Aussage gegen Aussage im Sexualstrafrecht

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Von "Aussage-gegen-Aussage" spricht man im Sexualstrafrecht, wenn mit Ausnahme der Belastungszeugin keine weiteren unmittelbaren Zeugen oder Sachbeweise zur Verfügung stehen.

Leon Kruse, Strafverteidiger, Fachanwalt für Strafrecht und Partner bei Schwenn & Kruse Rechtsanwälte in Hamburg: „Entgegen der Annahme vieler Beschuldigter und Zeugen führt eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation nicht dazu, dass das Strafverfahren stets mangels Beweisen eingestellt wird oder in einer Hauptverhandlung ein Freispruch erfolgt. Denn der Beweis, auf den eine Verurteilung gestützt werden kann, ist in diesen Fällen die Aussage der Zeugin oder des Zeugin selbst. Es gibt also ein durchaus ein Beweismittel.“

Kaum Verteidigungsmöglichkeiten

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Gerichte und Staatsanwaltschaften allerdings bedenken, dass der Unschuldige kaum über sogenannte “Verteidigungsmöglichkeiten durch eigene Äußerungen" verfügt (BGHSt 44, 153).

Denn gemessen am angeblich Erlittenen des Opferzeugen, etwa einer behaupteten Vergewaltigung oder sexuellen Nötigung, wird das, was der Beschuldigte zu sagen hat, fast immer farblos erscheinen. Hat sich die behauptete Straftat nicht zugetragen, wird ein Strafverteidiger seinem Mandanten daher häufig zum Schweigen raten. Ein Schweigen darf nicht zu Lasten des Beschuldigten gewertet werden.

Die Aussage-gegen-Aussage bzw. Aussagen-gegen-Schweigen-Konstellation zwingt das Gericht deshalb dazu, den Nachteil der eingeschränkten Verteidigungsmöglichkeiten in einer Hauptverhandlung durch eine lückenlose Gesamtwürdigung auszugleichen. Diese muss erkennen lassen, dass "alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können“, erkannt und in die Überlegungen einbezogen worden sind (BGHSt 44, 256). Andernfalls muss das Urteil auf die Revision aufgehoben werden

Alle Umstände des Einzelfalls

Die Aufgabe eines guten Strafverteidigers ist es daher, sämtliche Umstände des Einzelfalls, die für seinen Mandanten sprechen, zu finden und aus den Akten sowie den übrigen zur Verfügung stehenden Informationen herauszuarbeiten.

Wesentlich ist dabei die Prüfung, ob es sich um eine erlebnisbasierte Aussage handelt, die sich regelmäßig durch eine Vielfalt an Detailangaben auszeichnet. Dem Detaillierungsgrad einer Aussage wird eine hohe Belegkraft zugemessen, weil viele Zeugen kognitiv gar nicht in der Lage sind, eine Falschaussage mit vielen Details zu erfinden.

Findet sich in einer Aussage also nur geringer Detaillierungsgrad, sollte dies möglichst frühzeitig vom Strafverteidiger dargelegt werden, um eine für den Beschuldigten öffentliche Hauptverhandlung zu vermeiden. Die Prüfung solcher Realkennzeichen sowie die Prüfung von   

  • Inkonstanzen innerhalb eine Aussage, 
  • Lügensignalen und
  • linguistische Warnzeichen

erfordert ein geschultes Auge oder Ohr und eine entsprechende Auffassungsgabe.

Tränen lügen nicht?

Diese wissenschaftlich anerkannte Prüfung des Wahrheitsgehalts einer Aussage ist für den Unschuldigen von erheblicher Bedeutung. Ohne professionelle Verteidigung eines guten Strafverteidigers droht dem Unschuldigen ein Verurteilung aufgrund des Glaubenssatz der Volkspsychologie "Tränen lügen nicht". Gerichte und Staatsanwaltschaften missachten immer wieder aussagepsychologische Grundsätze und entscheiden nach dem Bauchgefühl. Dem muss ein guter Strafverteidiger energisch entgegentreten. Es ist seine Aufgabe, sich Gehör und dem Angeklagten Recht zu verschaffen.

Laut Kruse lassen sich Kardinalsfehler in der Verteidigungsstrategie in einem Revisionsverfahren häufig nicht mehr korrigieren. Ein authentisches Hauptverhandlungsprotokoll gibt es nicht. Eine möglichst frühzeitige effektive Strafverteidigung durch einen erfahrenen Anwalt für Strafrecht schützt den Unschuldigen daher am besten vor einem Fehlurteil und einer damit verbundenen ungerechte Strafe.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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