Boris Becker zahlt 450.000 Euro und ist schuldenfrei. Wie wäre dies in Deutschland ?

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Boris Becker war insolvent. Sein Insolvenzverfahren lief in England. Wegen Verschleierung der Vermögensverhältnisse vor dem Insolvenzverwalter wurde er von einem englischen Gericht wegen Bankrotts zu einer Haftstrafe verurteilt.  Durch die Einigung mit dem Insolvenzverwalter und einer Zahlung von 450.000 Euro kann er sein Insolvenzverfahren trotzdem vorzeitig ab-schließen - so ein Bericht in Fokus vom März 2024.  Normalerweise wäre das Verfahren bis 2031 gelaufen, aber die Regelung des britischen Insolvenzrechts zur "Entlassung aus der Insolvenz" ermöglicht ihm einen finanziellen Neustart. Er darf allerdings in Großbritannien nicht als Geschäftsführer tätig sein und unterliegt erweiterten Bedingungen für Bankkredite. Diese Restriktionen gelten bis zum 16. Oktober 2031.

In Deutschland dauerte zu Beginn der Insolvenzrechtsreform ein Insolvenzverfahren noch 7 Jahre bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung, berechnet ab Einstellung des Insolvenzver-fahrens; das dauerte also früher bis zu 10 Jahre bis zum schuldenfreien Neustart.

Ab 2014 konnten insolvente Personen schon nach drei statt nach sechs Jahren von ihren Schul-den befreit werden und die Restschuldbefreiung erlangen. Voraussetzung war allerdings, dass mindestens 35 Prozent der Gläubigerforderungen und die Verfahrenskosten beglichen werden können. Die Neuregelung galt für alle Neuanträge ab Juli 2014.
Dies hat sich in 2020 geändert: Für alle insolventen natürliche Personen gilt seitdem die 3 -Jahr-esregel bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung. Dies gilt für Handwerker, Kaufleute, Selbständige, Unternehmer - aber auch für Verbraucher und ehemalige Selbständi-ge, Kaufleute oder Unternehmer. Wer Verbraucher ist, hat nach wie vor die Obliegenheit und die Chance einer Schuldenbereinigung außerhalb eines Insolvenzverfahrens mittels Schuldenregu-lierungsverfahren.  Der Verbraucher muss daher einen Versuch vornehmen, um sich mit allen Gläubigern zu verständigen. Ohne diesen Versuch, darf er gar keinen Insolvenzantrag stellen. Das Verfahren kann theoretisch in 2 bis 6 Monaten abgeschlossen werden.

Außergerichtliches Schuldenregulierungsverfahren bei einem Verbraucher

Bei einem außergerichtlichen Schuldenregulierungsverfahren werden alle Gläubiger von einem Anwalt oder der Schuldnerberatung angeschrieben und ein Einigungsvorschlag unter-breitet. Es müssen alle Gläubiger dem vom Schuldner unterbreiteten Einigungsvorschlag zustimmen. Wenn ein Gläubiger dem außergerichtlichen Vorschlag widerspricht, ist das außergerichtliche Schulden-regulierungsverfahren gescheitert. Wenn jedoch auf Grund der Antworten der Gläubiger erkenn-bar ist, dass die Mehrheit der anderen Gläubiger dem Schuldenregulierungs-vorschlag zugestimmt, eröffnet sich die Chance über das gerichtliche Schuldenregulierungsverfahren. Bei diesem können einzelne ablehnende Gläubiger mit ihrer Zustimmung durch das Gericht „ersetzt" werden.


Gerichtliches Schuldenregulierungsverfahren bei einem Verbraucher

Ablehnende Gläubiger können, wenn Sie durch den Plan nicht benachteiligt werden, über-stimmt werden. Dies erfolgt außerhalb eines eröffneten Insolvenzverfahrens. Jedoch ist bei erforderlicher Überstimmung ein Beschluss des Gerichts erforderlich. Nur die beteiligten Gläubiger müssen informiert werden.

Insolvenzplan als Chance bei Unternehmern, Kaufleuten, Handwerkern ua

Wenn ein Unternehmer/Kaufmann/ Handwerker/ Selbständiger insolvent ist, gibt es kein gesetzlich normiertes außergerichtliches oder gerichtliches Schuldenregulierungsverfahren. Es gibt im  Falle einer Insolvenz nur eine normales Regelinsolvenzverfahren. Auch hier tritt - wenn man alles richtig beantragt und angibt- die Restschuldbefreiung nach 3 Jahren ein. Als Sa-nierungsmöglichkeit bzw. Abkürzung gibt es hier einen Insolvenzplan, bei dem das Regel-insolvenzverfahren abweichend vom Normalverlauf durch einen Plan beendet wird.Ziel des Planes ist es, die Gläubiger schneller und besser zu bedienen als im Regelfall.Mit dem Insol-venzplanverfahren kann ein Insolvenzverfahren daher deutlich schneller als in 3 Jahren abgeschlossen werden.  Manchmal macht die Abkürzung allein deshalb Sinn, damit der Unternehmer weiter arbeiten kann und nicht ins bodenlose fällt.


Forderungen aus unerlaubter Handlung ?

Wer aber im Rahmen seiner Verschuldung Gläubiger vorsätzlich geschädigt hat, wird keine Restschuldbefreiung erlangen. Hier hat der Gesetzgeber Hürden für unredliche Schuldner eingebaut. Diese Forderungen sind im Normalfall von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen. Es gibt für solche Fälle, wo eine vorsätzlich unerlaubte Handlung im Raum steht, nur noch die Möglichkeit einer Einigung mit dem betroffenen Gläubiger oder die Erstellung und Vorlage und Bestätigung eines Insolvenzplanes, in dem ausführlich dargestellt wird, was mit allen Gläubigern - auch denen mit Forderungen aus unerlaubter Handlung passieren soll. Wenn die Gläubiger bei der Abstimmung über den Plan mehrheitlich dem Plan zustimmen, dann gilt er für alle.

FAZIT: 
Der insolvente Verbraucher und der insolvente Unternehmer oder Selbständige haben in Deutschland die Möglichkeit innerhalb von 3 Jahren schuldenfrei zu sein. Bei einem Erfolg im außergerichtlichen Schuldenregulierungsverfahren geht das für Verbraucher noch viel schneller- im Schnitt 6 Monate. Mit einem Insolvenzplan können insolvente Kaufleute, Handwerker, Unternehmer, Selbständige - die also keine Verbraucher sind - saniert werden. Nach meinen Erfahrungen dauert das allerdings mindestens 1 Jahr und die Planerstellung verursacht nicht unerhebliche Kosten. Das Insolvenzplanverfahren ist kein Verfahren für den Normalfall.- es wäre ein Fall für Boris Becker gewesen. 


Im Fall Becker hätte Herr Becker also auch in Deutschland eine Einigung und Schuldenbefreiung erzielen können- mittels Insolvenzplan.   Dazu hätte er nicht nach England gehen müssen.


WENN SIE FRAGEN HABEN - MELDEN SIE SICH 

Hermann Kulzer MBA
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht 


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