Übernahme von Azubis: Welche Fragen stellen sich? (Besonderheiten wegen eines vorangegangenen Ausbildungsverhältnisses)

  • 4 Minuten Lesezeit

In Zeiten akuten Fachkräftemangels, werden viele Arbeitgeber ihre Auszubildenden nach erfolgreicher Abschlussprüfung in ein Arbeitsverhältnis übernehmen wollen. Es dürfte aber auch Fälle geben, in denen sich Arbeitgeber trotz des Arbeitsmarktsituation noch nicht ganz sicher sind. Im Zusammenhang mit der Übernahme von Azubis stellen sich folgende Fragen:


1. Grundsätzlich keine Übernahmeverpflichtung

Zunächst einmal muss klargestellt werden, dass ein Arbeitgeber nach den gesetzlichen Regelungen grundsätzlich nicht zur Übernahme von Azubis verpflichtet ist. Es gibt aber Ausnahmen, z.B. für Azubis, die Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung, des Betriebsrats, der Bordvertretung oder des Seebetriebsrats sind (§ 78a BetrVG). Zudem gibt es in verschiedenen Tarifverträgen einen Rechtsanspruch der Azubis auf Übernahme. Unter bestimmten Voraussetzungen haben z.B. Auszubildende des öffentlichen Dienstes einen Rechtsanspruch auf Übernahme in ein Arbeitsverhältnis zumindest für 12 Monate (§ 16a Abs. 1 TVAöD). Etwas Ähnliches gilt oft im kirchlichen Bereich.


2. Was bringt eine Probezeit

Weil ein Arbeitsverhältnis andere Anforderungen an den ehemaligen Azubi stellt als die praktische Tätigkeit während der Ausbildung, wollen sich viele Arbeitgeber bei Abschluss eines Arbeitsvertrages die Möglichkeit offen lassen, sich schnell und unkompliziert von dem neuen Mitarbeiter wieder zu trennen. Die Vereinbarung einer Probezeit ist auch dann rechtlich zulässig, wenn der/die Mitarbeiter/in bereits zuvor in einem Ausbildungsverhältnis bei dem Arbeitgeber beschäftigt war. Allerdings führt die Vereinbarung einer Probezeit nicht zu einer einfacheren Kündigungsmöglichkeit, sondern nur zu einer Verkürzung der Kündigungsfrist in den ersten 6 Monaten des Arbeitsverhältnisses. Der Grund für die einfache Kündigungsmöglichkeit ist, dass der Schutz des Kündigungsschutzgesetztes (KSchG) in der Regel erst nach den ersten 6 Monaten eines Arbeitsverhältnisses eingreift (§ 1 Abs. 1 KSchG). Ab diesem Zeitpunkt ist in Betrieben mit in der Regel mehr als 10 Beschäftigten eine Kündigung nur rechtswirksam, wenn sie durch Gründe in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers bzw. durch dringende betriebliche Erfordernisse sozial gerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 KSchG).


3. Kündigungsschutz für übernommene Azubis ab dem ersten Tag

Arbeitgeber sollten wissen, dass bei der Übernahme von Auszubildenden im Anschluss an die Ausbildung der Kündigungsschutz nach dem KSchG sofort greift (Erfurter Kommentar/Oetker, 19. Aufl. 2019, § 1 KSchG Rn. 36 unter Verweis auf BAG). Es bedarf also bei der Übernahme von Azubis auch schon in den ersten 6 Monaten des Arbeitsverhältnisses eines Kündigungsgrundes nach § 1 Abs. 2 KSchG. Das gilt auch dann, wenn eine Probezeit vereinbart wurde!


4. Sachgrundlose Befristung zulässig

Wenn sich ein Arbeitgeber in der vorliegenden Ausgangslage eine Möglichkeit behalten will, sich ohne rechtliche Hürden von dem neuen Mitarbeiter wieder zu trennen, sollte er mit dem fertigen Azubi einen befristeten Arbeitsvertrag abschließen. Weil ein vorangegangenes Ausbildungsverhältnis nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kein Arbeitsverhältnis ist, liegt keine Vorbeschäftigung im Sinne § 14 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) vor (BAG, Urteil vom 21.09.2011, 7 AZR 375/10). Dadurch ist es ausnahmsweise möglich, das Arbeitsverhältnis bis zur Dauer von 2 Jahren ohne vorliegen eines sachlichen Grundes nach § 14 Abs. 1 TzBfG zu befristen. (Ob ein Befristungsgrund nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 TzBfG vorliegt, muss daher nicht diskutiert werden.) Zu beachten ist, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf (§ 14 Abs. 4 TzBfG)!


