Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess

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Die Gewinnung von Beweisen im Strafprozess ist oftmals mit schwerwiegenden Eingriffen in die Grundrechte des Betroffenen verbunden und steht daher in Konflikt mit der Verpflichtung der Staatsanwaltschaften und Gerichte, den Sachverhalt zu erforschen und alle relevanten Tatsachen und Beweise zu ermitteln. Beweisverbote schränken daher die Erhebung und Verwertung von Beweisen ein, um ein rechtsstaatliches Verfahren und grundlegende Rechte des Betroffenen zu wahren.

Was sind Beweiserhebungsverbote und welche gibt es?

Beweiserhebungsverbote setzen der Gewinnung von Beweismitteln und damit der staatlichen Aufklärungspflicht Grenzen. Unterschieden werden drei Formen von Beweiserhebungsverboten:

  1. Beweisthemenverbote: Bestimmte Tatsachen oder Sachverhalte, wie z. B. im Strafregister getilgte Verurteilungen, dürfen nicht Gegenstand der Beweisführung sein.
  2. Beweismittelverbote: Die Verwendung bestimmter Beweismittel, wie die Vernehmung eines Zeugen, der sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht beruft, ist unzulässig.
  3. Beweismethodenverbote: Ein Beweis darf nicht mit bestimmten Methoden wie Misshandlung, Ermüdung, körperliche Eingriffe, Verabreichung von Mitteln, Quälerei, Täuschung oder Hypnose gewonnen werden.

Was sind Beweisverwertungsverbote?

Beweisverwertungsverbote führen dazu, dass Informationen, die durch eine Beweiserhebung bereits erlangt wurden, nicht im Strafprozess verwertet werden dürfen. Im Fall eines Beweisverwertungsverbotes muss der Richter sein Wissen partiell ausblenden und darf diese Informationen bei der Beweiswürdigung und Urteilsfindung nicht berücksichtigen.

Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote sind grundsätzlich unabhängig voneinander und deshalb führt das Vorliegen eines Beweiserhebungsverbotes nicht zwangsläufig zu einem Beweisverwertungsverbot und umgekehrt.

Welche Beweisverwertungsverbote gibt es?

Die größte Gruppe der Beweisverwertungsverbote sind die sog. unselbstständigen Verbote, bei denen aus der unzulässigen Beweiserhebung ein Beweisverwertungsverbot folgt. Dies ergibt sich in einigen Fällen, wie beispielsweise bei den verbotenen Vernehmungsmethoden gem. § 136a StPO, unmittelbar aus dem Gesetz (sog. absolute Verwertungsverbote). In den übrigen Fällen ist im Einzelfall zwischen den Individualinteressen des Beschuldigten und den Interessen einer effektiven Strafverfolgung abzuwägen, ob aus dem Verstoß gegen ein Erhebungsverbot auch ein Beweisverwertungsverbot resultiert. Bei diesen sog. relativen Verwertungsverboten ist zunächst zu prüfen, ob die verletzte Verfahrensvorschrift überhaupt dem Schutz des Beschuldigten dient (sog. Rechtskreistheorie). Denn wenn dies nicht der Fall ist, scheidet ein Verwertungsverbot von vornherein aus, da Beweisverwertungsverbote dem Schutz der Rechte des Beschuldigten und nicht der Sanktionierung rechtswidriger Ermittlungsmaßnahmen dienen. Anschließend ist das Gewicht des Verfahrensverstoßes nach dem Wert der betroffenen Rechtsgüter und dem Grad der Verletzung zu bestimmen und gegen das Strafverfolgungsinteresse des Staates abzuwägen. Dabei kann es auch eine Rolle spielen, ob die Erkenntnisse auf rechtmäßige Weise hätten gewonnen werden können (sog. hypothetischer rechtmäßiger Ersatzeingriff). Beispiele hierfür sind:

  • die fehlende Belehrung des Beschuldigten über sein Schweigerecht oder sein Recht, sich jederzeit eines Verteidigers zu bedienen (§ 136 Abs. 1 S. 2 StPO)
  • die Vernehmung jugendlicher Beschuldigter ohne Benachrichtigung der Eltern, §§ 67, 67a JGG
  • die Entnahme einer Blutprobe ohne richterliche Anordnung (§ 81a Abs. 2 S. 1 StPO)
  • die Blutentnahme durch eine Krankenschwester anstelle eines Arztes (§ 81a Abs. 1 S. 2 StPO)
  • die Durchsuchung ohne richterlichen Beschluss (§ 105 Abs. 1 StPO)

Zudem gibt es noch die selbständigen Beweisverwertungsverbote, die nicht auf einem Verstoß gegen Beweiserhebungsverbote beruhen. Sie können ausdrücklich gesetzlich geregelt sein oder sich aus der Verfassung ableiten, insbesondere aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, wie:

  • Verbot der Protokollverlesung nach Zeugnisverweigerung (§ 252 StPO)
  • Tagebuchaufzeichnungen
  • nichtöffentlich geführte Selbstgespräche, die im Rahmen einer heimlichen elektronischen Überwachung erfasst wurden

Was versteht man unter der sog. Widerspruchslösung?

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist Voraussetzung eines Beweisverwertungsverbotes in vielen Fällen, der rechtzeitige und ausdrückliche Widerspruch des Angeklagten oder seines Verteidigers gegen die Beweisverwertung (sog. Widerspruchslösung). Der Widerspruch muss innerhalb der Hauptverhandlung, spätestens im Anschluss an die jeweilige Beweiserhebung erfolgen (vgl. § 257 Abs. 1 StPO). Der Widersprechende muss präzisieren und begründen, welches Beweismittel aus welchen Gründen nicht verwertbar sein soll. Diese Pflicht hat auch der Angeklagte, der ohne Verteidiger an der Hauptverhandlung teilnimmt, sofern er durch das Gericht auf die Möglichkeit des Widerspruchs hingewiesen wurde. Bleibt der Widerspruch aus, sind die Beweismittel verwertbar und der Widerspruch kann auch nicht mehr nachgeholt werden. Eine Rüge des Verfahrensverstoßes in der Revision ist dann nicht mehr möglich.


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