Auch bestehende Kunden können Neukunden iSd § 89b HGB sein

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Bestehende Kunden können Neukunden nach § 89b HGB sein

Bei Beendigung eines Handelsvertretervertrags kommt es häufig zu Streit darüber, welche der von dem Handelsvertreter geworbenen Kunden als Neukunden anzusehen sind, die im Rahmen des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB zu berücksichtigen sind. Für den Handelsvertreter hat der Status als Neukunde dabei den rechtlichen Vorteil, dass er nicht nachweisen muss, dass der Altkunde einem Neukunden gleichgestellt wird, weil der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung „so wesentlich erweitert hat, dass sie der Werbung eines Neukunden gleichsteht", § 89b Abs. 1 S. 2 HGB. Dass dabei eine bestehende Verbindung des Kunden mit dem Unternehmen nicht zwingend dem Status als Neukunde entgegensteht, zeigt ein Urteil des OLG München vom 24.10.2012, 7 U 4103/10 (GWR 2012, 563).

Der klagenden Handelsvertreterin war von der Beklagten der Vertrieb von neu in das Sortiment aufgenommenen Brillenkollektionen in einem bestimmten PLZ-Bereich übertragen worden. Dabei war die Klägerin nur für eine Marke der Beklagten beauftragt, während die übrigen Marken jeweils von anderen Handelsvertretern - auch im Gebiet der Klägerin - vertrieben wurden. Es herrschte somit eine Konkurrenzsituation zwischen den einzelnen Handelsvertretern der Beklagten.

Nach ihrem Ausscheiden machte die Klägerin ihren Ausgleichsanspruch geltend. Die Beklagte berief sich u.a. darauf, dass für die Bewertung als Neukunden auf die gesamte Branche abzustellen sei, in der sie tätig ist, so dass Kunden, die zuvor andere Brillenmarken von ihr erworben hätten, nicht als Neukunden anzusehen seien. Dem ist das OLG nicht gefolgt. Aufgrund der besonderen Vertriebsstruktur sei - anders als im Regelfall - keine branchenbezogene Betrachtung anzustellen. Aufgrund der Konkurrenzsituation seien die jeweiligen Handelsvertreter keine Repräsentanten der Beklagten.

Das OLG hat daher die Beklagte zur Leistung der Ausgleichszahlung verurteilt. Allerdings nahm der Senat einen Abschlag dafür vor, dass der Klägerin der Zugang zu den Kunden durch die Übergabe von Kundenlisten der anderen Marken erleichtert worden war.

Die Entscheidung hat im Ergebnis keine wesentlichen Änderungen für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs zur Folge, da sie eine Sonderkonstellation betrifft. Dies hat das OLG in Abgrenzung zu anderen Urteilen ausdrücklich ausgeführt. Somit bleibt es grundsätzlich bei der branchenbezogenen Betrachtung, nach der z.B. die Werbung einer neuen Fachabteilung eines bestehenden Kunden keine Werbung eines Neukunden darstellt. Sofern es somit bereits eine geschäftliche Verbindung zwischen Unternehmen und Kunden gab, entsteht ein Ausgleichsanspruch für den Handelsvertreter nur, wenn er die Geschäftsbeziehung so wesentlich erweitert, dass sie der Werbung eines Neukunden entspricht. Ob dies der Fall ist, hängt immer vom Einzelfall ab und kann schwer pauschal dargestellt werden.

Heiko Effelsberg, LL.M.

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Versicherungsrecht


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