Ausbildungsunterhalt: Vermögende Eltern zahlen länger in der Orientierungsphase des Kindes?!

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Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt leitet sich von der Rechtsvorschrift des §§ 1610 BGB ab. Die jeweilige Höhe ergibt sich regelmäßig aus der Düsseldorfer Tabelle, in Abhängigkeit des Kindesalters und der Einkünfte der Unterhaltsverpflichteten. Daneben sind im Zweifel auch Kosten für die Krankenversicherung sowie Sonder-und Mehrbedarf vom unterhaltsverpflichteten Elternteil der (ab Zeitpunkt der Volljährigkeit) der unterhaltsverpflichteten Elternteile geschuldet.

Es gelten die folgende Grundsätze: Die Eltern schulden eine der Begabung des Kindes angemessene Ausbildung, die die Perspektive einer späteren eigenständigen Finanzierung des Lebensunterhaltes des Kindes ermöglichen soll.

Hat das Kind eine angemessene Ausbildung erhalten, schulden die Eltern keine zweite Ausbildung. Auch die Aufnahme einer Erstausbildung erst nach einer längeren Verzögerung (nach Abschluss einer Schule) kann nach der Rechtsprechung im Einzelfall noch zu der zugebilligten Orientierungsphase gehören (vgl. BGH, FamRZ 2013 Seite 1375: wegen schwachen Schulabschlusses, vorgeschalteter Berufsorientierungspraktika und ungelernter Aushilfetätigkeit auch noch nach 3-jähriger Unterbrechung).

Dem Kind wird eine Orientierungsphase zugestanden, um ihm die Entscheidung für einen Beruf zu erleichtern, die Suche nach einem Ausbildungsplatz zu ermöglichen (BGHR NJW 01 Seite 2170). Die Zeitspanne für eine Orientierungsphase wird im Rahmen der Rechtsprechung je nach den Umständen des Einzelfalles festgelegt, wobei es auf Alter, Entwicklungsstand sowie die gesamten Lebensumstände des Kindes und in diesem Zusammenhang auch auf eine eventuelle Belastungssituation im Elternhaus ankommt. Es werden hier Zeiträume von 3 Monaten bis zu 3 Jahren angenommen.

Die Rechtsprechung gesteht teilweise jedenfalls Orientierungsphasen von deutlich mehr als einem Jahr zu, in welchem Ausbildungsunterhalt zu zahlen ist.

Dies widerspricht zwar dem Erfordernis der gebotenen Zielstrebigkeit, die grundsätzlich Voraussetzung für den Anspruch auf Ausbildungsunterhalt ist, und es existierte grundsätzlich die Verpflichtung den Lebensunterhalt selbst zu erwirtschaften, sobald eine Ausbildung abgeschlossen, erst recht, soweit eine Ausbildung abgebrochen wird.

 Allerdings stellt die Rechtsprechung durchaus auch auf die Zumutbarkeit der wirtschaftlichen Belastung im Elternhaus Elternhauses im Vergleich zu den Nachteilen zulasten des Kindes ab, soweit Ausbildungsunterhalt nicht gewährt wird.

Ist genügend Geld im Elternhaus vorhanden, wird die Rechtsprechung meines Erachtens großzügiger und zu Gunsten des Abkömmlings entscheiden. Nur für den Fall das eine Ausbildung oder Schulausbildung abgebrochen wird, finden sich für volljährige Kinder in der Rechtsprechung zum Teil sehr harte Maßstäbe.

Im Fall des Abbruchs der Ausbildung muss das volljährige Kind grundsätzlich jede Arbeitsmöglichkeit nutzen, um selbst für seinen Lebensunterhalt aufzukommen. Kommt das volljährige Kind dieser Obliegenheit nicht nach, kann dies zum Verlust des Unterhaltsanspruchs wegen fehlender Zielstrebigkeit führen.

OLG Frankfurt, Urteil vom 30.07.2008 - 5 UF 46/08, vgl.:

Sind geringe wirtschaftliche Mittel im Elternhaus vorhanden, die in die Finanzierung einer Ausbildung gestatten, wird gerade eben im Fall volljährige Kinder zum Teil ein strenger Maßstab zum Ansatz gebracht: „Die Rücksichtnahme auf die Belange der mit der Unterhaltszahlung belasteten Eltern hätte es geboten, die Ausbildung nun zielstrebig durchzuführen. Da der Kläger dieser Obliegenheit nicht nachgekommen ist, hat er seinen Unterhaltsanspruch eingebüßt und muss sich darauf verweisen lassen, selbst für seinen Lebensunterhalt aufzukommen. (Vergleiche BGH FamRZ 1998, 671; OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.3.1999, 5 WF 129/98; OLG Hamm FamRZ 2005, 1005)."

MJH Rechtsanwälte, Herr RA Martin Josef Haas meint: 

Einerseits kann eine gebotene Erziehung zum Wohle des Kindes nicht dazu gereichen, endlose und planlose Lebensphasen des Kindes zu finanzieren, andererseits besteht für den Fall eines zu schnellen Abbruches Zahlung der Unterhaltsleistungen das Problem gegebenenfalls im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung erfolgreich durch das eigene Kind auf Zahlung in Anspruch genommen zu werden. Rechtliche, insbesondere gerichtliche Auseinandersetzungen unter Familienmitgliedern sind unseres Erachtens tunlichst zu vermeiden, da dies zu unüberbrückbaren Zerwürfnissen in der Zukunft führen kann. Sind außergerichtliche Einigungen nicht ermöglicht bleibt den Beteiligten dennoch nichts anderes übrig, als die Frage der Dauer angemessener Orientierungsphasen durch ein Gericht klären zu lassen.

Wir wünschen Ihnen und Ihrer Familie ein von der Klärung rechtlicher Ansprüche möglichst unbelastetes Miteinander, empfehlen möglichst jedwede prozessuale Auseinandersetzung zu vermeiden. Gerne stehen wir im erforderlichen Fall für rechtliche Orientierung, Rat und Tat oder, soweit unvermeidlich prozessrechtlicher Vertretung zur Verfügung.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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