5. Vorsicht vor ungewollten Arbeitsverträgen

Wer einen Auszubildenden über das Ende des Ausbildungsverhältnisses hinaus weiter beschäftigt, schließt durch dieses Verhalten mit dem Auszubildenden einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Dieser kommt durch schlüssiges Verhalten des Arbeitgebers zustande. Er ist wirksam, weil ein Arbeitsvertrag auch formlos abgeschlossen werden kann. Daher sollten Ausbildungsbetriebe wissen, dass das Berufsausbildungsverhältnis nach dem in der Regel einschlägigen § 21 Berufsbildungsgesetz (BBiG) grundsätzlich mit dem Ablauf der Ausbildungsdauer endet. Bestehen Auszubildende vor Ablauf der Ausbildungsdauer die Abschlussprüfung, so endet das Berufsausbildungsverhältnis mit offizieller Bekanntgabe des Ergebnisses durch den Prüfungsausschuss. Wenn Sie also einen Auszubildenden nicht übernehmen wollen, müssen Sie Beendigung des Ausbildungsverhältnisses im Blick haben und Ihre Absicht am besten vorher klarstellen.


6. Resturlaub wird übernommen (Ausbildung und Arbeitsverhältnis als Einheit)

Anders als hinsichtlich der vorstehenden Aspekte sind ein Ausbildungsverhältnis und ein daran anschließendes Arbeitsverhältnis unter bestimmten Gesichtspunkten auch als Einheit zu behandeln. Hat ein übernommener Auszubildender seinen Urlaub während der Ausbildungszeit nicht vollständig genommen, so wird dieser zum Ende der Ausbildung nicht abgegolten, sondern auf das anschließende Arbeitsverhältnis übertragen. Das ergibt sich daraus, dass das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) nach § 2 für Arbeitnehmer und Auszubildende gleichermaßen gilt. Nimmt der Mitarbeiter den Resturlaub aus der beendeten Ausbildung im nachfolgenden Arbeitsverhältnis, erhält er während dieser Zeit sein dann aktuelles Gehalt als Urlaubsentgelt (§ 11 BUrlG).


7. Zusammenbetrachtung im Hinblick auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 

Auch im Hinblick auf die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall werden eine Ausbildung und ein anschließendes Arbeitsverhältnis als Einheit betrachtet. Dieses hat zur Folge, dass neue Mitarbeitende abweichend von § 3 Abs. 3 EntgeltfortzahlungsG ab dem ersten Tag des neuen Beschäftigungsverhältnisses Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall haben. Etwa bestehende Vorerkrankungszeiten aus dem Ausbildungsverhältnis werden gemäß § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz berücksichtigt.


8. Berechnung von Kündigungsfristen im Arbeitsverhältnis

Selbst, wenn der Arbeitgeber einem übernommenen Auszubildenden viele Jahre später kündigen will, spielt das vorangegangene Ausbildungsverhältnis bei der Berechnung der Kündigungsfrist noch eine Rolle. Die bei der ordentlichen Kündigung einzuhaltende Kündigungsfrist richtet sich gemäß § 622 Abs. 2 BGB nach der Dauer des bestehenden Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer macht es laut Bundesarbeitsgericht "keinen Unterschied, ob die Zeit im Betrieb bzw. Unternehmen in einem reinen Arbeitsverhältnis oder - sei es auch nur teilweise - in einem Ausbildungsverhältnis verbracht wurde" (BAG, Urteil vom 09.09.2010 - 2 AZR 714/08, Rn. 39). Daher wird die Ausbildungszeit bei der Berechnung der für die Kündigungsfrist maßgeblichen Beschäftigungszeit mit berücksichtigt.



Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Andre Offermanns

Beiträge zum Thema