Cannabis u. Führerschein: VG Minden/OVG NRW heben Entziehung der Fahrerlaubnis auf - rechtswidrige MPU Fragestellung!

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MPU Anordnungen und die Verhältnismäßigkeit der Fragestellung - verwaltungsrechtlicher Notausgang in vermeintlich aussichtlosen Situationen - Sonderfall: Der Duden als Wegbereiter im Verfahren vor dem OVG NRW

Heute wieder einmal im Fokus: 

Die Frage nach dem "sicheren Führen" eines KFZ.  Zudem: Die "und / oder" Konjunktion in behördlichen Fragestellungen als Mittel zum Zweck (=Führerschein zurück!).

Zum Tagesgeschäft gehört es hier, die Rechtmäßigkeit von behördlich angeordneten Gutachten zu überprüfen (ärztliches Gutachten / MPU). 

Finden sich hier Fehler, kann der Führerschein oft mittels rechtlich zulässigen "Zeitspiels" solange gegen die nicht selten "etwas" übereifrigen Behörden verteidigt werden, bis man genug Abstinenznachweise sammeln konnte, um eine MPU zu bestehen.

Wenn die Behörden nicht einlenken, helfen dann die Verwaltungsgerichte weiter, damit Betroffene verhältnismäßig schnell wieder den Führerschein in der Tasche haben.

Wie ich bereits hier erklärt habe, muss ein rechtswidrig angeordnetes Gutachten nicht abgegeben werden und eine auf der Nichtvorlage eines rechtswidrigen Gutachtens beruhende Entziehung der Fahrerlaubnis ist ebenfalls rechtwidrig.

Will heißen: 

Die Fragestellung im Rahmen der Anordnung einer MPU / eines äG entscheidet nicht nur im Zweifel darüber, ob der Führerschein gerettet werden kann, wenn der Betroffene das Gutachten nicht vorlegen kann oder will (etwa weil da paar nicht so hilfreiche Infos drinstehen).

Ebenfalls wurde schon dargestellt, dass in der Anordnung einer Begutachtung nur nach dem Mangel gefragt werden darf, mit dem ein Betroffener im Verkehr auffällig geworden ist (sog. "Anlassbezogenheit").

Erschöpft sich der Inhalt der Fahrlaubnisakte in einem erstmaligen Trennungsversagen in Sachen THC so war rechtmäßige Fragestellung nach alter Rechtslage wäre (so oder sehr ähnlich): 

"Kann der Betroffene künftig  den Konsum von Cannabis und das Führen eines KFZ trennen?"

So einfach ist das. Eigentlich jedenfalls.

Nach neuer Rechtslage wäre rechtmäßige  Fragestellung:

"Kann der Betroffene das Führen von Fahrzeugen und einen Cannabiskonsum mit nicht fernliegender verkehrssicherheitsrelevanter Wirkung beim Führen eines Fahrzeugs können nicht hinreichend sicher trennen?"

Steht so in der Anlage 4 Nr. 9.2.1 FeV - diese Nonsens Formulierung stammt nicht von mir. Man hätte auch bei der alten Fragestellung bleiben und einfach den neuen Grenzwert von 3,5 ng/ml THC darauf anwenden sollen - aber back to topic:

Rechtmäßige Fragestellungen zu verfassen, ist also dem Grunde nach kein Hexenwerk.

Aber die Fahrerlaubnisbehörde variieren da gerne aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen - droht hier doch immer das Risiko, deshalb vor Gericht Schiffbruch zu erleiden.

Eine Mandantin wurde am 21.10.2023 mit 2,2 ng / ml THC und 13,2 ng/ml THC COOH am Steuer erwischt. Bei der Kontrolle ergaben sich keine Anhaltspunkte, dass die Mandantin Probleme mit der allgemeinen Leistungsfähigkeit haben könnte. Auch Verdachtsmomente für den Konsum anderer Drogen ergaben sich nicht.

Die Fahrerlaubnisbehörde der Stadt Bielefeld erließ dann eine MPU Anordnung mit folgender Fragestellung:

"Ist zu erwarten, dass der (sic!) Untersuchte zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von berauschenden Mitteln (Cannabis) führen wird und/oder liegen als Folge des Konsums von berauschenden Mitteln (Cannabis) Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen von Kraftfahrzeugen ausschließen?"

Die Mandantin legte die MPU aus Gründen nicht vor. Meine Hinweise auf die Rechtswidrigkeit der Fragestellung hinsichtlich des "sicheren Führens" verhalten ungehört bzw  wurden mit unerhörten Argumenten als irrelevant abgetan. 

Es folgte dann die Entziehung der Fahrerlaubnis. Und diese ist nicht gottgegeben im Bestand, sondern unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung. 

Den Antrag auf einstweilige Anordnung (=Eilrechtsschutz) entschied das mit der Sache befasste Verwaltungsgericht Minden wie folgt:

Das bedeutet übersetzt: Die Mandantin durfte mit sofortiger Wirkung wieder fahren. 

Zur Begründung für das VG Minden aus:

(...)

(...)

(...)

Hiergegen legte die Stadt Bielefeld Berufung ein vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen. Hierüber war ich einigermaßen überrascht, da die "Ansage" des VG Minden doch recht deutlich war:

Zur Begründung führte die Stadt Bielefeld sinngemäß aus, dass die Sache mit der "und/oder" Konjunktion vom VG Minden falsch verstanden worden sei - hier der O-Ton:

(...)

(...)

Ich bin nach solchen Vorträgen immer nahe dran, mir erstmal eine IBU einpfeifen zu müssen, da ich solche Begründungen wider dem logischen Sprachverständnis irgendwie nicht offen genug gegenüber bin (=Berufskrankheit).

Ich habe dem OVG gegenüber daher recht knapp zu  verstehen gegeben, dass ich beantrage, den Antrag der Stadt Bielefeld abzulehnen und ihr die Kosten aufzuerlegen. Sonst hätte ich zur Sache nichts neues hinzuzufügen und bat um Entscheidung.

Diese las sich dann so:

Zur Begründung wurde der Stadt Bielefeld unter Verweis auf den Duden dann folgende Einschätzung mitgeteilt:

(...)

(...)

Es kommt selten vor, dass der Duden eine Fahrerlaubnis rettet. Hier liegt ein solcher Fall vor. 

Was soll man sagen? Der Teufel steckt hier im Detail - in der Frage, wie eine "und / oder" Konjunktion zu deuten sei.

Die Fahrerlaubnisbehörden versuchen es wirklich oft auf Biegen und Brechen  - das kann man nicht anders sagen. 

Häufig hängen ganze Existenzen an solchen Details. Kann man sich nicht ausdenken.

Wenn Sie Fragen zu dem Fall haben sollten oder eine rechtliche Einschätzung Ihres Falles brauchen, nehmen Sie gerne mit mir Kontakt auf:

Rechtsanwalt Björn Schüller 

Fon: 0421 40 898 364

Mobil: 0157 82 77 39 34 (auch per WhatsApp)

Mail: kontakt@strafverteidiger-schueller.de


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