Brauche ich einen Strafverteidiger und wenn ja, welchen?

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Sollte sich ein Strafverfahren anbahnen, ist man stets gut beraten, sich einen Strafverteidiger als Expertenbeistand dazu zu holen. Strafverteidiger sind Anwälte im Strafrecht, die den Beschuldigten vor den entsprechenden Vorwürfen verteidigen und ihn beraten.

Gem. §137 StPO hat man als Beschuldigter das Recht, in jeder strafrechtlichen Verfahrenslage einen solchen Anwalt hinzuzuziehen. Sie müssen also nie schutzlos sein.


Doch welche Arten von Verteidigern gibt es nochmal?


Es gibt den sogenannten Wahlverteidiger und den sogenannten Pflichtverteidiger. Das sind keinesfalls zwei unterschiedliche Berufe, sondern zwei unterschiedliche Arten, wie und wann man sich einen Strafverteidiger nehmen kann bzw. muss.


Den Wahlverteidiger kann man sich nehmen, indem man mit diesem Anwalt einen Vertrag schließt. Hierbei wird das Anwaltshonorar konkret vereinbart und der Vertrag kann in aller Regel wie andere Dienstleistungsverträge gekündigt werden. Dadurch dass man die wirtschaftliche Ausrichtung des Mandats mitbestimmt, kann bei einem Wahlverteidiger eine gute Grundlage für eine intensive Zusammenarbeit gelegt werden. Diese Art von Verteidiger kann man sich quasi direkt von Beginn des Verfahrens (oder schon früher) freiwillig nehmen.


Dann gibt es noch den Pflichtverteidiger. Der Pflichtverteidiger ist kein Anwalt zweiter Klasse, der durch den Staat angestellt ist und herzlich wenig Lust auf die eigene Arbeit hat. Nein. Auch wenn das Vorurteil aus Übersee auch nach Deutschland geschwappt ist, so geben Sie mir kurz Zeit, zu erläutern, was ein Pflichtverteidiger tatsächlich ist:


Es gibt Konstellationen im Strafrecht, da kann man sich einen Anwalt freiwillig nehmen und jene, in denen man sich einen Anwalt nehmen muss. Wann Letzteres genau der Fall ist, steht in §140 StPO aufgelistet. Auf Juristendeutsch heißt das dann „notwendige Verteidigung“

Das sind regelmäßig die Fälle, die "nicht ohne" sind. Bei denen es um etwas geht bzw. der Vorwurf ein gewisses Gewicht hat. Beispielsweise alles, was nicht nur vor dem Einzelstrafrichter verhandelt werden würde, eine kompliziertere Sach-/Rechtslage hätte oder aus anderen Gründen, weswegen Sie sich nicht selbst verteidigen könnten. 

Können Sie noch folgen?

Liegt also ein solcher Fall der notwendigen Verteidigung vor UND Sie hatten sich bislang freiwillig keinen Wahlverteidiger hinzu geholt, dann erklären die Behörden einem im besten Fall, dass man aber einen Anwalt bräuchte. Als Beschuldigter bekommen Sie in der Regel dann spätestens mit der Anklageschrift diese Mitteilung:

„Ihnen ist ein Pflichtverteidiger zu bestellen. Sie erhalten Gelegenheit, binnen einer Woche ab Zustellung dieses Schreibens einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens zu benennen.“

Die Bestellung eines Pflichtverteidigers bedeutet, dass es einen Anwalt geben muss und die Verbindung zwischen Anwalt und Mandanten durch gerichtlichen Beschluss hergestellt und gewahrt wird. Beide Parteien sind also nicht kraft Vertrages verbunden, sondern durch diesen gerichtlichen Zusammenschluss. Ein Pflichtverteidiger kann dabei jeder Strafverteidiger sein. Dazu braucht es keine andere Qualifikation oder gar eine Anstellung beim Staat. Nein. Pflichtverteidiger sind jede unabhängigen Anwälte der freien Wirtschaft, die kraft Gerichtsbeschluss an die Seite des Mandanten geheftet werden. (Nahezu) Jeder Strafverteidiger übernimmt im Regelfall in seinen alltäglichen Geschäften sowohl Mandate mit Pflichtverteidigungen als auch mit Wahlverteidigungen. 

Also nochmal: Die Pflichtverteidigung wird dann angesetzt, wenn Beschuldigte spätestens zur Eröffnung des Hauptverfahrens noch unverteidigt sind. 

Der Vorteil dieser Pflichtverteidigung wäre einerseits, dass die Kosten des Anwalts zunächst vom Staat übernommen werden. Dieses Honorar würde der Staat dann im Falle einer Verurteilung vom Angeklagten zurückfordern. Andererseits bedeutet eine Beiordnung auch, dass dem Anwalt erstmal nur die reduzierten Rechtsanwaltsgebühren zustünden und dies regelmäßig nur schwerlich kostendeckend ist. Der wirtschaftliche Arbeitsaufwand, der damit betrieben werden kann, hat also realistischerweise Grenzen. Da bei der Pflichtverteidigung jedoch auch zusätzliche Vergütungsvereinbarungen getroffen werden können, kann der wirtschaftlichen Schlechterstellung auf freiwilliger Basis entgegen gewirkt werden. Diese Möglichkeit wird auch regelmäßig so genutzt, um beiden Interessen zu begegnen.

