Bergebeutel bei OP vergessen: 30.047,57 Euro

  • 2 Minuten Lesezeit

Mit Vergleich vom 19.04.2021 hat sich ein Krankenhaus verpflichtet, an meine Mandantin 30.047,57 Euro und meine kompletten außergerichtlichen Gebühren zu zahlen.

Die 1958 geborene Angestellte unterzog sich einer laparoskopischen Magenbypass-Operation. Am zweiten postoperativen Tag musste sie wegen eines schleichenden Hb-Abfalls erneut operiert werden. Bei der Revisionsoperation entdeckten die Operateure ein großes Hämatom, wobei große Mengen von Blutkoageln im linken Unterbauch mit eingebrachten Bergebeuteln portionsweise entfernt wurden. Die Blutungsquelle konnte auch nach ausgiebiger Spülung nicht identifiziert werden. Nach unauffälligem postoperativem Verlauf konnte die Mandantin aus der stationären Behandlung entlassen werden. Nachdem sie rund 30 kg abgenommen hatte, kam es immer wieder zu einem unkontrollierten Harndrang. Sie konnte nachts kaum eine Stunde schlafen, ohne auf Toilette gehen zu müssen. Sie litt unter einem starken Druckempfinden auf die Blase und traute sich kaum noch aus dem Haus zu gehen, weil sie den Urin nicht halten konnte.

Nachdem die Mandantin über ein Jahr lang zahlreiche Ärzte wegen ihrer Beschwerden aufsuchte, wurde in einem Nachfolgekrankenhaus eine diagnostische Laparoskopie durchgeführt. Dabei fanden die Operateure im Bauch einen großen Ring aus Metall mit Bergebeutel, der auf die Blase drückte. Die Ärzte stiegen von dem Schlüssellochverfahren auf eine offene Operation um und entfernten den Metallring mit Bergebeutel. Bei dieser Operation wurde der Dünndarm verletzt, so dass sich eine Vierquadrantenperitonitis ausbildete. Wenige Tage später erfolgte eine Notoperation, um die Entzündung zu beseitigen.

Ich hatte dem Operateur vorgeworfen, bei der Revisionsoperation nach der Magenverkleinerung grob fehlerhaft einen kompletten Bergebeutel mit Metallring im Operationsgebiet vergessen zu haben. Zwar sei in der Sicherheitscheckliste zur Operation dokumentiert, dass eine postoperative Zählkontrolle der intraoperativ benutzten Instrumente durchgeführt worden sei. Tatsächlich sei aber im Nachfolgekrankenhaus genau dieser Bergebeutel im Bauch oberhalb der Blase gefunden worden. Andere bauchchirurgische Operationen habe die Mandantin nicht gehabt. Die Zählkontrolle und das anschließende Belassen des Bergebeutels waren grob fehlerhaft und unverständlich.

Das Zurücklassen eines Fremdkörpers im Operationsgebiet sei dem vollbeherrschbaren Bereich des Arztes zuzurechnen (OLG München, Urteil vom 22.08.2013, AZ: 1 U 3971/12). Es sei in keinster Weise nachzuvollziehen, wie bei dokumentierter Zählkontrolle ein derartig großer Bergesack mit Ring im Körper vergessen werden konnte.

Aufgrund des grob fehlerhaften Zurücklassens des Bergebeutels habe die Mandantin unter einem lang anhaltenden Harndrang gelitten. Sie habe sich zwei Revisionsoperationen unterziehen müssen.

Zur endgültigen Erledigung hat sich die Haftpflichtversicherung des Krankenhauses verpflichtet, für Schmerzensgeld und materielle Schäden einen Betrag in Höhe von 30.047,57 Euro zu zahlen. Die Versicherung hat meine kompletten außergerichtlichen anwaltlichen Gebühren übernommen (2,0-Geschäftsgebühr, 1,5-Vergleichsgebühr).

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht & Verkehrsrecht

Foto(s): adobe stock Foto


Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Christian Koch

Beiträge zum Thema