Arbeitskreis „Wirtschaftskriminalität und Opferschutz“ – Grundlagen des Wirtschaftssystems

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Täter im Gefängnis - Opfer geht leer aus

Im Rahmen einer Fortbildungsreihe beschäftigen sich Rechtsanwälte und Experten anderer Berufsgruppen mit Fragen der Wirtschaftskriminalität und des Opferschutzes.

Thema einer Diskussionsrunde war die Frage nach der Effektivität des bestehenden institutionellen Rahmens zur Bekämpfung wirtschaftskriminellen Verhaltens, das Beeinträchtigungen der Wirtschaftsordnung fördert, die mit den Mitteln staatlichen Handelns verhindert werden sollen.

Opferschutz im Kapitalismus

Berührungspunkte ergeben sich für die Rechtsanwälte Dr. Schulte & Partner, die primär mit der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen von Opfern wirtschaftskriminellen Handels beschäftigt sind. Dr. Schulte dazu: „Wirtschaftskriminalität wird hier praktisch bewertet.  Ohne politische Wertung; sie entsteht in der auf Arbeitsteilung beruhenden modernden Industriegesellschaft."

Wirtschaftskriminalität aus Sicht des Teilnehmers Carsten Beyreuther

In einem Beitrag erläuterte der Verkaufstrainer und Coach Carsten Beyreuther die Voraussetzungen für Wirtschaftskriminalität: „Die ökonomische Theorie hat mehrere Dinge zu diesem Phänomen zu sagen:  diese kann wirtschaftskriminelles Handeln aus rationalen Handlungen der Individuen rekonstruieren und damit einer Bekämpfung zugänglich machen. Sie kann einen Eindruck der Gefährdung der arbeitsteiligen Ordnung durch Wirtschaftskriminalität geben und damit einen Beitrag zur Begründung leisten, warum diese Handlungen zu bekämpfen sind. Schließlich kann sie Kriterien aufzeigen, inwieweit eine solche Bekämpfung sinnvoll erscheint."

Beyreuther weiter: „Wirtschaftskriminelle schwimmen mit dem Mainstream des Kapitalismus: ökonomisch vorteilhaftes individuelles Handeln fördert das System.  Zugleich  sollen durch das Rechtssystem gleichzeitig klare Grenzen für die individuellen Rechtsräume gesetzt. Wirtschaftskriminelle überschreiten diese Grenzen vorsätzlich und planmäßig. Dabei wird dieser menschliche Tatendrang zum einen von der individuellen Handlungsfreiheit geprägt, die dem Einzelnen einen Rahmen vorgibt, innerhalb dessen er sich bewegen kann und zum anderen von seinem persönlichen Eigeninteresse, das in Kombination mit entsprechenden Handlungsrechten zu bestimmten Handlungen führt."

Aus Sicht eines Motivationstrainers und Coach sind diese Personen sehr motiviert und als technische Überflieger des Kapitalismus; hier ist das Ziel des Coaching die Grenzen erfahrbar und fühlbar zu machen. Mit anderen Worten:  jedes Individuum besitzt einen Antrieb, der als universelles menschliches Charakteristikum angesehen werden kann, nämlich das Streben nach Verbesserung der persönlichen Situation und der sie umgebenden Lebensbedingungen.  Dieses universelle Charakteristikum des Menschen und die darauf gerichtete Zielorientierung individuell vorteilhaften Handelns liegen in der Natur und können aber teilweise gesteuert werden.

Dies kann idealerweise dadurch erreicht werden, dass auf Seiten der Gesellschaftsmitglieder Einsicht dafür besteht, entwickelte Regeln und Gesetze einzuhalten. Dort, wo diese Einsicht fehlt, sind besondere staatliche Einrichtungen damit beauftragt, Normabweichungen zu verhindern oder zu verfolgen.

Praktische Probleme des Opferschutzes durch das Vertrauensprinzip der Gewerbeordnung Preußens von 1869.

Dr. Thomas Schulte: „Schöne Theorie, Herr Beyreuther, Betrügereien und Schwindelfirmen entstanden sofort nach Einführung der Gewerbefreiheit 1869 im Deutschen Reich. Unser Rechtssystem ist gegenüber Wirtschaftskriminellen extrem anfällig. Jeder Kriminelle muss doch nur einen Gewerbeschein besitzen und sein tägliches Handeln wird nicht mehr kontrolliert. Der Straftäter, Herr Beyreuther hat drei  bis vier Jahre Vorsprung vor der Staatsanwaltschaft und der rechtlichen Verfolgung. Dieser Umstand hat uns Bismarcks Politik eingebrockt."

Stabilität des Systems vor Opferschutz - weiterer Kritikpunkt

Auf der Grundlage des Systems zielen Institutionen im Kern darauf, individuelles Verhalten zu beeinflussen, um durch die Schaffung eines stabilen Systems ökonomisch vorteilhaftes Handeln zu fördern  und damit die Ordnung vor systembeschränkenden Handlungen zu schützen. Damit dient das System aber nicht der Wiedergutmachung der Schäden von Kriminellen bei einzelnen Opfern sondern nur der Stabilität des Systems. Das ist für Opfer von Straftaten extrem unbefriedigend. Nach Thomas Hobbes  spielen insbesondere Strafwahrscheinlichkeit und Strafmaß im Rahmen der Einhaltung institutioneller Vorgaben eine zentrale Bedeutung. Damit ist aber Opfern nicht geholfen.

Die Ausrichtung des Staates auf den Systemerhalt in Kombination mit dem Vertrauensprinzip in der Gewerbeordnung führt zu einem Totalversagen des Staates im Bereich Opferschutz. Es ist nur schwer erträglich, täglich betroffenen Mandanten und ihren Familien mitteilen zu müssen, dass ihre Interessen leider als letzte von dem staatlichen System gesehen und bewertet werden. Dr. Schulte: "Da ich den Bayreutherischen Umerziehungsgedanken nur schwerlich sehe, muss das System geändert werden." Hierzu weiteres im Verlauf der Reihe.

V.i.S.d.P.:

Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte



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