Berufungsfrist läuft mit Zustellung des Urteils via Fax! Auch im Fall des Widerrufs von Darlehen!

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Guten Morgen allerseits. Wer sein Sekretariat nicht exzellenter Fortbildung zugeführt hat und nicht über wache Mitarbeiter verfügt, sollte seine Ohren spitzen. Genau. Früher galt: Warte, bis das Urteil in vollständig abgefasster Form mitgeteilt, also per Post zugestellt wird, lass die Berufungsfrist notieren, lege fristwahrend die Berufung ein.

Lass Dir die Berufungsbegründungsfrist um 2 oder 4 Wochen verlängern und hänge die Akte erst einmal ins Regal. Heute: Nein, das ist ein No-Go und geht nicht mehr, zurück den ganzen Film.

Genau: Das Urteil wird heute oftmals via Fax zugestellt (z. B.: in Westphalen oder Nordrhein-Westphalen). Von woanders kennen wir (MJH Anwälte Schwabmünchen, München und Augsburg bzw. Donauwörth) das jedenfalls noch nicht. Holzauge sei wachsam, auch wenn Du wie ich in Bayern wohnst.

Notiere die Berufungsfrist! Mit Eingang des Telefaxes. Wundere Dich nicht, wenn das LG (aus NRW) dann Kostenfestsetzungsanträge der Gegner via Post verschickt und zwar, bevor überhaupt eine Zustellung des Urteils via Post erfolgt (ein schlechter Mensch, der Böses denkt). Überlege Dir, ob sich ggf. ein Justizangestellter (aus NRW oder sonst wo, wo sie sich faxen trauen oder trauen, Faxen zu machen) dabei etwas Böses gedacht hatte.

Nein, Justizangestellte sind nicht böse und denken auch nicht so. Alles andere ist subjektives ungerechtfertigtes Rechtsempfinden. Außerdem: Who cares? Genau ;-), wir wissen doch alle, wie die Justiz tickt…

Hier zur Warnung – und ich konnte keinen Rechtsfehler feststellen: LG Wuppertal, Urteil vom 04.12.2015, Az.: 8 S 80/15 (über beck-online abzurufen oder als Freeware im Internet). Der Beginn der Berufungsfrist mit Zustellung einer beglaubigten Abschrift des Urteils ist Voraussetzung des Beginns der Frist gem. § 517 2. Halbsatz ZPO.

Hier eine ordnungsmäßige Amtszustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, die sich nach § 317 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit den §§ 166 ff. ZPO richtet: BGH, Beschluss vom 09.06.2010 – XII ZB 132/09, Rn. 6; Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 517 ZPO, Rn. 7; MüKoZPO/Rimmelspacher ZPO § 517 Rn. 4 – 14.

Zuzustellen ist nicht das Original, das in der Akte verbleibt, sondern – wie § 317 Abs. 1 S. 1 ZPO nunmehr ausdrücklich vorsieht – eine Abschrift des Urteils. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 09.06.2010 – XII ZB 132/09 – noch entschieden hatte, dass § 317 Abs. 1 ZPO a.F. die Zustellung einer Ausfertigung des Urteils vorsehe. Mit Änderung des Wortlauts des § 317 Abs. 1 S. 1 ZPO zum 01.07.2014 durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 (BGBl. I 3786) ist diese Entscheidung allerdings überholt. Mit ihr hat der Gesetzgeber die bis zur Reform im Sommer 2014 noch als notwendig erachtete Zustellung einer Ausfertigung als Regelfall abgeschafft (BeckOK ZPO/Elzer ZPO § 317 Rn. 9, beck-online) und so einheitliche Voraussetzungen für die Urteilszustellung geschaffen (Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 317 ZPO, Rn. 2, mit Verweis auf Begr BTDrs 17/12634 S 30). Denn während die Erteilung einer Ausfertigung in der elektronischen Welt keine Entsprechung findet, können beglaubigte Abschriften gem. § 169 Abs. 4 S. 1 ZPO auch elektronisch zugestellt werden. Mahlzeit.

MJH Rechtsanwälte, MJH Rechtsanwalt Haas meint: Frist verpennt? Mal auf die Berufungssumme schauen. Dann entweder die Haftplicht anrufen oder dem Mandanten sagen, dass eh nix ging. Verwaltungspraxis der Gerichte? Im Zweifel anwaltsfeindlich. Deswegen diese News, die nicht wirklich neu sind. Nicht alle wohnen in Westphalen und müssen auf die Justiz und deren Praxis (gerade in erster Instanz) besonders achten. Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen viel Erfolg, immer einen Windstoß im Segel der Kanzlei, der diese weiterträgt, und ein kritisches Auge, was passiert und nicht passieren sollte.

Frohes Schaffen ... und genau: Im Zweifel sehen wir uns vor Gericht!


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