Besteht für Lehrer trotz Corona die Verpflichtung zum Präsenzunterricht?

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Besteht auch für ältere Lehrkräfte (mit im Zweifel erhöhtem Risiko, an COVID19 zu erkranken) während der Corona-Pandemie die Verpflichtung zur Erteilung von Präsenzunterricht? Über diese Frage hatte das Arbeitsgericht Mainz in einem Eilverfahren eines Lehrers zu entscheiden.

Entscheidung des Arbeitsgerichts und Sachverhalt Das Arbeitsgericht Mainz hat in seinem Beschluss festgestellt, dass der Antragsteller, ein 62-jähriger Berufsschullehrer, trotz seines Alters zum Präsenzunterricht an einer Berufsschule im Rahmen des von dem Lehrer zu erteilenden Förderunterrichts auch während der Corona-Pandemie verpflichtet werden kann (Quelle: Pressemitteilung des ArbG Mainz vom 10.6.2020 zum Verfahren 4 Ga 10/20).

Der Antragsteller vertrat die Auffassung, sich damit unzumutbaren gesundheitlichen Risiken auszusetzen, obwohl ein Interesse an solchem Präsenzunterricht nicht ersichtlich sei (a. a. O.).

In seinem Beschluss hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die Schulen einen Ermessensspielraum hätten, wie sie den Gefahren der Corona-Pandemie begegnen wollen, und es nicht Aufgabe der Gerichte ist, vorab zu entscheiden, welcher Lehrer wie eingesetzt werden könne (a. a. O.).

Im vorliegenden Fall kam hinzu, dass der Antragsteller Einzelunterricht in einem 25qm großen Raum erteilen sollte, wo nach Einschätzung des Gerichts hinreichend Abstand gewahrt werden könne (a. a. O.). Die Auffassung des Lehrers, es bestehe kein Interesse an seinem Präsenzunterricht, konnte das Arbeitsgericht zudem nicht nachvollziehen. Schließlich erteile dieser benachteiligten Schülern Förderunterricht, die typischerweise nicht aus Akademikerhaushalten stammten, wo sie problemlos Internetzugang und Unterstützung durch ihre Eltern hätten (a. a. O.).

Rechtliche Bewertung

Letztlich kommt es für die Beantwortung der Fragestellung arbeitsrechtlich (und auch beamtenrechtlich) u. a. auf das jeweilige Risiko des Arbeitnehmers und insofern immer auch auf die entsprechenden Schutzvorkehrungen und -konzepte des Arbeitgebers an.

Die Antwort/Entscheidung des Arbeitsgerichts liegt auf einer Linie z. B. mit aktueller Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg. Dieses hat in einem Eilverfahren eines Grundschullehrers bezüglich der 6. Corona-Eindämmungsverordnung für Sachsen Anhalt über die dort geregelte Abweichung vom Mindestabstand in Schulen entschieden, dass dies nicht die staatliche Pflicht zum Schutz der Gesundheit der betroffenen Lehrer und Schüler verletze (Quelle: Pressemitteilung des OVG Magdeburg Nr. 14/2020 vom 15.06.2020 zum Beschluss vom 15.6.2020 – 3 R 111/20 -). Die staatliche Schutzpflicht sei durch das Recht der Kinder auf Bildung und den Schutz von Familien beschränkt (a. a. O.).

Die fortdauernde Beschulung und Betreuung zu Hause hindere die Eltern daran, ihrer Erwerbstätigkeit nachzugehen (a. a. O.). Ein Gesundheitsschutz für Lehrkräfte und Schüler, der die Infektionsgefahr vollständig ausschließe, sei nicht zu verlangen (a. a. O.).

Die Landesregierung habe bei der Entscheidung zur Umsetzung der wieder erfolgenden Regelbeschulung mit ihrem Maßnahmebündel (Nachverfolgbarkeit der Infektionsketten durch Unterricht im festen Klassenverband, Hygienehinweise, ausreichende Lüftung, Befreiung vom Präsenzunterricht, Reinigungsverhalten nach Hygiene- und Reinigungsplänen) den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten. Der Verordnungsgeber habe mit seiner Entscheidung, Schulen teilweise vom sonstigen Schutzkonzept der 6. Corona-Eindämmungsverordnung für Sachsen Anhalt auszunehmen, willkürfrei entschieden und nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, da die Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Lebensbereichen gerechtfertigt sei (a. a. O.).

Im Gegensatz dazu hatte beispielsweise aber noch das Oberverwaltungsgericht Münster mit einem Beschluss vom 12.6.2020 entschieden, dass die hier bis 14.6.2020 geltenden Vorgaben der dortigen Coronabetreuungsverordnung voraussichtlich noch verhältnismäßig seien (Pressemitteilung des OVG Münster vom 12.6.2020, Az.: 13 B 779/20.NE).

Das OVG Münster hatte den Eilantrag der Eltern (von vier Kindern im Alter von 8-15 Jahren, von denen zwei die Primarstufe und zwei ein Gymnasium besuchen) gerichtet auf sofortige Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts an den Grund- und weiterführenden Schulen abgelehnt (a. a. O).

Die ab 15.6.2020 geltenden Neufassung der dortigen Verordnung, nach der nur noch gewährleistet sein müsse, dass durch Bildung fester Lerngruppen ein näherer Kontakt auf einen begrenzten und bestimmbaren Personenkreis reduziert werde und Mindestabstände im Unterricht nicht mehr einzuhalten seien, war nicht Gegenstand der rechtlichen Bewertung (a. a. O.).

Diesbezüglich hat das Gericht aber auch bereits darauf hingewiesen, dass die Vorgaben der Neufassung einer Ausweitung des Präsenzunterrichts insoweit aus Rechtsgründen -unabhängig von der Schulform (auch in der Sekundarstufe I)- bei entsprechender schulorganisatorischer Ausgestaltung nicht mehr entgegenstehen dürften (a. a. O.). 

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