Cannabis MPU: Falsche Fragestellungen als Rettung bei Fristproblemen wg Abstinenz - "sicheres Führen/BTM" VG München

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Cannabis MPU - über rechtswidrige Fragestellungen in MPU Anordnungen als fahrerlaubnisrechtlicher Rettungsanker für die Betroffenen bei Fristproblemen

Die Vorlagefrist für die MPU reicht nicht aus, um genug Abstinenznachweise beizubringen für eine positive Begutachtun und Sie haben Angst vor dem Verlust der Fahrerlaubnis?

Hier kann eine rechtswidrige Fragestellung in der MPU Anordnung der Behörde der Hebel sein, u, die Fahrerlaubnis über die Zeit zu retten oder über ein Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht zu sorgen, die Fahrerlaubnis nur ca. 1 - 2 Monate weg ist!

Es handelt sich um ein klassisches Problem:

Nach einer Fahrt unter Wirkung von Cannabis ordnet die Fahrerlaubnisbehörde eine MPU an und bestimmt  eine Vorlagefrist von 2 - 3 Monaten.

Das Problem ist aber, dass in der Regel für eine positive Cannabis MPU mindestens 6 Monate Abstinenznachweise (Hypothese D3 / BUK) erforderlich sind. 

Hierzu ein Beispiel aus meinem Fundus:

Ein Mandant aus München wurde 2023 beim Führen eines KFZ unter Wirkung von Cannabis erwischt.

Der THC Wert betrug 5,2 ng / ml und der THC COOH Wert 58 ng / ml.

Die Fahrerlaubnisbehörde ordnete dann eine MPU an.

In der Fragestellung tauchte wie so oft die Frage nach dem "sicheren Führen eines KFZ" (oft verwendete Variation: "Liegen bei dem Untersuchten wegen des Konsums Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines KFZ in Frage stellen?") auf und es wurde nach nach Betäubungsmitteln generell gefragt, obwohl der Betroffene nur mit Cannabis auffällig wurde (der Fall ist aus 2023, damals war Cannabis noch BtM).

Konkret las sich das so:

Die Fragestellungen in MPU Anordnungen sind immer genauestens auf die Verhältnismäßigkeit (sog. "Anlassbezogenheit") zu überprüfen.

Rechtmäßig sind demnach MPU Fragestellungen nur dann, wenn die Fragestellung in der MPU Anordnung auch vom konkreten Sachverhalt gedeckt sind. 

Das heißt im hier vorgestellten Fall:

Es müssten dem Sachverhalt Hinweise zu entnehmen sein, dass die dauerhafte Leistungsfähigkeit des Betroffenen durch einen massiven Cannabis Konsum unter das notwendige Leistungsniveau gefallen ist. Und das ist nur bei exzessiven Konsum anzunehmen (salopp gesagt: Wenn die Hardware durch hartes jahrelanges Dauerkiffen schon amtlich einen weggekriegt hat).

Das Bundesverfassungsgericht hat hinsichtlich der sich aus Cannabiskonsum ergebenden Zweifel an der Fahreignung festgestellt, dass nur in Ausnahmefällen,in denen über eine längere Zeit erheblicher Cannabis Missbrauch betrieben wird, eine dauerhafte fahreignungsrelevante Absenkung der körperlich- geistigen Leistungsfähigkeit des Konsumenten erfolgen kann (Bundesverfassungsgericht, Beschl. v. 20. Juni 2002 - Az.: 1 BvR2062/96).

Weiter wird in dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts festgestellt:

In den - zahlenmäßig überwiegenden - übrigen Fällen besteht nach heutiger Erkenntnis in aller Regel kein Anlass zu der Befürchtung, dass der Konsum von Cannabis / Haschisch bei den Betroffenen zu einer permanenten fahreignungsrelevanten Absenkung ihrer körperlich- geistigen Leistungsfähigkeit führt (vgl. etwa Berghaus, Gutachten, a.a.O.; Kleiber, in: Schneider/Buschkamp/Follmann, Cannabis -eine Pflanze mit vielen Facetten -, 2000, S. 11 <17>)“ (Bundesverfassungsgericht, Beschl. v. 20. Juni 2002 - Az.: 1 BvR 2062/96).

Hinweise auf einen solche aus dem Ruder gelaufenen Konsum waren dem Sachverhalt aber nicht zu entnehmen - mir ist offen gesagt auch unklar, wie die konkret aussehen sollen.

Das Bayerische VG München führte in einem von mir geführten Eilrechtsverfahren dazu treffend aus:

"Zu klären ist nach den rechtlichen Grundlagen immer nur die jeweilig in Erscheinung getretene Problematik. Diese lag beim Antragsteller im gelegentlichen Cannabiskonsum und dem erstmaligen Trennungsverstoß."

