Aus Alt- mach Neukunden: EuGH zum Handelsvertreterausgleich

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Kann ein alter Kunde ein neuer Kunde sein? Der EuGH hat den Begriff des neuen Kunden im Zusammenhang mit dem Ausgleichsanspruch der europäischen Handelsvertreterrichtlinie neu definiert. Auch schon vorhandene Kunden sollen unter bestimmten Voraussetzungen hierunter fallen können, selbst wenn die Geschäftsverbindung zum Unternehmer hierdurch nicht erweitert worden ist. Allerdings weist die Begründung des EuGH einschließlich der Schlussanträge des Generalanwalts Widersprüche auf, die Zweifel an der Entscheidung aufkommen lassen. Im Kern ihrer Begründung steht das Verhalten des Unternehmers. Kann es wirklich entscheidend von seiner „besonderen Verkaufsstrategie“ abhängen, ob der bereits vorhandene Kunde zum neu geworbenen Kunden wird?


Die Rechtslage nun:

Nach einem Vorabentscheidungsersuchen des BGH hat sich dem EuGH erstmals die Möglichkeit geboten, den Begriff „neue Kunden“ für den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters im Sinne des Art. 17 der europäischen Handelsvertreterrichtlinie auszulegen. Am 07.04.2016 hat er entschieden, dass diese Vorschrift dahin auszulegen sei, dass die von einem Handelsvertreter für Waren geworbenen Kunden, mit deren Vertrieb ihn der Unternehmer beauftragt hat, auch dann als neue Kunden im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sind, wenn sie bereits wegen anderer Waren Geschäftsverbindungen mit dem Unternehmer unterhielten, sofern der Verkauf der erstgenannten Waren durch diesen Handelsvertreter die Begründung einer speziellen Geschäftsverbindung erfordert hat, was das vorzulegende Gericht zu prüfen hat, EuGH, Rs. C-315/14.

Dabei bringt der EuGH mit der Rechtsfigur der sog. speziellen Geschäftsverbindung die Erfindung eines neuen unbestimmten Rechtsbegriffs, den die Gerichte im Einzelfall zu prüfen und auszufüllen haben und der an sich europarechtlich gar keine legislative Grundlage hat. Einerseits müsse es dem Handelsvertreter durch seine Bemühungen gelungen sein, eine Geschäftsverbindung zwischen dem Kunden und dem Unternehmer in Bezug auf Waren zu begründen, mit deren Vertrieb er beauftragt wurde. Zum anderen sei nach Ansicht des EuGH entscheidend für die Annahme der speziellen Geschäftsverbindung das Verhalten des Unternehmers: Neben den Vermittlungsbemühungen des Vertreters sei mithin zu prüfen, ob der Vertrieb eine besondere Verkaufsstrategie im Hinblick auf die Begründung einer speziellen Geschäftsverbindung erfordert hat.

Intensivierung von Altkunden im Sinne des § 89b Abs. 1 S. 2 HGB

§ 89b Abs. 1 S. 2 HGB kann hinsichtlich der Intensivierung von Altkunden so gedeutet werden, dass er allein auf den wirtschaftlichen Erfolg der Tätigkeit des Handelsvertreters abstellt. Danach reicht es nicht aus, wenn der Umsatz mit diesen Altkunden im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung wesentlich über dem Anfangsumsatz liegt, als der Handelsvertreter seine Tätigkeit begann und den Altkundenstamm übernahm. Vielmehr muss – ebenso wie dies sonst bei der Unterscheidung zwischen Altkunden und Neukunden notwendig ist – im Hinblick auf die Intensivierung jeder einzelne Altkunde daraufhin überprüft werden, ob er bis zur Vertragsbeendigung intensiviert wurde und worauf dies im Einzelnen beruht. Die in diesem Zusammenhang in der Literatur teilweise geforderte Umsatzverdoppelung ist aber gerade im Hinblick auf Art. 17 umstritten.

Rechtsanwalt Nagy, Nürnberg, Fachanwalt für Handels und Gesellschaftsrecht sowie für Internationales Wirtschaftsrecht, ist Referent von Anwaltsfortbildungsseminaren in den Bereichen des Vertriebsrechts/Handelsvertreterrechts u. a. im Auftrag der Rechtsanwaltskammern und anderen Institutionen und ist Verfasser von Publikationen.



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