„Aussage gegen Aussage“

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Bestreitet der Angeklagte den Tatvorwurf und steht der einzige Belastungszeuge in der Berufungsinstanz nicht zur Verfügung, so hat das Gericht nach dem „Gebot bestmöglicher Sachaufklärung“ regelmäßig den Vernehmungsbeamten und den erstinstanzlichen Richter als Zeugen zu hören.


Dies hat das OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 20.02.2008 – 5 Ss 15, 10/08 – entschieden, nachdem der Angeklagte vom Berufungsgericht aufgrund der bestrittenen Aussage des einzigen Belastungszeugen verurteilt worden war. Hierbei hatte dieses den nicht erreichbaren Belastungszeugen nicht selbst vernommen, sondern dessen Aussage aus der erstinstanzlichen Hauptverhandlung verlesen. Das angerufene OLG erachtete dies als nicht ausreichend. Vielmehr hielt es das Gericht aufgrund der richterlichen Aufklärungspflicht für verpflichtet, sowohl den Vernehmungsbeamten als auch den erstinstanzlichen Richter als Zeugen zu hören, um einen möglichst genauen Eindruck vom Inhalt der Aussage und des Zeugen zu erhalten. Dies gelte umso mehr, als vorliegend der Belastungszeuge kein neutraler Zufallszeuge war, sondern ein eigenes greifbares Interesse an dem zu entscheidenden Lebenssachverhalt hatte.


Die äußerst hohen Anforderungen an die Urteilsbegründung in den Fällen einander widersprechender Aussagen sind wiederholt Gegenstand bundesverfassungsgerichtlicher Entscheidungen und ergeben sich aus der freiheitssichernden Funktion des Artikels 2 Abs. 2 Satz 2 GG für das faire, rechtsstaatliche Verfahren. Diesen Maßstab hat der Bundesgerichtshof für Strafsachen etwa dahin konkretisiert, dass die Nichtbeachtung der aus den wissenschaftlichen, insbesondere kriminalistischen, forensischen und aussagepsychologischen Untersuchungen gewonnenen Erfahrungsregeln, Grundsätzen für die Beweiswürdigung und Darlegung in den Urteilsgründen die Aufhebung in der Revision zur Konsequenz haben. Hierunter fallen auch Entscheidungen in Fällen der vorgenannten Art. Aufgrund der durch empirische psychologische Untersuchungen gewonnenen Erkenntnis der Unzuverlässigkeit des Zeugenbeweises generell, insbesondere aber auch in Beweissituationen, in denen die Verurteilung im Wesentlichen von der Aussage einer einzelnen Person abhängt, stehen die Tatgerichte bei der Sachaufklärung und Beweiswürdigung in besonderer Verantwortung.


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