Besichtigung des häuslichen Arbeitszimmers durch Finanzamt ohne Ankündigung ist rechtswidrig

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Spätestens seit der Coronapandemie ist das Arbeiten von der privaten Wohnung aus nichts Ungewöhnliches mehr. Die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer sind sogar steuerlich abzugsfähig, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit bildet. Ausschlaggebend hierfür ist, ob die für das Berufsbild wesentlich prägenden Handlungen und Leistungen schwerpunktmäßig im häuslichen Arbeitszimmer erbracht werden.

Häusliches Arbeitszimmer ist grundrechtlich geschützt

Weil das häusliche Arbeitszimmer denklogisch in das Wohnhaus oder die Privatwohnung des Steuerpflichtigen eingebunden ist, unterfällt es dem grundrechtlichen Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung als Teil der Privatsphäre des Steuerpflichtigen (Art. 13 GG). Hieraus ergeben sich Schwierigkeiten für die Finanzämter bei der Überprüfung, ob das häusliche Arbeitszimmer tatsächlich ausschließlich zum Arbeiten genutzt wird.

Finanzämter prüfen die Angaben zum häuslichen Arbeitszimmer vor Ort nach

So machte eine selbstständige Unternehmensberaterin Aufwendungen für ihr häusliches Arbeitszimmer in ihrer Einkommensteuererklärung geltend und legte auf Nachfrage des Finanzamtes eine Skizze der Wohnung vor. Zu dieser gehörte ein Zimmer, das maschinenschriftlich mit „Schlafen“ bezeichnet war. Diese Bezeichnung war allerdings durchgestrichen und handschriftlich durch „ARBEIT“ ersetzt worden. Keiner der übrigen Räume war als Schlafzimmer bezeichnet. Das Finanzamt entsendete daraufhin einen Steuerfahnder unangekündigt zu der Privatwohnung der Steuerpflichtigen. Diese ließ den sich als Steuerfahnder ausweisenden Beamten freiwillig in die Wohnung. Die Überprüfung ergab, dass die Angaben der Steuerpflichtigen korrekt waren. Diese wollte den Eingriff in ihrer Privatwohnung jedoch nicht hinnehmen und erhob Klage auf Feststellung, dass die Besichtigung rechtswidrig war.

BFH rügt unverhältnismäßigen Eingriff in Art. 13 GG

Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied letztinstanzlich, dass die Besichtigung in der Tat rechtswidrig gewesen sei. Obwohl die Steuerpflichtige in die Besichtigung eingewilligt habe, sei die Besichtigung durch einen Steuerfahnder unverhältnismäßig gewesen. Eine Ortsbesichtigung sei erst dann erforderlich, wenn die Unklarheiten durch weitere Auskünfte der Steuerpflichtigen nicht mehr hätten sachgerecht aufgeklärt werden können. Diese habe aber bei der Aufklärung aktiv mitgewirkt.

Finanzamt muss sich grundsätzlich ankündigen

Ferner hat der Gesetzgeber in der Abgabenordnung ausdrücklich geregelt, dass vor dem Betreten von Grundstücken und Räumen die betroffenen Personen angemessene Zeit vorher benachrichtigt werden sollen. Eine unangekündigte Besichtigung ist nur dann zulässig, wenn andernfalls der Zweck der Ermittlung gefährdet oder vereitelt würde, zum Beispiel wenn das Besichtigungsobjekt in der Zwischenzeit noch entsprechend hergerichtet oder die Spuren bisheriger Nutzung als Wohnraum vernichtet würden. Hiervon dürfe aber nicht pauschal ohne weitere Anhaltspunkte ausgegangen werden, so das Gericht.

Einsatz von Steuerfahndern wirkt stigmatisierend

Abschließend rügte das Gericht, dass die Ortsbesichtigung von einem Beamten der Steuerfahndung und nicht von einem Mitarbeiter der Veranlagungsstelle durchgeführt worden war. Auch dies verletze den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zum einen sei eine Überprüfung durch einen Beamten der Steuerfahndung generell belastender für den Steuerpflichtigen, der bei dem Erscheinen eines Steuerfahnders an der Haustür in der Regel eher geneigt sei, zur Vermeidung weiterer Unannehmlichkeiten in das Betreten seiner Wohnung einzuwilligen. Zum anderen könnte durch die Anwesenheit des Steuerfahnders gegenüber zufällig anwesenden Dritten (z.B. Besuchern, Nachbarn) der Eindruck vermittelt werden, dass gegen den Steuerpflichtigen strafrechtlich ermittelt wird.

Was Betroffene wissen sollten

Das Betreten von Wohnungen steht unter dem Richtervorbehalt. Das heißt, Steuerfahnder können die Wohnungen von Steuerpflichtigen nicht ohne richterliche Anordnung betreten. Bei einem unangekündigten Besuch des Finanzamts sollten Betroffene also nicht in die Besichtigung einwilligen. Zudem sollten Betroffene sich Name, Dienststelle und Dienstbezeichnung des Steuerfahnders geben lassen. Ist bereits eine Wohnungsbesichtigung erfolgt, sollten Betroffene der Verwertung der hieraus gewonnenen Erkenntnisse widersprechen. Die Hinzuziehung eines Fachanwalts für Steuerrecht ist empfehlenswert, da die Feinheiten des Steuerrechts zu Fehlern führen können.

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