Bei Rot nicht direkt über die Ampel – Wie kann man eine rote Ampel umfahren?

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Nicht immer muss man geblitzt werden, um einen Rotlichtverstoß zu begehen. 

Viele Autofahrer kennen die Situation, dass mal wieder eine Ampel unmittelbar auf Rot schaltet. Man hat es eilig und überlegt sich, wie diese Ampel umfahren werden kann.

Ist ein gezielte Umfahren einer roten Ampel möglich ist, ohne dass dies zu einem bußgeldbewehrtem Rotlichtverstoß führt?

Diese Frage soll im Folgenden geklärt werden.

Gesetzliche Grundlage des Rotlichtverstoßes

Gesetzlich geregelt ist der Rotlichtverstoß in §§ 37, 49 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Er wird begangen, wenn der Kraftfahrer das Haltegebot der rot leuchtenden Ampel missachtet und in den Verkehr einfährt, der durch die Ampel geschützt werden soll. Da es sich bei dem Verstoß gegen diese Regelungen um eine Ordnungswidrigkeit handelt, müssen Sie in der Regel mit einem Bußgeld, Fahrverbot und auch Punkten im Bußgeldkatalog in Flensburg rechnen.

Ob das Umfahren einer roten Ampel eine Ordnungswidrigkeit darstellt, hängt im Wesentlichen davon ab, ob der durch die Ampel geschützte Bereich beeinträchtigt wurde oder nicht.

Der durch die Ampel geschützte Bereich

Nach ständiger Rechtsprechung schützt das Rotlicht einer Ampel den Querverkehr oder den einmündenden Verkehr, der für seine Fahrtrichtung durch Grünlicht der Signalanlage freie Fahrt erhalten hat und sich darauf verlassen darf, dass aus der gesperrten Fahrtrichtung keine Fahrzeuge in den geschützten Kreuzungs- oder Einmündungsbereich hineinfahren. Somit reicht der Wirkungsbereich einer Ampel weiter als die eigentliche Kreuzungsfläche und umfasst außer den Schnittflächen der Fahrbahnen noch weitere Straßenteile, wie die in ihm liegenden Fußgängerüberwege, Radwege und Parkstreifen.

Um diesen Schutz zu gewährleisten, gebietet die Auslegung des § 37 Abs. 2 StVO die gezielte Umfahrung einer Verkehrsampel als Rotlichtverstoß zu beurteilen, wenn der Fahrzeugführer nach dem Passieren der Ampel außerhalb der Fahrbahn auf diese zurückkehrt und in den durch sie geschützten Bereich der Kreuzung oder Einmündung hineinfährt.

Fährt der Fahrzeugführer hingegen nicht in den durch die Ampel geschützten Bereich hinein, obwohl er die Ampel außerhalb der Fahrbahn umfahren hat, so ist liegt kein Rotlichtverstoß vor, weil der Verkehrsbereich unberührt bleibt.

Umfahren einer roten Ampel durch die Benutzung eines Tankstellengeländes

 So entschied zum Beispiel das Bayerische Oberste Landesgericht am 19.10.1993 - 2 Ob OWi 399/93, dass grundsätzlich kein Rotlichtverstoß vorliegt, wenn man vor einer Rotlicht zeigenden Ampel auf ein Tankstellengrundstück abbiegt, um dort zu tanken, unmittelbar darauf aber feststellt, dass die Tankstelle geschlossen ist, und bei andauerndem Rotlicht hinter der Ampelanlage wieder auf die ursprünglich benutzte Straße auffährt. Zu einer anderen Bewertung wäre das Gericht jedoch nach eigener Aussage gekommen, wenn der Betroffene die Rotlicht zeigende Ampel gezielt umfahren hätte, um dann bei andauerndem Rotlicht wieder in den durch die Ampelanlage geschützten Bereich einzufahren. Dies hatte die Vorinstanz jedoch nicht feststellen können.

Über diese Bewertung setzte sich das OLG Hamm kürzlich in der schon erwähnten Entscheidung hinweg und führte aus, dass das Umfahren einer Rotlicht anzeigenden Ampel durch die Benutzung eines Tankstellengeländes auch dann keine Ordnungswidrigkeit darstellt, wenn es absichtlich gemacht wird. Denn nach Ansicht des OLG Hamm nutzt der Betroffene mit einer solchen  Vorgehensweise lediglich eine Lücke, die es ihm ermöglicht, sich außerhalb der Reichweite des Haltegebots fortzubewegen. Auch die Motivation des Fahrers, hierdurch die Ampel zu Umfahren, könne das ansonsten zulässige und nicht bußgeldbewehrte Verhalten des Auffahrens und Verlassens eines Privatgrundstücks nicht zur Ordnungswidrigkeit werden lassen, weil gerade die Gefährdungslage, die durch die Ampel verhindert werden soll, nicht gegeben sei.

