Bundesverfassungsgericht: Niedriger Lohn für Gefangene verfassungswidrig

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Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, dass der aktuelle Niedriglohn für Gefangene verfassungswidrig ist. Zwei Gefangene hatten in dieser Sache erfolgreich Verfassungsbeschwerden eingelegt.

Unzureichende Entlohnung: Ein Hemmnis für die Resozialisierung

Gefangene, die im Strafvollzug arbeiten, erhalten nach Meinung des BVerfG zu geringe Löhne. Laut dem Grundsatzurteil (Az. 2 BvR 166/16; 2 BvR 1683/17) vom 20. Juni 2023 erreicht die aktuelle durchschnittliche Vergütung von 1,37 Euro bis 2,30 Euro pro Stunde nicht die von den Ländern festgelegten Zwecke, wie Schadenswiedergutmachung oder Unterhaltszahlungen. Außerdem könne sich ein zu niedriger Lohn negativ auf den Resozialisierungsprozess auswirken, da die Gefangenen sich nicht genug wertgeschätzt fühlen könnten.

Bundesverfassungsgericht nimmt Lohnfrage erneut unter die Lupe

Das BVerfG hat sich zum ersten Mal seit 20 Jahren ausführlich mit der Frage der angemessenen Vergütung von Gefangenen beschäftigt. In zwei intensiven Verhandlungstagen im vergangenen Jahr haben die Karlsruher Richter die verschiedenen Aspekte der Gefangenenentlohnung analysiert.

Verfassungsbeschwerden: Anstoß zur Überprüfung der Löhne

Zwei Gefangene aus Bayern und Nordrhein-Westfalen haben durch ihre Verfassungsbeschwerden den Prozess der Lohnüberprüfung in Gang gesetzt.

Resozialisierungskonzepte: Höhere Standards erforderlich

Die Richter des BVerfG begründeten ihre Entscheidung mit dem großen Gewicht, das der Resozialisierung bei Freiheitsstrafen zukommt. Wenn ein Bundesland ein Resozialisierungskonzept einführt, muss dieses strenge Kriterien erfüllen. Arbeitsleistung muss angemessen anerkannt werden, um zur Resozialisierung beizutragen, entweder durch finanzielle oder andere Vorteile, wie beispielsweise Haftverkürzung.

Vergütungsziel und Resozialisierung: Ein klarer Zusammenhang

Die Gesetzgeber müssen klar definieren, welchen Zweck das Arbeitsentgelt verfolgen soll, und die Höhe des Lohns muss in der Lage sein, diesen Zweck zu erfüllen. "Das Erreichen der gesetzlich festgelegten Ziele darf angesichts der geringen Entlohnung von Gefangenenarbeit nicht unrealistisch sein", betont Prof. Dr. Doris König, Vorsitzende des zweiten Senats des BVerfG.

Resozialisierungskonzepte in Bayern und NRW unzureichend

Die aktuellen Resozialisierungskonzepte in Bayern und Nordrhein-Westfalen erfüllen laut dem BVerfG-Urteil nicht die gestellten Anforderungen. Ein solches Konzept kann nur dann zur Resozialisierung beitragen, wenn der Lohn für die Gefangenen verdeutlicht, dass Erwerbsarbeit zur Sicherung der Lebensgrundlage wichtig ist.

Ziele mit aktueller Vergütung "fernab der Realität"

Das bayerische Konzept, das Opferschutz in den Vordergrund stellt, erwartet von den Gefangenen, dass sie durch ihre Arbeit den durch ihre Straftat verursachten Schaden wiedergutmachen. Allerdings erscheint dies angesichts der niedrigen Löhne unrealistisch.

In Nordrhein-Westfalen dient die Vergütung zusätzlich zur Schadenswiedergutmachung der Unterstützung der Gefangenen, ihren Unterhaltspflichtigen gegenüber nachzukommen. Dieses Ziel ist jedoch mit dem derzeitigen Niedriglohn kaum erreichbar. Darüber hinaus sieht das nordrhein-westfälische Strafvollzugsgesetz vor, dass Gefangene für bestimmte Leistungen, wie Gesundheitsleistungen oder Drogentests, finanziell aufkommen müssen. Wie sie diese Leistungen mit ihrem derzeitigen Einkommen erbringen sollen, ist für die Richter in Karlsruhe nicht nachvollziehbar.

Ihr Rechtsanwalt und Strafverteidiger

Christian Keßler

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