BGH: keine Pflicht zum Abschluss einer Verrechnungsvereinbarung im Versorgungsausgleich

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Ein gesetzlich rentenversicherter Ehegatte kann nicht zum Abschluss einer Vereinbarung über den Versorgungsausgleich verpflichtet werden, die eine Verrechnung seines Anrechts in der gesetzlichen Rentenversicherung mit dem Anrecht seines verbeamteten Ehegatten auf landesrechtliche Beamtenversorgung vorsieht, BGH, XII. Zivilsenat, Beschluss vom 30.10.2019 – XII ZB 537/17.

Weil er den vorgesehenen Ausgleich des Anrechts seiner geschiedenen Ehefrau vermeiden und stattdessen lieber einen Teil seiner auszugleichenden Beamtenversorgung behalten wollte, verlangte der Ehemann die Zustimmung zu einer sog. Saldierungsabrede. 

Dabei werden die Anrechte jeweils auf Basis der bei der Auskunft zum Versorgungsausgleich mitgeteilten Kapitalwerte verrechnet und lediglich noch die Differenz ausgeglichen. 

Die Ehefrau lehnte die erstrebte Vereinbarung ab, das Familiengericht führte den Ausgleich nach den gesetzlichen Bestimmungen über den jeweils vollen Ausgleichswert durch. Im Wege der externen Teilung erhielt die Ehefrau also ein entsprechendes Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung. 

Dagegen hat der Ehemann mit seiner Beschwerde geltend gemacht, die Ehefrau sei zur Zustimmung zu einer Saldierungsabrede verpflichtet. Es solle daher eine Verrechnung der wechselseitigen Anrechte der Ehegatten dergestalt erfolgen, dass die dem Ehemann rechnerisch zustehende Hälfte der ehezeitlichen Anrechte der Ehefrau mit dem Anspruch der Ehefrau auf wertmäßig hälftige Beteiligung an der Beamtenpension des Ehemanns verrechnet werde. 

Nur in Höhe des nach der Verrechnung verbleibenden Rentenbetrags solle im Wege der externen Teilung des Beamtenanrechts ein Anrecht zugunsten der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet werden. 

Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. 

Auch der mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde angerufene Bundesgerichtshof folgt der Rechtsauffassung des Ehemannes nicht. Es gebe keine Kontrahierungspflicht zum Abschluss einer Scheidungsfolgenvereinbarung zu vom anderen Ehegatten einseitig vorgegebenen Bedingungen. Auch die nacheheliche Solidarität verpflichte einen Ehegatten nicht, den anderen vor den gesetzlich gewollten Scheidungsfolgen zu bewahren. 

Der Verlust An Rechten in dem einen und Neubegründung in einem anderen Versorgungssystem sei strukturelle Folge und zudem ein zentrales Element des reformierten Versorgungsausgleichsrechts. 

Hinzu kommt, dass die berufsständische Versorgung der Ehefrau nicht intern geteilt würde, sondern ihr in voller Höhe verbliebe, im Gegenzug jedoch die Höhe des für sie nach § 16 VersAusglG im Wege externer Teilung zu begründenden Anrechts der gesetzlichen Rentenversicherung geringer ausfiele. 

Wegen der Verschiedenartigkeit der im gesetzlichen Wertausgleich abgegebenen und erworbenen Anrechte wäre die Verrechnungsvereinbarung für die Ehefrau nicht als ergebnisneutral, denn sie kann ein Interesse daran haben, auf Kosten ihrer berufsständischen Anrechte zusätzliche Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung zu erwerben. 

Zwar ist umstritten, ob ein Landesbeamter den Abschluss einer solchen Verrechnungsvereinbarung von seinem gesetzlich rentenversicherten Ehegatten verlangen kann. Soweit dies teilweise bejaht wird, weil dem Ehegatten dadurch keine Nachteile entstünden, während sich die Position des verbeamteten Ehegatten ohne die Verrechnung verschlechtern würde, überzeugt dies dennoch nicht. 

Denn es erscheint umgekehrt bereits zweifelhaft, ob dem ausgleichsverpflichteten Landesbeamten bei Durchführung des Versorgungsausgleichs nach den gesetzlichen Regelungen ein finanzieller Nachteil entsteht oder droht, zu dessen Abwendung der andere Ehegatte aus Gründen der nachehelichen Solidarität verpflichtet sein könnte.

Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung und Anrechte der Beamtenversorgung unterscheiden sich sowohl in der Struktur und Finanzierung als auch im Leistungsspektrum und in der Wertentwicklung wesentlich voneinander, sodass die Verrechnung auf Basis der Kapitalwerte zwar zur Beförderung von Vereinbarungen gem. § 6 VersAusglG durchaus möglich ist, es sich aber gleichwohl lediglich um Hilfsgrößen handelt. 

Auf Praktikabilitätserwägungen braucht sich ein Ehegatte im Rahmen von Verhandlungen über den Abschluss einer Saldierungsabrede aber nicht einzulassen. Angesichts der Verschiedenartigkeit der Anrechte muss es dem gesetzlich versicherten Ehegatten im Rahmen seiner verfassungsrechtlich geschützten Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) vor dem Abschluss einer Vereinbarung nach § 6 VersAusglG grundsätzlich unbenommen bleiben, sich gegen eine Verrechnung zu entscheiden.

Für die Praxis ist die Entscheidung, die an mehrere obergerichtliche Beschlüsse anknüpft, durchaus relevant, da der verbeamtete Ehegatte regelmäßig daran interessiert ist, durch die Verrechnung mehr von seinen als hochwertiger angenommenen Anrechten zu behalten und statt dessen auf den „Rückausgleich“ anderer Anrechte zu verzichten. 

Weil der Ausgleichsberechtigte auch kein Anrecht in der Beamtenversorgung erwirbt, sondern lediglich eines in der gesetzlichen Rentenversicherung, wird er die Zustimmung nur in begründeten Fällen – möglicherweise gelegentlich auch aus Trotz – verweigern. 

Es ist deshalb sinnvoll, frühzeitig alle zum Ausgleich anstehenden Anrechte zu untersuchen und Einigungsgespräche über geeignete Gestaltungen aufzunehmen. Traditionell wird trotz der mittlerweile mitzuteilenden Kapitalwerte die wirtschaftliche Bedeutung des Versorgungsausgleichs unterschätzt und die Möglichkeit von Vereinbarungen selten genutzt. Dies kann sich später im Rentenfall durchaus spürbar nachteilig auswirken. 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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