Betreuungsunterhalt, § 1570 BGB – Ein umfassender Leitfaden für Anspruch, Dauer und Voraussetzungen

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Was ist Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB?

Der Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB ist ein zentrales Element im deutschen Unterhaltsrecht. Er regelt den Unterhaltsanspruch eines geschiedenen Ehegatten, der wegen der Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes keiner Erwerbstätigkeit nachgeht oder nur eingeschränkt erwerbstätig sein kann. Diese Vorschrift dient dem Schutz und der finanziellen Absicherung des betreuenden Elternteils – meist der Mutter – nach der Scheidung.

Rechtliche Grundlage und Anspruchsvoraussetzungen

Gemäß § 1570 Absatz 1 BGB besteht ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt, „solange und soweit von dem geschiedenen Ehegatten wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann“.

Die Voraussetzungen im Überblick:

  • Bestehen einer Ehe: Es muss eine rechtskräftige Ehe bestanden haben.

  • Scheidung: Der Anspruch entsteht erst mit der Rechtskraft der Scheidung.

  • Betreuung eines gemeinsamen Kindes: Das Kind muss aus der Ehe hervorgegangen sein.

  • Tatsächliche Betreuung durch den unterhaltsberechtigten Elternteil

  • Nichtzumutbarkeit der Erwerbstätigkeit aufgrund der Betreuung

Dauer des Betreuungsunterhalts – Wie lange besteht der Anspruch?

Die Grundregel lautet: Betreuungsunterhalt wird mindestens bis zum dritten Lebensjahr des Kindes gewährt. Dabei handelt es sich um eine Mindestdauer. Ein darüber hinausgehender Anspruch ist möglich, wenn es den Umständen nach unbillig wäre, vom betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit zu verlangen.

Verlängerungsgründe nach § 1570 Abs. 2 BGB:

  • Kindbezogene Gründe: z. B. gesundheitliche Probleme des Kindes, Schulprobleme, erhöhter Betreuungsbedarf.

  • Elternbezogene Gründe: z. B. fehlende Erwerbsqualifikation, langer beruflicher Ausstieg, keine ausreichenden Betreuungsmöglichkeiten.

Die Gerichte entscheiden einzelfallbezogen, wobei das Kindeswohl immer im Vordergrund steht.

Wechselmodell und Betreuungsunterhalt – Auswirkungen auf den Anspruch

Wird das Kind im Wechselmodell (paritätische Betreuung) betreut, stellt sich häufig die Frage nach dem Fortbestand des Unterhaltsanspruchs. In solchen Fällen wird geprüft, ob die Betreuungsleistung beider Elternteile gleichwertig ist. Ist dies der Fall, kann der Anspruch auf Betreuungsunterhalt entfallen, da keine übermäßige Belastung eines Elternteils vorliegt.

Leistungsfähigkeit und Bedürftigkeit

Ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt besteht nur, wenn:

  • der unterhaltspflichtige Ex-Ehegatte leistungsfähig ist und

  • der betreuende Elternteil bedürftig ist, also seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln und Kräften sichern kann.

Hierzu wird das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen beider Parteien genau geprüft. Auch fiktives Einkommen kann berücksichtigt werden, sofern dem betreuenden Elternteil eine Teilerwerbstätigkeit zugemutet werden kann.

Höhe des Betreuungsunterhalts

Die Höhe des Betreuungsunterhalts richtet sich nach dem:

  • eheangemessenen Lebensstandard

  • Bedarf des betreuenden Elternteils

  • Einkommen des Unterhaltspflichtigen

Der Bedarf orientiert sich in der Regel am zuletzt gelebten ehelichen Lebensstandard. Der bereinigte Nettoverdienst des Unterhaltspflichtigen ist ausschlaggebend. Von diesem werden pauschale Abzüge vorgenommen (z. B. berufsbedingte Aufwendungen, Altersvorsorge).

Formel zur groben Berechnung:

(Bereinigtes Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen – Eigenbedarf) x Bedarfssatz = Unterhaltshöhe

Einzelfälle werden stets individuell bewertet. Die Düsseldorfer Tabelle dient lediglich zur Orientierung im Kindesunterhalt, nicht jedoch direkt beim Ehegattenunterhalt.

Verwirkung und Ausschluss des Anspruchs

Ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt kann verwirkt oder ausgeschlossen werden, insbesondere bei:

  • schwerem Fehlverhalten des Unterhaltsberechtigten (z. B. tätliche Angriffe, massive Beleidigungen)

  • Neuer Lebensgemeinschaft mit einem neuen Partner (nicht automatisch Ausschlussgrund, aber relevant)

  • Keine tatsächliche Betreuung des Kindes durch den Anspruchsteller

Die Verwirkung ist in § 1579 BGB geregelt und muss vom Unterhaltspflichtigen aktiv geltend gemacht werden.

Pflicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit

Ab dem dritten Lebensjahr des Kindes wird geprüft, ob dem betreuenden Elternteil eine voll- oder teilerwerbstätige Tätigkeit zuzumuten ist. Dabei wird berücksichtigt:

  • Betreuungsmöglichkeiten (Kita, Tagesmutter)

  • Gesundheit und Ausbildung des Elternteils

  • Regionale Arbeitsmarktsituation

Ein völliger Unterhaltsausschluss erfolgt nur bei klarer Erwerbsfähigkeit und zumutbaren Arbeitsbedingungen.

Betreuungsunterhalt in der Praxis – Beispiele aus der Rechtsprechung

Beispiel 1: Verlängerung wegen fehlender Betreuungsmöglichkeiten

Ein Vater verlangt nach dem dritten Lebensjahr des Kindes die Aufnahme einer Tätigkeit durch die Mutter. Das zuständige Familiengericht erkennt jedoch an, dass in der Region keine zumutbare Kinderbetreuung zur Verfügung steht. Der Anspruch auf Betreuungsunterhalt wird verlängert.

Beispiel 2: Wechselmodell – kein Betreuungsunterhalt

Beide Eltern betreuen das Kind im wöchentlichen Wechsel. Das Gericht stellt eine nahezu gleichwertige Betreuungsleistung fest. Die Mutter ist nicht stärker belastet. Es besteht kein Anspruch auf Betreuungsunterhalt.

Betreuungsunterhalt beantragen – Was ist zu beachten?

  • Zeitnaher Antrag nach der Scheidung (Verjährung beachten!)

  • Nachweise über die tatsächliche Kinderbetreuung und Bedürftigkeit

  • Einkommens- und Vermögensnachweise beider Parteien

Ein anwaltlicher Beistand ist empfehlenswert, insbesondere bei strittigen Fällen.

Fazit – Der § 1570 BGB als Schutzmechanismus für betreuende Elternteile

Der Betreuungsunterhalt bietet einen wichtigen finanziellen Ausgleich für Elternteile, die sich nach der Scheidung weiterhin intensiv um das gemeinsame Kind kümmern. Die rechtlichen Regelungen sind dabei komplex und stark einzelfallabhängig, bieten aber bei richtiger Anwendung einen angemessenen Schutz des betreuenden Elternteils. Eine frühzeitige juristische Beratung kann helfen, den Anspruch effektiv geltend zu machen und finanzielle Nachteile zu vermeiden.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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