BaFin und ProReal Europa 9 / 10 : Fast vollständiger Zahlungsausfall - was kann man tun?
- 7 Minuten Lesezeit

Auch wenn es sich über die letzten Monate abzeichnete - wenn man es schwarz auf weiß liest bzw. die Veröffentlichung auf der Seite der Bundesanstalt der Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ließt, ist es nochmal schmerzhaft. AnlegerInnen der ProReal Europa 9 GmbH und ProReal Europa 10 GmbH droht ein "nahezu vollständiger Zahlungsausfall". Lesen Sie hier, wie es dazu kam und was man dagegen unternehmen kann.
Nahezu vollständiger Zahlungsausfall gegenüber den Anlegern der Vermögensanlage
Schon der "Betreff" der jeweiligen Veröffentlichung hat es in sich:
"1. Betreff:
Nahezu vollständiger Zahlungsausfall gegenüber den Anlegern der Vermögensanlage."
Zum Inhalt bzw. Grund heißt es dann weiter:
"4. Zu veröffentlichende Tatsache gemäß § 11a Absatz 1 VermAnlG:
Im Insolvenzverfahren der einzigen Darlehensnehmerin der Emittentin ist die mögliche Veräußerung der der Darlehensnehmerin gehörenden Forderungen gegen verschiedene Projektgesellschaften daran gescheitert, dass der potenzielle Investor an dem Erwerb zu den von dem Sachwalter angebotenen Bedingungen kein Interesse hatte. Die Emittentin hat daher ihre Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren zurückgenommen und die gegen die Darlehensnehmerin bestehenden Forderungen direkt an diesen Investor veräußert. Hierdurch wird nach Einschätzung der Emittentin sichergestellt, dass die Anleger bis voraussichtlich Mitte 2027 einen Teil ihres investierten Kapitals zurückerhalten. Die Emittentin wird aus dem Forderungsverkauf im Wege verschiedener Teilzahlungen Erlöse von insgesamt mindestens EUR 10.779.394,00 erzielen, die höher liegen als die Beträge, die der Emittentin auf der Grundlage des ursprünglich angedachten Insolvenzplans bzw. im Fall der Fortführung des Insolvenzverfahrens zufließen würden.
Infolge des Forderungsverkaufs wird die Emittentin über den Kaufpreis hinaus keine weiteren Einnahmen erzielen und daher in Abhängigkeit von ihren fortlaufenden Kosten bezogen auf den Nominalbetrag der Vermögensanlage weniger als 5% an die Anleger zahlen können. Zahlungen auf bereits entstandene oder noch entstehende Zinsansprüche der Anleger wird die Emittentin nicht leisten können."
Bei der ProReal Europa 9 GmbH liegt der zu leistende Betrag bei EUR 6.220.606,00.
Zum Datum der zu veröffentlichenden Tatsache heißt es weiter:
"5. Das Datum des Eintritts der der Tatsache zugrunde liegenden Umstände:
Die Emittentin und der Investor haben den Kaufvertrag über die Forderung der Emittentin gegenüber ihrer einzigen Darlehensnehmerin am 14.03.2025 geschlossen."
Was kryptisch klingt, war im Grunde schon länger klar:
Die jeweilige Emittentin (ProReal Europa 9 GmbH und ProReal Europa 10 GmbH) werden in Abhängigkeit von ihren fortlaufenden Kosten bezogen auf den Nominalbetrag der Vermögensanlage weniger als 5 % an die AnlegerInnen zahlen können. Zahlungen auf bereits entstandene oder noch entstehenden Zinsansprüche wird die jeweilige Emittentin nicht leisten können.
Damit wird nun wahr, was sich seit letzten Jahr abzeichnet: Die immer wieder erfolgte Verschiebung von Zahlungen an AnlegerInnen wird nun zu einem schmerzhaften Ende.
Warum ist das so und wie konnte das passieren?
Es würde den Rahmen sprengen, hier eine vollständige Chronologie der Entwicklungen bei ProReal Europa 9 GmbH und ProReal Europa 10 GmbH darzustellen, daher muss man sich auf die Kernentwicklungen beschränken.
a) Ankündigung des Zahlungsverzuges im Jahre 2023
Alles begann Ende 2023, als insbesondere die Aussetzung der Zinszahlungen für die ProReal Europa 9 GmbH und die ProReal Europa 10 GmbH angekündigt wurden. Einzelheiten hierzu können Sie hier nochmal nachlesen:
ProReal Deutschland 7, ProReal Europa 9/10 - Zinszahlungen sollen ausgesetzt werden?
b) Insolvenz in Eigenverwaltung
Nachdem dies mit einer notwendigen Portfolio-Analyse begründet wurde, kam es zu einer weitern Zinsstundung und zum Wechsel innerhalt der Geschäftsführung. Dann sollte ein Anlegerbeirat installiert werden, der größtmögliche Transparenz gewährleisten sollte. Dann kam die Insolvenz in Eigenverwaltung derjenigen Gesellschaft, in die ProReal Europa 9 GmbH und die ProReal Europa 10 GmbH investiert hatten (SC Finance Four GmbH). Einzelheiten können Sie hier nochmals nachlesen:
Nachdem vom Amtsgericht Offenbach die Insolvenz in Eigenverwaltung angeordnet war, zeichnete sich ab, dass der geplante Anlegerbeirat jedenfalls nicht so strukturiert war, dass man sich als Anwalt aus Anlegersicht hieran beteiligen könnte. Aus diesem Grunde habe ich damals für mich entschieden, diesem Gremium nicht angehören zu wollen.