Ebenfalls wäre bei der Pflichtverteidigung eine "Kündigung" (auf beiden Seiten) sehr erschwert, da ja kein Vertrag zugrunde liegt, sondern eine gerichtliche Entscheidung. Eine Entpflichtung ist nur in engen Grenzen möglich.

Welchen Anwalt Sie als Pflichtverteidiger bekommen, können Sie im Übrigen selbst mitbestimmen. Sie können entweder einen Anwalt Ihrer Wahl als Anwalt Ihres Vertrauens beim Gericht angeben lassen. Dieser wird dann beigeordnet. - Oder Sie machen gar nichts und lassen das Gericht für Sie irgendeinen Anwalt bestimmen. Letzteres ist offensichtlicherweise weniger zu empfehlen. Lassen Sie sich nicht die Chance nehmen, einen eigenen Anwalt zu bestimmen. Einen Anwalt, bei dem Sie das Gefühl haben, die Chemie könnte stimmen. 

Zusammengefasst ist ein Pflichtverteidiger also ein Anwalt, den man bekommt, wenn ein Fall des §140 StPO vorliegt und man sich zuvor nicht selbst einen Wahlverteidiger ausgesucht hat. Diesen bekommt man durch Gerichtsbeschluss und kann ihn auch selbst benennen (= Vertrauensanwalt).


"Vorrang der Wahlverteidigung"

Hatte man bereits einen Wahlverteidiger freiwillig hinzu gezogen und es entsteht die rechtliche Situation des Anwaltszwangs, versteht es sich von selbst, dass dann ja einen Anwalt hat und dem auch dann Genüge getan ist. Der Anwalt bleibt dann der eigene Wahlverteidiger und es wird Ihnen gerichtlich nicht einfach irgendein anderer Pflichtverteidiger beigeordnet. 


Bestellung des vorherigen Wahlverteidigers als Pflichtverteidiger

Nun darf in diesen Erläuterungen die Situation nicht ausgespart werden, in der man sich zuvor schon einen Wahlverteidiger genommen hat, Anwaltszwang nach §140 StPO besteht und man die Vorteile der Pflichtverteidigung nutzen möchte. Unter Aufgabe des zugrundeliegenden Vertrages - also der Wahlverteidigung - könnte sich der Anwalt in diesen Fällen auch als Pflichtverteidiger bestellen lassen.

Hierzu genügt es in aller Regel, wenn der Wahlverteidiger die Beiordnung sodann beantragt. Dies wird als konkludente Wahlmandatsniederlegung betrachtet.


Ablösung des Pflichtverteidigers durch einen Wahlverteidiger

§143a I 1 StPO gibt Ihnen zudem eine der wenigen Möglichkeiten, den Pflichtverteidiger zu wechseln. Dies wäre in diesem Fall dann möglich, wenn man diesen mit einem Wahlverteidiger ablöst - also einem Anwalt, den man dann doch selbst direkt bezahlt und ein Vertrag zugrunde liegt.


Pflichtverteidigung = Prozesskostenhilfe?

Pflichtverteidigung wird nur in den gesetzlich bestimmten Fällen des §140 StPO angeordnet. Bei diesen Gründen spielt die finanzielle Bedürftigkeit anders als bei der Prozesskostenhilfe (beispielsweise im Zivilrecht oder der Nebenklagevertretung) gerade keine Rolle.

Das bedeutet: Was, wenn ich kein Geld für einen Strafverteidiger habe?

Wenn man als Beschuldigter kein Geld für einen Anwalt hat, kann man darauf hoffen, dass andere Gründe für eine Pflichtverteidigung vorliegen und die Kosten des Anwalts somit zunächst vom Staat übernommen werden. Bei einer Verurteilung müssen diese Kosten dann zurück an den Staat gezahlt werden.

Wenn kein Fall der Pflichtverteidigung greift und man einen Anwalt nicht bezahlen kann, schließt im Regelfall kaum ein Wahlverteidiger mit jemandem einen Vertrag, welcher ohnehin nicht beglichen werden könnte. Dies dürfte aus anwaltlicher Sicht leider auch verständlich sein, da man für die eigene Arbeit ja bezahlt werden möchte. Eine frustrierende Situation für alle Beteiligten.

Dies führt dazu, dass viele Beschuldigte aus Armutsgründen unverteidigt bleiben, wenn ein Anwaltszwang gerade nicht besteht. Es wurden immer mal wieder Stimmen laut, dass die finanzielle Bedürftigkeit ebenfalls ein Grund der Pflichtverteidigung werden solle. Eine entsprechende Entwicklung bleibt abzuwarten. 


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