BFH zur Beendigung der Selbstnutzung eines Familienheims

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Die Steuerbefreiung des § 13 Abs 1 Nr. 4 EbrStG ist grundsätzlich eng auszulegen. Nun hat der BFH mit Urteil vom 01.12.2021 II R 18/20 entschieden, dass ein Erbe die Erbschaftsteuerbefreiung für ein Familienheim nicht verliert, wenn ihm die eigene Nutzung des Familienheims aus gesundheitlichen Gründen unmöglich oder unzumutbar ist.

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG bleibt steuerfrei u. a. der Erwerb von Todes wegen des Eigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück i. S. des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes durch Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 m² nicht übersteigt.

Gemäß § 13 Abs. 1 Nummer 4c Satz 5 ErbStG fällt die Steuerbefreiung mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von 10 Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus objektiv zwingenden Gründen an der Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert.

Objektiv zwingende Gründe liegen im Falle einer Pflegebedürftigkeit vor, die die Führung eines eigenen Haushalts nicht mehr zulässt, oder solange das Kind wegen Minderjährigkeit rechtlich gehindert ist, einen Haushalt selbstständig zu führen, nicht dagegen z. B. bei einer beruflichen Versetzung[1]. In dem Merkmal "aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert" müssen sich die Hinderungsgründe auf die Selbstnutzung des betreffenden Familienheims beziehen. Ob der Erwerber an einem anderen Ort einen Haushalt führen kann, ist nach Auffassung des BFH nicht entscheidend[2].

„Zwingend“, so der BFH, erfasse nicht nur den Fall der Unmöglichkeit, sondern auch die Unzumutbarkeit der Selbstnutzung des Familienheims. Das entspreche dem Billigkeitscharakter der Vorschrift. Reine Zweckmäßigkeitserwägungen, wie etwa die Unwirtschaftlichkeit einer Sanierung, genügten zwar nicht. Anders liege es, wenn der Erbe aus gesundheitlichen Gründen für eine Fortnutzung des Familienheims so erheblicher Unterstützung bedürfe, dass nicht mehr von einer selbständigen Haushaltsführung zu sprechen sei.

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hatte die Erbin nach Inanspruchnahme der Steuerbefreiung die Nutzung aufgegeben. Sie hatte vorgetragen, zum einen sei das Haus wegen seines baulichen Zustands überhaupt nicht mehr nutzbar gewesen. Zum anderen habe sie sich angesichts ihres Gesundheitszustands (Bandscheibenvorfälle, ein Hüftleiden, das wegen einer Angststörung nicht operabel sei) kaum mehr allein in dem Haus bewegen können und sei daher in eine Erdgeschosswohnung umgezogen[3]. Die Feststellungslast für diejenigen Umstände, die eine Selbstnutzung des Familienheims objektiv unmöglich machen oder aus objektiven Gründen unzumutbar erscheinen lassen, trägt jedoch der Erwerber[4].

[1] ErbStR E.14.3

[2] Urteil vom 01. Dezember 2021, II R 18/20 Beendigung der Selbstnutzung eines Familienheims

[3] Urteil vom 01. Dezember 2021, II R 18/20 Beendigung der Selbstnutzung eines Familienheims

[4] vgl. BFH-Urteil in BFHE 273, 554, Rz 23


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