BGH IX ZR 126/17 – Keine rechtssichere Minderung des Anfechtungsrisikos bei Schneeballsystemen

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Das Risiko der Schenkungsanfechtung durch den Insolvenzverwalter gegenüber den geschädigten Gläubigern von Schneeballsystemen ist durch das BGH-Urteil vom 05.07.2018 – IX ZR 126/17 – nicht rechtssicher gemindert worden. Auf den ersten Blick ließ die Entscheidung zunächst die erfreuliche Schlussfolgerung zu, dass die Leistung insgesamt nach den objektiven Maßstäben aus der Sicht des Schuldners zu beurteilen sei. Die Betonung liegt allerdings auf dem Begriff des „Schuldners“. Bei einem Irrtum über die Identität des echten Schuldners soll danach die Schenkungsanfechtung ins Leere gehen. Auf die subjektive Sicht des Anfechtungsgegners insgesamt soll es weniger ankommen.

Eine Schenkungsanfechtung kann wegen Entreicherung bei Luxusaufwendungen ins Leere gehen. Steueraufwendungen können von den Rückzahlungen, sofern sie sich hierauf beziehen, in Abzug gebracht werden. Erfolgte die Rückzahlung auf vom Empfänger geleistete Einlagen, soll auch eine Verrechnung möglich sein. 

Grundlegend bleiben die Ausführungen in dem BGH-Urteil vom 20. 4. 2017 – IX ZR 252/16; LG Essen (lexetius.com/2017,1428), Rndr. 22:

„[22] Gleiches gilt für die Auszahlung von Scheingewinnen, bei denen dem Schuldner bewusst ist, dass sie tatsächlich nicht erzielt worden sind (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2008 – IX ZR 195/07BGHZ 179, 137 Rn. 6; vom 2. April 2009 – IX ZR 197/07, ZInsO 2009, 1202 Rn. 6; vom 22. April 2010 – IX ZR 163/09ZIP 2010, 1253 Rn. 6; vom 10. Februar 2011 – IX ZR 18/10ZIP 2011, 674 Rn. 8; ebenso zu § 32 Nr. 1 KO BGH, Urteil vom 29. November 1990 – IX ZR 29/90BGHZ 113, 98, 101 ff; vom 29. November 1990 – IX ZR 55/90WM 1991, 331, 332 f). Da der Schuldner die Scheingewinne in diesen Fällen in Kenntnis des fehlenden Anspruchs ausgezahlt hat, steht einem Bereicherungsanspruch § 814BGB entgegen. Deshalb erweist sich die Bezahlung von Scheingewinnen bei einem Schneeballsystem als unentgeltliche Leistung des Schuldners. Einseitige Vorstellungen des Empfängers, die Leistung sei entgeltlich, sind unerheblich (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2008, aaO Rn. 6). Anders ist dies, wenn die Rückzahlung auf die Einlage erfolgt (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2010 – IX ZR 225/09ZIP 2010, 1455 Rn. 12 f). Aus den gleichen Gründen ist weiter als unentgeltliche Leistung anfechtbar die bewusste Zahlung eines tatsächlich nicht bestehenden Auseinandersetzungsguthabens (BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 – IX ZR 198/10ZIP 2013, 1533 Rn. 21),“ BGH-Urteil vom 20. 4. 2017 – IX ZR 252/16; LG Essen (lexetius.com/2017,1428), Rndr. 22.

Anfechtbare Leistungen sind nach derzeitiger Rechtsprechung gemäß § 134 InsO leider zur Insolvenzmasse zu ziehen. Sie können dann erneut zur Insolvenztabelle als Forderung angemeldet werden. 

Fazit: Der Gesichtspunkt der Gläubigerbenachteiligung greift allerdings nur dann, wenn dieser durch entsprechende Zuflüsse an die Gläubigerschaft aufgehoben wird. Nicht jeder Insolvenzverwalter sieht die Voraussetzungen für die Anfechtungen nach den §§ 133, 134 InsO als erfüllt an. Im Lichte der aktuellen Rechtsprechung kann es angeraten sein, durch geeignete Anträge auf der ersten Gläubigerversammlung Anfechtungen gegenüber den geschädigten Anlegern rechtssicher zu verhindern. Die Forderungsanmeldungen zur Tabelle können noch drei Jahre lang korrigiert oder ergänzt werden, Maßnahmen zur Abwehr von Anfechtungsansprüchen sind hingegen nur auf der ersten Gläubigerversammlung möglich.


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