Nachdem bei der SC Finance Four GmbH im Insolvenzverfahren Forderungen für AnlegerInnen angemeldet wurden, die der Verwalter bestritten hatte, zeichnete sich nach der Gläubigerversammlung der SC Finance Four GmbH im letzten Jahr ab, dass die AnlegerInnen das Feld nicht kampflos räumen würden.
c) Rücknahme des Insolvenzantrages
Da inzwischen auch der vom Gericht eingesetzte Sachwalter, Herr Rechtsanwalt Dr. Kleinschmidt, einige Vorgänge im Bereich der SC Finance Four GmbH untersucht hatte und eine Vergleichsvereinbarung mit verschiedenen Schludnern der SC Finance Four GmbH aus verschiedenen Gründen erst angedacht, dann jedoch nicht umgesetzt wurde, hat die SC Finance Four GmbH den Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung zurückgenommen.
Hintergrund ist hier - und das geht aus der oben zitierten Veröffentlichung hervor, dass die ProReal Europa 9 GmbH und die ProReal Europa 10 GmbH ihre gegen die SC Finance Four GmbH resultierenden Forderungsanmeldungen in Höhe von über 200 Mio. € zurückgenommen und an einen Investor veräußert haben. Über diesen Verkaufsprozess soll ein geringer Bruchteil des ursprünglich investierten Kapitals an die beiden Gesellschaften zurückfließen. Dies soll dann angeblich mehr sein, als bei einem möglichen Insolvenzplan. Mehr wird es dann auch nicht mehr geben.
Ist das so zulässig und was kann man dagegen tun?
Es war zu erwarten, dass die AnlegerInnen in dem Insolvenzverfahren der SC Finance Four GmbH ihre Interessen durchsetzen werden. Das dies der Geschäftsführung vielleicht nicht gefallen hat, mag sein, aber damit muss man leben.
Inzwischen konnten wir die Insolvenzakte beim AG Offenbach einsehen und kennen die Hintergründe der Rücknahme des Insolvenzantrages. Zulässig kann die Rücknahme des Insolvenzantrages durchaus sein, nämlich dann, wenn es keinen Insolvenzgrund mehr gibt und zu erwarten ist, dass die Schuldnerin nicht in absehbarer Zeit wieder in Solvenz geraten wird. Das sind die formalen Voraussetzungen für einen zulässigen Antrag. Wenn die Schuldnerin das glaubhaft macht, muss das Insolvenzgericht den Antrag materiell, also in der Sache prüfen. Hier nun kommt es nur auf die Sachlage an, nicht hingegen darauf, wie diese Sachlage erreicht wurde. Wenn von der Geschäftsführung der ProReal Europa 9 GmbH und der ProReal Europa 10 GmbH Forderungsanmeldungen zurückgenommen werden, dann mag dies für die AnlegerInnen schlecht klingen, wirklich verhindern kann man das aber (leider) nicht.
Was man stattdessen tun sollte - das Puzzle fügt sich zusammen
Aus der Insolvenzakte wissen wir aber, wie die wirtschaftlichen Zusammenhänge in der Sache sind und wer aus welchen Gründen welche Interessen vertritt und welche Rolle spielt. Das ist ein erheblicher Pluspunkt und letztlich das Puzzleteil, was nach meiner Einschätzung noch erforderlich war.
Bereits seit Längerem beschäftige ich mich der Prospekthaftung im Zusammenhang mit der ProReal Europa 9 GmbH und der ProReal Europa 10 GmbH. Hier gibt es - gerade basierend auf den Besonderheiten des Nachranges bzw. der weiteren Mittelflüsse innerhalb der Gesellschaften Anhaltspunkte für Prospekthaftungsansprüche. Diese kann man zunächst erst einmal gegen die Emittentinnen selbst geltend machen. Das dürfte aber wirtschaftlich fraglich sein, denn diese Gesellschaften haben ja eben gerade mitgeteilt, weniger als 5 % des Nominalkapitals zurückzahlen zu können.
Es geht dabei vielmehr um all diejenigen, die ebenfalls als Prospektverantwortliche bzw. Prospektveranlasser in Betracht kommen. Dabei geht es vor allem um solche Gesellschaften, bei denen sich das Risiko einer Solvenz nicht stellt.
Insgesamt zeichnet sich jetzt ein klareres Bild von der Emission der Schuldverschreibungen (und wer davon profitierte), über die Abwicklung bis hin zur Rücknahme des Insolvenzantrages und der Frage, wer letztlich davon profitiert und wer etwas davon hat.
Entsprechende Klagen auf Schadensersatz in Form der Rückazhlung der Einlage (abzüglich der Ausschüttungen) befinden sich bereits in Vorbereitung. Für nicht rechtsschutzversicherte Mandanten haben wir bereits Kontakt zu verschiedenen Prozessfinanzierern aufgenommen, um die Möglichkeiten einer Prozessfinanzierung - also Klagen ohne Kostenrisiko - zu klären. Das bringt insbesondere MandantInnen, die über keine Rechtsschutzversicherung verfügen oder die die Deckung ablehnt im Fall der Zusage einen echten Mehrwert.
Wenn Sie sich nicht mit einem Verlust von rund 95 % Ihres eingesetzten Kapitals abfinden möchten und wissen wollen, welche anderen Möglichkeiten Sie haben, um einen möglichen Verlust zu kompensieren, dann können Sie mich gern im Rahmen einer kostenlosen Erstbewertung ansprechen. Sie können dazu das unten stehende Kontaktformular nutzen, Sie können mich unter 02621 6239288 anrufen oder Sie schreiben eine mail an marc.gericke@gericke-recht.de .
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