Außergerichtliches Verfahren bei Jugendlichen und Heranwachsenden

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Nach dem deutschen Strafprozessrecht besteht für die Behörden grundsätzlich der Zwang, eine bekannt gewordene Straftat zu verfolgen und im Falle eines hinreichenden Tatverdacht anzuklagen, § 152 II StPO. Dieser Grundsatz wird in Strafverfahren gegen Erwachsene aufgelockert durch die Möglichkeit einer außergerichtlichen Verfahrenseinstellung nach den §§ 153ff. StPO (sog. Opportunitätsprinzip).

In Strafverfahren gegen Jugendliche - sowie nach §§ 105 I, 109 II 1 JGG auch gegen Heranwachsende - soll nach dem Willen des Gesetzgebers darüber hinaus nur dann eine formelle Anklage erhoben werden, wenn ein außergerichtliches Vorgehen nicht ausreichend erscheint und eine formelle Sanktion unabdingbar ist. Insgesamt gilt hier der Gedanke, einer möglichst schnellen, und nicht stigmatisierenden Reaktionen durch die Behörden.

Im Unterschied zum Verfahren gegen Erwachsene ist eine außergerichtliche Verfahrenseinstellung nach den §§ 45, 47 JGG nicht nur bei Vergehen möglich, sondern auch bei Verbrechen. In der Richtlinie 1 zu § 45 JGG findet sich die Empfehlung, „bei kleineren bis mittelschweren Verfehlungen ... stets zu prüfen, ob auf eine jugendliche Sanktionen durch Urteil verzichtet werden kann." Zudem erfordert ein Vorgehen nach § 45 I, II JGG - nach dem Gesetzeswortlaut - kein Geständnis des Beschuldigten. In der Praxis ist jedoch zu empfehlen, bereits im Ermittlungsverfahren in geeigneten Fällen eines Geständnisses abzugeben, um die Zustimmung der Staatsanwaltschaft zu dem außergerichtlichen Vorgehen zu erhalten.

Sollte der Jugendliche - aus Trotz oder Scham - die Tat trotz gegenteiliger Beweislage leugnen, empfiehlt es sich für den Verteidiger das Gespräch mit dem zuständigen Staatsanwalt zu suchen und diesem die Gründe für das Leugnen der Tat darzulegen, sowie die im Übrigen vorhandene Kooperationsbereitschaft des Jugendlichen zu verdeutlichen.

Nach § 45 JGG (ggf. i. V. m. §§ 105 I, 109 II 1 JGG) sind grundsätzlich drei Arten von staatsanwaltschaftlichen Reaktionen auf die Jugendverfehlungen zu unterscheiden:

1. Einstellung ohne Folgen

Gemäß § 45 I JGG kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen, soweit die Voraussetzungen des § 153 StPO vorliegen (die Tat ist ein Vergehen, geringer Schuld des Täters und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung). Nach dem Gesetzesentwurf ist ein Vorgehen nach § 45 I JGG zu empfehlen bei „jugendatypischen Verfehlungen mit geringem Gehalt und geringen Auswirkungen der Straftat". Dies kann unter Umständen auch bei bereits mehrfacher Auffälligkeit in Betracht kommen.

2. Einstellung aufgrund von Maßnahmen

Nach § 45 II S.1 JGG ist eine außergerichtliche Einstellung unter der Voraussetzung möglich, dass eine erzieherische Maßnahme bereits durchgeführt oder eingeleitet ist. Hier kann auch die Staatsanwaltschaft selbst eine erzieherische Maßnahme anregen oder mit dem Jugendlichen vereinbaren und sodann von der Möglichkeit des § 45 II S.1 JGG Gebrauch machen (sog. aktive Staatsanwalts-Diversion). Soweit die Staatsanwaltschaft hiervon keinen Gebrauch gemacht hat, sollte der Verteidiger seinem Mandanten bereits im Ermittlungsverfahren entsprechende Möglichkeiten aufzeigen, um so einer Hauptverhandlung entgegenwirken zu können.

3. Einstellung unter richterlicher Beteiligung

Nach § 45 III StPO kann der Staatsanwalt dem zuständigen Jugendrichter einschalten, wenn er eine Ahndung durch Urteil für entbehrlich hält und sich der Beschuldigte zudem geständig zeigt. Entspricht der Jugendrichter diese Anregung, sind dem Beschuldigten Auflagen (§ 15 I JGG) oder bestimmte Weisungen (§ 10 I Nr. 4, 7 bzw. 9 JGG) zu erteilen oder eine Ermahnung auszusprechen. Ist eine Klage bereits erhoben, kann der Richter nach § 47 JGG das Verfahren bis zur Rechtskraft jederzeit einstellen, wenn die Voraussetzungen des § 45 JGG gegeben sind. Hierfür ist jedoch stets die Zustimmung des Staatsanwalts erforderlich.

Wenn Sie als Jugendlicher oder Heranwachsender Beschuldigter in einem Strafverfahren sind oder ihrem Kind (bis 21 Jahren) eine Straftat zur Last gelegt wird erreichen Sie mich unter der Telefonnummer 0201 - 799 160 04 oder per E-Mail unter info@ra-odebralski.de


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