BGH: Verspätungshaftung im Seefrachtrecht

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seiner Entscheidung vom 20. April 2023 einen wichtigen Sachverhalt betreffend die Verzugshaftung des Verfrachters im Seetransport geklärt. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob eine Mahnung vor Fälligkeit der Leistung den Verzugseintritt begründen kann oder ob sie entbehrlich ist, wenn bereits klar ist, dass die Leistung nicht rechtzeitig erbracht werden kann.


Der Sachverhalt


Der BGH beurteilte einen Fall, in dem die Klägerin als Transportversicherer für einen Automobilzulieferer S tätig war. Die Beklagte, ein Logistikunternehmen, hatte gemäß einem Rahmenvertrag die Verpflichtung, Produktionsteile für Cockpits von Europa nach Mexiko zu transportieren. Der Streitpunkt entstand, als die Beklagte die vereinbarten Lieferzyklen nicht einhielt, und der Automobilzulieferer S alternative Verschiffungsoptionen forderte.


Die Entscheidung


Der BGH sprach der Klägerin den geltend gemachten Verzugsschaden zu, obwohl keine verzugsbegründende Mahnung nach § 286 Abs. 1 S. 1 BGB vorlag. Nach dem BGH lagen jedoch besondere Gründe vor, die eine Mahnung nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB entbehrlich machten.


Anwendung der schuldrechtlichen Vorschriften


Der BGH stellte fest, dass die allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften zur Verzugshaftung gelten, da das Seefrachtrecht keine speziellen Regelungen für den Verzug der Beförderung vorsieht. Des Weiteren führte das Gericht aus:


„Erklärt der Schuldner noch vor Fälligkeit, dass er nicht rechtzeitig leisten könne, würde es eine reine Förmelei darstellen, den Eintritt des Verzugs von einer Mahnung des Gläubigers nach Fälligkeit abhängig zu machen, der der Schuldner seinen Erklärungen zufolge ohnehin nicht Folge leisten kann. In einem solche Fall ist eine Mahnung nach Fälligkeit entbehrlich.“


Fazit


Die Gerichtsentscheidung zielt darauf ab, den Eintritt des Verzugs nicht ausschließlich von einer Mahnung nach Fälligkeit abhängig zu machen, wenn der Schuldner bereits vor Fälligkeit klar gemacht hat, dass er die Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann. Diese Sichtweise soll verhindern, dass der Verzugseintritt auf rein formale Anforderungen gestützt wird und ermöglicht eine situationsgerechtere Betrachtung bei unvorhergesehenen Hindernissen im Verlauf der Vertragserfüllung.



Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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