Bundesverfassungsgericht zur Mitgliedschaft ohne Tarifbindung in Arbeitgeberverbänden

  • 3 Minuten Lesezeit

(Stuttgart) Das Bundesverfassungsgericht hat soeben eine Entscheidung zur Mitgliedschaft ohne Tarifbindung in Arbeitgeberverbänden gefällt.

Darauf verweist der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn, Präsident des VdAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart unter Hinweis auf den am 14.12.2010 veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 01.12.2010 (1 BvR 2593/09).

Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine besondere Art der Mitgliedschaft von Unternehmen in Arbeitgeberverbänden, die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft). OT-Mitglieder können die Serviceleistungen und die Interessenvertretung des Verbandes in Anspruch nehmen, werden aber von der Tarifbindung nach § 3 Abs. 1 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) nicht erfasst. Das Bundesarbeitsgericht hat in einer früheren Entscheidung vom 18. Juli 2006 die Zulässigkeit der OT-Mitgliedschaft grundsätzlich anerkannt.

Die Beschwerdeführerin, ein Maschinenbauunternehmen, ist Mitglied eines Arbeitgeberverbandes, der in seiner Satzung die Möglichkeit einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung schuf. Danach sollten nur diejenigen Verbandsmitglieder an Verbandstarifverträge gebunden sein, die sich den vom Verband eingerichteten Fachgruppen angeschlossen hatten. In den Fachgruppen sollten die Arbeitsbedingungen in den angeschlossenen Betrieben durch Abschluss von Tarifverträgen geregelt werden. Außerdem regelte die Satzung einen so genannten Unterstützungsfonds, der den Verbandsmitgliedern die Durchführung von Arbeitsstreitigkeiten im Interesse des im Verband zusammengeschlossenen Berufsstandes ermöglichen sollte; an der Verwaltung des Fonds wurden auch die OT-Mitglieder des Verbandes beteiligt. Die Beschwerdeführerin gehörte ursprünglich der Fachgruppe Metall an, die wiederum Mitglied des Gesamtverbandes Metall NRW war. Nach Kündigung ihrer Mitgliedschaft in der Fachgruppe vereinbarte die Beschwerdeführerin mit dem Kläger des Ausgangsverfahrens eine Erhöhung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich. Nachdem der Kläger der IG Metall beigetreten war, verlangte er von der Beschwerdeführerin eine Lohnabrechnung auf der Grundlage des zwischen der IG Metall und dem Gesamtverband Metall NRW geschlossen Manteltarifvertrages und klagte auf Bezahlung der sich danach ergebenden Lohndifferenz.

Das Bundesarbeitsgericht gab seiner Klage statt. Die Satzung des Arbeitgeberverbandes weise nicht die koalitionsrechtlich gebotene eindeutige Trennung zwischen Mitgliedern mit und ohne Tarifbindung auf mit der Folge, dass der Austritt aus der Fachgruppe nicht zum Wegfall der Tarifgebundenheit geführt habe. Die Beschwerdeführerin sieht sich durch diese Entscheidung in ihrer Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG und ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit verletzt.

Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat, so Henn.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Es kann dahinstehen, ob durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in die Berufsfreiheit und/oder die Koalitionsfreiheit der Beschwerdeführerin eingegriffen wird, da diese Eingriffe jedenfalls verfassungsrechtlich gerechtfertigt sind.

Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie, die das Bundesarbeitsgericht zur Rechtfertigung der Notwendigkeit einer eindeutigen Trennung zwischen der Mitgliedschaft mit und ohne Tarifbindung herangezogen hat, stellt einen Belang von Verfassungsrang dar. Die Tarifautonomie ist darauf angelegt, die strukturelle Unterlegenheit der einzelnen Arbeitnehmer beim Abschluss von Arbeitsverträgen durch kollektives Handeln auszugleichen und damit ein annähernd gleichgewichtiges Aushandeln der Löhne und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. Durch eine Einflussnahme nicht tarifgebundener Mitglieder auf Entscheidungen des Arbeitgeberverbandes kann das für das Zustandekommen eines interessengerechten Tarifvertrages erforderliche Verhandlungsgleichgewicht strukturell gestört sein. Nur wenn das Vorgehen des Arbeitgeberverbandes bei Tarifvertragsverhandlungen und im Arbeitskampf nicht von einer Gruppe von Mitgliedern mitbestimmt wird, die eine Tarifbindung für sich generell ablehnen, kann typischerweise ausgeschlossen werden, dass sich der Verband von sachfremden Einflüssen leiten lässt und die Tarifvertragsverhandlungen zu nicht sachgerechten Ergebnissen führen.

Die Beschwerdeführerin wird durch die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Anforderungen an die Trennung der Mitgliedschaftsbereiche im Arbeitgeberverband nicht unzumutbar belastet. Denn die Möglichkeit der Mitwirkung der OT-Mitglieder im Arbeitgeberverband ist nur in dem Umfang eingeschränkt, der erforderlich ist, um sachfremde Einflüsse auf Tarifverhandlungen und Tarifergebnisse auszuschließen. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das Bundesarbeitsgericht für die Beurteilung der Trennung der Mitgliedschaftsbereiche allein auf die Regelungen der Satzung des Verbandes abgestellt und angesichts der satzungsmäßigen Möglichkeit der Einflussnahme der OT-Mitglieder auf Entscheidungen über den Unterstützungsfonds als Mittel des Arbeitskampfes eine hinreichende Trennung der Mitgliedschaftsbereiche verneint hat. Der Beschwerdeführerin bleibt die Möglichkeit der OT-Mitgliedschaft für die Zukunft grundsätzlich erhalten, sofern der Arbeitgeberverband seine Satzung den Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts anpasst.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Dr. Gaupp & Coll. Rechtsanwälte

Beiträge zum Thema