht man seine Befugnisse in strafbarer Weise?

Ein Missbrauch seiner Befugnisse im Sinne der Straftat der Untreue setzt zunächst voraus, dass man die Befugnis hat, einen anderen (den später Geschädigten) nach außen hin wirksam zu verpflichten.

Man kann dies also. Darf man dies aber aufgrund der Bestimmungen im Innenverhältnis (zwischen Veruntreuendem und Geschädigtem) nicht, so missbraucht man diese Befugnis. Vgl. z.B. BGH, Urteil v. 16.12.2010 – 4 StR 492/10. Und das soll im Rahmen der Untreue strafbar sein.


Ein Beispiel ist hierbei ein Geschäftsführer einer GmbH, der nach außen hin die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich vertritt, diese also wirksam nach außen hin verpflichten kann (vgl. § 35 GmbHG). Diese Vertretungsmacht kann im Innenverhältnis beschränkt werden (z.B. durch den Gesellschaftsvertrag). Allerdings haben etwaige Beschränkungen gem. § 37 Abs.2 GmbHG keine Wirkung für dritte Personen (außerhalb der Gesellschaft). Der Geschäftsführer kann in diesem Fall nach außen wirksam mit Dritten beispielsweise einen Vertrag schließen, obwohl es ihm im Innenverhältnis, innerhalb der Gesellschaft, untersagt ist. Er kann, darf aber nicht. Dies kann dann – soweit die übrigen Voraussetzungen der Untreue vorliegen – strafbar sein.

Wann begeht man einen strafbaren Treuebruch?

Der Treuebruchtatbestand der Untreue ist weiter gefasst als der Missbrauchstatbestand. Im Rahmen eines Treuebruchs ist nämlich nicht erforderlich, dass der Täter den Geschädigten nach außen hin wirksam verpflichten kann. Es muss aber eine Treuepflicht bestehen, die durch ein Gesetz, ein Rechtsgeschäft, ein Treueverhältnis oder einen behördlichen Auftrag begründet wurde (§ 266 Abs.1 Alt.2 StGB).


Eine solche Treuepflicht (deren Bruch gegebenenfalls zu einer Strafe wegen Untreue führen kann) kann sich gesetzlich zum Beispiel aus § 4 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) im Hinblick auf die Verwahrung von Fremdgeldern ergeben. So bejahte der BGH (z.B.) in einem Beschluss aus dem Jahr 2019 die Möglichkeit einer Strafbarkeit wegen Untreue für den Fall, dass ein Rechtsanwalt „Fremdgelder auf sein Geschäftskonto einzahlen lässt“ und dabei aber weder dazu gewillt, noch dazu fähig, den entsprechenden Betrag jederzeit „aus eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszukehren“ (BGH, Beschluss v. 26.11.2019 – 2 StR 588/18) (zusammenfassend und damit zunächst vereinfacht dargestellt).

Wann verursacht man bei der Untreue einen Vermögensnachteil?

Ein Vermögensnachteil wird durch die Ermittlung der Differenz zwischen dem Vermögen ohne und mit dem Pflichtenverstoß des Veruntreuenden ermittelt (vgl. z.B. BGH, Urteil v. 23.10.2018 – 1 StR 234/17) . Dabei gilt das Prinzip der Gesamtsaldierung. Es wird also berücksichtigt, ob durch die in Frage stehende Tathandlung nicht auch zugleich das Vermögen gemehrt wurde und sich der Abfluss des Vermögens entsprechend ausgleicht (in diesem Fall wäre ein Vermögensnachteil zu verneinen). Vgl. z.B. BGH, Beschluss v. 26.11.2019 – 2 StR 588/18.


Maßgeblich sind bei der Beurteilung des Vorliegens eines Vermögensschadens insbesondere wirtschaftliche Erwägungen, die lediglich durch normative (rechtliche) Aspekte ergänzt – gegebenenfalls korrigiert – werden. Vgl. BGH, Urteil v. 23.10.2018 – 1 StR 234/17.


Der BGH bejahte zum Beispiel, dass bei Schmiergeldzahlungen regelmäßig ein Vermögensnachteil im Sinne der Untreue verursacht wird. Das liegt daran, dass hierfür keine entsprechende Gegenleistung erlangt wird (vgl. BGH, Urteil v. 23.10.2018 – 1 StR 234/17) (die, wie gerade festgestellt, als Vermögensmehrung den Vermögensabfluss wieder ausgleichen könnte).


Auch die Gefährdung des Vermögens kann schon ein Vermögensschaden im Sinne der Untreue darstellen. Voraussetzung ist dabei eine bereits hinreichend konkrete und bezifferbare Beeinträchtigung des Vermögens, nämlich dergestalt dass das Vermögen im Grunde bereits reduziert ist. Mithin kann eine Strafbarkeit wegen Untreue beispielsweise auch schon bei Abschluss eines hiernach schädigenden Vertrages im Raum stehen. Vgl. BGH, Beschluss v. 26.06.2019 – 1 StR 551/18.

Das Spekulieren auf einen möglicherweise später eintretenden Gewinn

Die Verteidigung „ich habe es doch nur gut gemeint“ schließt das Entstehen eines Vermögensschadens auch nicht unbedingt aus (vgl. BGH, Urteil v. 23.10.2018 – 1 StR 234/17). Selbst wenn das Vorgehen des Beschuldigten im Rahmen weiterer Geschäfte schlussendlich zu einer Vermögensmehrung führen sollte, so kann ein Vermögensnachteil im Sinne der Untreue verursacht worden sein. Das liegt daran, dass Entscheidungen, wie mit seinem Vermögen zu verfahren ist, am Ende des Tages dem Vermögensinhaber zukommen. Wie das Vermögen angelegt, aufgewandt, wird, entscheidet also der Vermögensinhaber.

Entsteht später durch weitere Geschäfte des Beschuldigten dennoch ein Vermögensvorteil, so droht zwar weiterhin eine Strafe wegen Untreue, allerdings kann dies eine Schadenswiedergutmachung darstellen (vgl. BGH, Urteil v. 23.10.2018 – 1 StR 234/17) und als solche im Rahmen der Strafzumessung Berücksichtigung finden (§ 46 Abs.2 StGB).

Können neben einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe weitere Folgen bei einer Verurteilung wegen Untreue drohen?

Eine strafrechtliche Verurteilung kann mehr und gegebenenfalls auch weitreichendere Folgen mit sich bringen, als eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe.

Hier sind insbesondere an berufliche Folgen einer strafrechtlichen Verurteilung zu denken. Zum Beispiel kann wer zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen begangener Untreue verurteilt wurde, für eine bestimmte Dauer nicht die Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH ausüben (§ 6 Abs.2 Nr.3 lit.e GmbHG).



Sollten Sie eine Vorladung oder eine Anklage mit dem Vorwurf der Untreue erhalten haben, sollten Sie zunächst einmal Ruhe bewahren und von Ihrem Schweigerecht als Beschuldigter einer Straftat Gebrauch machen. Sie sind nicht dazu verpflichtet, sich zum Tatvorwurf zu äußern. Ohne Einsicht in die Ermittlungsakten ist dies auch in der Regel nicht ratsam. Auch Fehler in den frühen Stadien eines Strafverfahrens können sich erheblich auswirken und können schlimmstenfalls nicht mehr im weiteren Verlauf „wieder gut gemacht“ werden. Wenden Sie sich daher bei Erhalt einer Vorladung oder einer Anklage bestenfalls so schnell wie möglich an einen Anwalt für Strafrecht. Dieser wird Akteneinsicht beantragen und das weitere Vorgehen mit Ihnen besprechen.

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