Arbeitsverträge und Ausbildungsverträge mit Minderjährigen

  • 4 Minuten Lesezeit

Wann sind Willenserklärungen zum Vertragsschluss und zur Kündigung wirksam? Welche besonderen Regeln sind zu beachten?

1.    Arbeitnehmer unter 18 Jahren
1.1.    Beschränkte Geschäftsfähigkeit

Personen im Alter von 7 - 17 Jahren sind nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) beschränkt geschäftsfähig (§ 106 BGB). Alle Rechtsgeschäfte von Minderjähren, die nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil begründen, bedürfen nach § 107 BGB der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. Gesetzlicher Vertreter sind grundsätzlich beide Eltern, es sei denn, ein Elternteil hat das alleinige Sorgerecht (§ 1629 BGB).

1.2.    Ermächtigung nach § 113 BGB
Diese Zustimmung ist ausnahmsweise nicht erforderlich, wenn die gesetzlichen Vertreter den Minderjährigen grundsätzlich ermächtigt haben, ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis einzugehen (§ 113 BGB). Liegt eine solche Ermächtigung vor, kann der Minderjährige alle üblicherweise mit einem Arbeitsverhältnis zusammenhängenden Willenserklärungen selbst wirksam abgeben. Umgekehrt kann der Arbeitgeber in diesem Fall auch dem Minderjährigen gegenüber wirksam Willenserklärungen abgeben.

In Bezug auf ein Arbeitsverhältnis ist ein Minderjähriger also unbeschränkt geschäftsfähig, wenn eine Ermächtigung nach § 113 BGB vorliegt. Er kann demnach Arbeitsverhältnisse selbständig eingehen. Ferner kann er kündigen, gekündigt werden, der Kündigung widersprechen, Ausgleichsquittungen erteilen und Vergleiche abschließen (Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl. 2018, § 113 Rn. 4). Die Ermächtigung erstreckt sich im Rahmen des Üblichen auf alle Willenserklärungen, die mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen, wie z.B. auch der Abschluss einer betrieblichen Altersversorgung.

1.3.    Praxisempfehlung
Da eine Ermächtigung nach § 113 BGB formfrei erklärt und jederzeit durch Erklärung der Eltern nur gegenüber dem Minderjährigen zurückgenommen oder eingeschränkt werden kann, trägt der Arbeitgeber das Risiko, das zum fraglichen Zeitpunkt die Ermächtigung auch tatsächlich besteht. Daher ist Arbeitgebern zu raten, insbesondere bei Kündigungen zweigleisig zu fahren und eine Kündigung sowohl gegenüber dem Minderjährigen als auch gegenüber den Eltern auszusprechen, wobei hier gilt, dass der Zugang der Kündigung bei einem Elternteil ausreicht (§ 1629 Abs. 1 S. 2 BGB). Vertraut der Arbeitgeber irriger Weise auf das Vorliegen einer Ermächtigung, kann durch eine zunächst nur gegenüber dem Minderjährigen ausgesprochene Kündigung zum Beispiel die Ausschussfrist für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 2 BGB ablaufen oder eine ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis erst zu einem späteren Zeitpunkt beenden. Beruft sich ein Arbeitgeber auf das Vorliegen einer Ermächtigung nach § 113 BGB, muss er deren Vorliegen beweisen.

2.    Minderjährige Auszubildende - Besondere Regelungen für das Ausbildungsverhältnis
2.1.    Regeln des Berufsbildungsgesetzes (BBiG)

Für ein Berufsausbildungsverhältnis von Minderjährigen gelten neben den Sonderregeln des BGB die speziellen Vorschriften des BBiG. Der Abschluss eines Ausbildungsvertrags ist formlos möglich. Der wesentliche Inhalt des Vertrags muss aber gemäß § 11 Abs. 1 BBiG unverzüglich nach Abschluss des Berufsausbildungsvertrages und spätestens vor Beginn der Ausbildung, schriftlich niedergelegt werden. Die elektronische Form ist hier nicht möglich. In diese Niederschrift sind die im Gesetz genannten Mindestinhalte aufzunehmen. Ein Verstoß führt zwar nicht zur Nichtigkeit des Vertrags, kann aber u.a. ein Bußgeld nach sich ziehen.

