Auslandskranken-Versicherung: 16.900 Euro

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Mit Urteil vom 01.07.2020 hat das Landgericht Dortmund eine Auslandsreise-Krankenversicherung verurteilt, an meine Mandantin 16.900 Euro für einen Ambulanzflug ihres Ehemannes von Mallorca in ein Krankenhaus an ihrem Wohnort zu zahlen. Die Angestellte hatte den Sommerurlaub ihrer Familie auf Mallorca mit einer Visa-Karte bezahlt.              

Über diese Karte war für die gesamte Familie eine Auslandsreise-Krankenversicherung mitversichert. Ziffer 3.1.2. Teil B der Vertragsbedingungen (AVB) lautete: "Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung. Er endet, wenn nach medizinischem Befund Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht."

Aus Ziffer 3.6.2. Teil B AVB ergab sich: "Ist ein Rücktransport zum nächstgelegenen geeigneten Krankenhaus an dem gemeldeten Wohnsitz der versicherten Person nach Abstimmung unseres Medizinischen Leiters mit dem behandelnden Arzt vor Ort im Ausland medizinisch notwendig, so wird der Transport von unserem Medizinischen Leiter angeordnet. Medizinische Notwendigkeit für einen Rücktransport liegt vor, wenn im Aufenthaltsland eine ausreichende medizinische Versorgung nicht gewährleistet ist.

Wir übernehmen die Kosten für den von uns veranlassten Rücktransport sowie die Kosten für eine Begleitperson, soweit die Begleitung medizinisch erforderlich, behördlich angeordnet oder seitens des ausführenden Transportunternehmens vorgeschrieben ist. Für nicht durch uns veranlasste oder genehmigte Leistungen werden die Kosten nur bis zu der Höhe erstattet, die bei Organisation durch unseren Schadensabwickler entstanden wären."

Während des Urlaubs erlitt der Ehemann einen schweren Schlaganfall mit Lähmungen der rechten Körperhälfte. Er wurde auf Mallorca im Krankenhaus behandelt. Zurück blieben eine hochgradige rechtsseitige Lähmung sowie eine Sprachstörung. Die Klägerin nahm vor Ort mit dem zuständigen Schadensregulierer Kontakt auf, übersandte diesem die ihr vorliegenden Unterlagen und bat um einen Rücktransport nach Deutschland. Sie machte klar, dass ihr Ehemann sowohl das rechte Bein als auch den rechten Arm nicht bewegen könne, der rechte Arm hinge komplett herunter. Ihr Ehemann habe keine Kontrolle über das rechte Bein.

Die Versicherung schlug den Rücktransport des Ehemannes mit einem Linienflug vor und lehnte einen Ambulanzflug ab. Die Mandantin beauftragte ein anderes Unternehmen mit dem Liegend-Rückflug ihres Ehemannes in ein deutsches Krankenhaus zur stationären Frührehabilitationsbehandlung und zahlte hierfür 16.900 Euro. Während des Fluges musste ihr Ehemann wegen eines stark beschleunigten Herzschlages notfallmäßig versorgt werden. Die Versicherung lehnte die Flugkosten mit der Begründung ab, der Rücktransport sei nicht medizinisch notwendig gewesen. Im Übrigen müsse sie nur die Kosten bis zu der Höhe übernehmen, die bei einer Organisation durch ihren Dienstleister entstanden wären.

Ich habe Klage vor dem Landgericht erhoben und beantragt, die Versicherung zu verurteilen, die 16.900 Euro für den Ambulanzflug des Ehemannes mit Zinsen zu erstatten. Nach Einholung eines neurologischen Sachverständigengutachtens hat das Landgericht Dortmund der Klage in allen Punkten stattgegeben: Der Rücktransport mit einem Ambulanzflug sei ein medizinisch notwendiger Rücktransport im Sinne von Ziffer 3.6.2. Teil B AVB gewesen.

Ob der Ambulanzflug medizinisch notwendig gewesen sei, hänge von den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen zum Zeitpunkt des Rücktransportes ab. Es genüge, wenn die medizinischen Befunde und Erkenntnisse es vor Abflug vertretbar erscheinen ließen, den Rücktransport als notwendig anzusehen. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen stünde fest, dass eine ausreichende medizinische Versorgung auf Mallorca nicht gewährleistet gewesen sei. Die Ärzte im Universitätskrankenhaus von Mallorca hätten den Patienten nicht nach den Leitlinien behandelt. Die Standards der Schlaganfallsbehandlung spezialisierter Neurologischen Kliniken in Deutschland seien in keinster Weise eingehalten worden. Die Versicherung wäre verpflichtet gewesen, den Rücktransport des Ehemannes mit einem Ambulanzflug und nicht mit einem Linienflug zu organisieren.

Maßgeblich für die medizinische Notwendigkeit des Rücktransportes sind die seinerzeitigen Erkenntnismöglichkeiten des Versicherungsnehmers oder der für diesen handelnden Personen (OLG Hamm, Urteil vom 29.04.2015, AZ: 20 U 145/13 = r s 2015, 452).

Unter Berücksichtigung der Erkenntnismöglichkeiten der Ehefrau sei der Rücktransport ihres Mannes mit einem Ambulanzflug die einzige Möglichkeit eines adäquaten Transportes per Flugzeug gewesen. Ein Rückflug im Sitzen mit einem Linienflugzeug sei für den Ehemann medizinisch nicht vertretbar gewesen.

Die Versicherung könne sich auch nicht darauf berufen, dass sie nach ihren AVB nur die Kosten zu übernehmen hätte, die ein Dienstleister ihres Hauses benötigt hätte. Sie habe Kosten für einen unbegleiteten Linienflug für den Ehemann der Mandantin - noch dazu mit einem Zwischenstopp in München - angeboten. Dieses sei nach dem Gutachten medizinisch in keinster Weise vertretbar gewesen. Die Versicherung wurde auch verurteilt, meine außergerichtlichen Kosten zu übernehmen.

(Landgericht Dortmund, Urteil vom 01.07.2020, AZ: 2 O 682/18)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht & Verkehrsrecht


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