Nach der Entscheidung des OLG Hamm liegt somit in Zukunft kein Rotlichtverstoß vor, wenn der Verkehrsteilnehmer dadurch das Warten vor einer roten Ampel gezielt umgehen möchte. Ob sich andere Gerichte dieser Auffassung anschließen, wird sich zeigen.

Benutzung einer Busspur

Zur Benutzung einer Busspur führte das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 10.09.1997 - 5 Ss (OWi) 248/97 - (OWi) 119/97 I aus, dass kein Rotlichtverstoß vorliegt, wenn der Führer eines Pkw zwar vor der Ampel auf eine rechts verlaufende Busspur ausweicht und dort an der Ampel vorbeifährt, sich aber erst außerhalb des durch das Rotlicht geschützten Bereichs in den fließenden Verkehr wieder einordnet.

Benutzung des Gehwegs

Die Benutzung eines Gehwegs zur Umfahrung einer Rotlicht anzeigenden Ampel stellt, unter anderem nach einem Beschluss des OLG Hamm vom 25.4.2002 - 2 Ss OWi 222/02, immer dann einen Rotlichtverstoß dar, wenn der Betroffene  noch im unmittelbaren Kreuzungsbereich wieder in den durch die Ampel geschützten Bereich einfährt. Im Übrigen liegt hierin nicht nur ein Rotlichtverstoß, sondern auch ein Verstoß gegen das Gebot der Fahrbahnbenutzung nach § 2 Abs. 1 StVO.

Allerdings setzt das gezielte Umfahren einer Rotlicht zeigenden Ampel voraus, dass der Fahrzeugführer nach Passieren der Ampel über den Gehweg auf die Fahrbahn zurückkehrt, die durch die Ampel geschützt wird und dass dies trotz andauernden Rotlichts geschieht. Umfährt man die Ampel also ohne dabei den geschützten Bereich zu berühren, so liegt keine Ordnungswidrigkeit vor.

Dies ist beispielsweise nach einem Beschluss des OLG Karlsruhe vom 23.12.1988 - 1 Ss 207/88 der Fall, wenn die Stelle, in der man erneut auf die Fahrbahn gefahren ist, auf verkehrsordnungsgemäßem Weg nur zu erreichen gewesen wäre, indem man an der Ampel rechts abgebogen, mindestens 30m auf dieser Straße gefahren und von dort aus erneut rechts abgebogen wäre. Bei einer solchen Entfernung könne keine unmittelbare Beziehung mehr zu dem durch die Ampel geschützten Kreuzungsbereich hergestellt werden.

Wenden nach zulässigem Abbiegen

Nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 15.02.1993 - 5 Ss (OWi) 47/93 - (OWi) 31/93 I liegt ebenfalls kein Rotlichtverstoß vor, wenn der Betroffene vor der Ampel in zulässiger Weise nach rechts abbiegt, dort wendet und anschließend nach rechts in die zuvor befahrene Straße einbiegt, um jenseits des Kreuzungs- oder Einmündungsbereichs in der ursprünglichen Richtung weiterzufahren. Da weder durch das zulässige Abbiegen in eine Querstraße noch durch das Wenden des Fahrzeugs und erneutem Rechtsabbiegen der durch die Ampel geschützte Bereich gefährdet wurde, lag in diesem Fall kein ordnungswidriges Umfahren einer roten Ampel vor.

Spurwechsel auf die von einer Ampel durch Rotlicht gesperrte Spur

Angenommen wurde ein Rotlichtverstoß und damit ein gezieltes Umfahren einer roten Ampel vom Bayerischen Obersten Landesgericht (Beschluss vom 17.11.1995 - 2 ObOWi 706/95). In diesem Fall wollte der Betroffene an einer Ampel, die für zwei markierte Fahrstreifen jeweils ein eigenes Lichtzeichen gibt, nicht anhalten. Deshalb fuhr er auf dem Fahrstreifen, für den die Ampel grünes Licht zeigte, in die Kreuzung ein, um dort auf den anderen Fahrstreifen zu wechseln, der eigentlich durch das Rotlicht gesperrt war. Da der Betroffene die Absicht hatte, in die durch Rotlicht gesperrte Richtung zu fahren, wertete das OLG dieses Verhalten als eine Ordnungswidrigkeit.

Diese Rechtsprechung bestätigte der Bundesgerichtshof  (BGH) mit seinem Beschluss vom 30.10. 1997 - 4 StR 647/96 zu einer gegenteiligen Fallkonstellation, die ihm vom OLG Hamm vorgelegt wurde. Dabei stellte der BGH klar, dass ein Fahrzeugführer, der auf einem markierten (Linksabbieger-) Fahrstreifen in eine Kreuzung einfährt, obwohl die Ampel rot zeigt, genauso eine Ordnungswidrigkeit begeht, auch wenn er anschließend in der Richtung eines durch Grünlicht freigegebenen anderen Fahrstreifens weiter fährt.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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