2.2.    Keine Ermächtigung nach § 113 BGB möglich
Anders als bei Arbeitsverhältnissen gilt der § 113 BGB bei Ausbildungsverhältnissen mit Minderjährigen nicht, weil hier der Ausbildungszweck und nicht der Arbeitszweck im Vordergrund steht (Palandt/Ellenberger, aaO. Rn. 2 m.w.N.). Die gesetzlichen Vertreter können dem Minderjährigen also keine Generalermächtigung zur Eingehung und zur Beendigung eines Ausbildungsvertrags erteilen. Vielmehr müssen die Eltern dem vom Minderjährigen abgeschlossenen Ausbildungsvertrag zustimmen. Kündigungen müssen gegenüber den Eltern erklärt werden.

2.3.    Praxisempfehlung
In der Praxis haben die meisten Ausbildungsvertragsformulare daher Unterschriftenzeilen für die Erziehungsberechtigten. Damit der Arbeitgeber notwendige Willenserklärungen, wie Abmahnungen, Kündigungen etc., wirksam abgeben kann, sollte/n bei Vertragsabschluss auch die Adresse/n der Eltern erfasst werden.

2.4.    Sonderregeln für Beginn und Beendigung
Für Beginn und Beendigung des Ausbildungsverhältnisses gelten nach den §§ 20 - 23 BBiG besondere Regeln. So ist zu beachten, dass die Probezeit höchstens 4 Monate betragen darf (§ 20 BBiG). Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden.

2.4.1.    Kündigungsmöglichkeiten
Nach der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis vom Ausbildungsbetrieb nur aus einem wichtigen Grund gekündigt werden (§ 22 BBiG). Bei der dabei in der Regel vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Interessen ist die besondere Situation des Ausbildungsverhältnisses zu berücksichtigen, die durch die Jugendlichkeit und den Entwicklungsstand des Auszubildenden und die Ausbildungs- und Erziehungspflicht des Ausbildungsbetriebs geprägt wird (LAG Baden-Württemberg v. 31.10.1996, NZA-RR 97,288). Auch bei der Überlegung, ob ein Verhalten des Auszubildenden abgemahnt werden kann, soll der Erziehungsgedanke einfließen. Eine vorherige Abmahnung ist grundsätzlich Wirksamkeitsvoraussetzung für eine außerordentliche Kündigung (LAG Rhld.-Pfalz v. 25.04.2013 - 10 Sa 518/12, NZA-RR 13, 406).

2.4.2.    Formvorschriften
Zudem ist zu beachten, dass die Kündigung nicht nur schriftlich erklärt werden muss, sondern auch eine Kündigungsbegründung enthalten muss. Andernfalls ist sie wegen Formmangels nichtig (§ 125 BGB). Ein Nachschieben der Kündigungsbegründung heilt diesen Mangel nicht (Erfurter Kommentar z. Arbeitsrecht, 19. Aufl. 2019, BBiG, § 22 Rn. 7).
Diese Formvorschriften gelten auch für die Kündigung der Auszubildenden. Diese können mit einer Kündigungsfrist von 4 Wochen kündigen, wenn sie die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen wollen (§ 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG).
Wie auch im Arbeitsverhältnis ist eine außerordentliche Kündigung unwirksam, wenn die ihr zugrunde liegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten länger als 2 Wochen bekannt sind (§ 22 Abs. 4 BBiG).

3.    Rechtstipp:
Sowohl bei Arbeits- als auch bei Ausbildungsverhältnissen mit Minderjährigen sollten sicherheitshalber bei Begründung sowie bei Beendigung des Vertragsverhältnisses beide Eltern mit einbezogen werden. Kündigungen sollten sowohl an die Eltern als auch an die Minderjährigen erfolgen. Dann kommt es nicht mehr darauf an, ob im Einzelfall eine Ausnahmeregelung greift und eine Kündigung nur an eine der beiden Seiten ausgereicht hätte.



Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Andre Offermanns

Beiträge zum Thema