So einfach ist das.

Ein absoluter Klassiker ist bei Cannabis MPU´s auch die Frage, ob zu erwarten ist, dass der Betroffene künftig unter Einfluss von Betäubungsmitteln (häufig auch in Variationen ergänzt durch psychoaktive Substanzen und Medikamente) ein KFZ führen wird.

Wir erinnern uns: 

Anlassbezogen ist nur die Frage nach der Substanz, mit der ein Betroffener aufgefallen ist am Steuer. Also (und jetzt wird es zwingend logisch, liebe Freunde der zwingenden Logik) durfte auch nur nach Cannabis gefragt werden.

Nach Trennungsvermögen hinsichtlich BtM generell (also allen Substanzen, die in den Anlagen I - III BtMG gelistet sind - und das ist ein ganzer Haufen) durfte warum nicht gefragt werden?

Weil der Betroffene nicht mit allen BtM auffällig geworden ist (was selbst die Hochleistungspolytoxikologen unter meinen Mandanten nicht zu schaffen vermögen), sondern nur mit Cannabis. Eigentlich nicht so schwer. Umso erstaunlicher ist, wie oft sich solche Fragestellungen auch nach der Legalisierung von Cannabis noch in MPU Anordnungen finden.

Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat jedoch eine paar sehr klare Juristen am Start und so liest man im gleichen Eilrechtsbeschluss:

Und weil dieser Text hier ja irgendwie auch so eine Art Werbung ist und jedenfalls ein bißchen Eigenlob die Motivation hochhält: Die dort genannten Beschlüsse der VG Karlsruhe und Schleswig Holstein betrafen auch Mandanten von mir. 

Werbung Ende - weiter im Text:

Der Mandant konnte die MPU nicht vorlegen, weil er nicht genug Abstinenznachweise vorlegen konnte.

Im Anhörungsverfahren vor Entziehung der Fahrerlaubnis (nach Ablauf der  Vorlagefrist entzieht die Behörde nicht automatisch die Fahrerlaubnis, sondern schaltet immer ein Anhörungsverfahren vor und setzt eine letzte Frist, idR  1 - 2 Wochen) wurden der Behörde dann die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anordnung mitgeteilt.

Taktisch betrachtet ist das der richtige Zeitpunkt, um auf die Mängel in der Anordnung hinzuweisen.  Auch das ist logisch,  da es ja darum geht, möglichst viel Zeit zu gewinnen und die Vorlagefrist für das rechtswidrige Gutachten praktisch auszuschöpfen. 

Oft heben dann die (einsichtigen) Behörden die MPU Anordnungen auf und erlassen neue - mit neuer Fristsetzung. Und dann ist man schnell bei 6 Monaten Zeit und das reicht oft bei einer Cannabis MPU (jedenfalls dann, wenn man in Sachen Vorbereitung richtig beraten wurde).

Der Hintergrund ist klar: 

Niemand muss ein rechtswidrig angeordnetes MPU Gutachten vorlegen und die Nichtvorlage dieses Gutachtens rechtfertigt nicht die Entziehung der Fahrerlaubnis.

Entzieht die Behörde dann trotzdem die Fahrerlaubnis, dann legt der Rechtsanwalt Widerspruch gegen die Entziehung der FE ein oder erhebt Klage direkt vor dem Verwaltungsgericht gegen die Entziehung. 

Da hierdurch die Fahrerlaubnis nicht automatisch wieder auflebt, muss noch ein Eilantrag gestellt werden (sog. "Antrag auf einstweilige Anordnung").

Gibt das Gericht diesem Antrag statt, darf der Mandant wieder fahren und die Fahrerlaubnisbehörde darf dann eine neue MPU mit neuer Fristsetzung anordnen (und vielleicht soagr richtiger Fragestellung). 

Die dadurch gewonnene Zeit sorgt jedenfalls bei vielen Cannabis Fällen für ausreichend Luft in Sachen Abstinenznachweisen und in Nachgang damit für eine hohe Chance zum Bestehen der MPU.

So sieht das dann aus:

Die Fragestellungen im Rahmen von MPU Anordnungen sind sehr häufig rechtswidrig und deshalb ein probates Mittel, die Fahrerlaubnis entweder über die Zeit zu retten oder die Entziehung durch das Verwaltungsgericht schnell wieder kassieren zu lassen. 

Wenn Sie Fragen zu einem Verfahren haben und eine rechtliche Einschätzung wünschen, melden Sie sich gerne bei mir.

Foto(s): autor

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