“Containern” – Wie ist die Rechtslage? Bald sogar ein Fall für das Bundesverfassungsgericht?

  • 4 Minuten Lesezeit

Nachhaltigkeit und ein nachhaltiger Umgang mit unseren Ressourcen ist gegenwärtig in aller Munde. Um auf Lebensmittelverschwendung aufmerksam zu machen und ihr vorzubeugen, entstand in urbanen Gegenden das sogenannte „Containern”, auch Mülltauchen oder „Dumpster Diving”. Es bezeichnet die Mitnahme weggeworfener Lebensmittel aus Abfallcontainern, dies erfolgt in der Regel bei Abfallbehältern von Supermärkten oder Fabriken.

Anfang des Jahres erlangte diese Bewegung mediale Aufmerksamkeit, als zwei Studentinnen aus Olching am 30. Januar 2019 vom Amtsgericht Fürstenfeldbruck wegen Diebstahls verurteilt wurden (Az. 3 Cs 42 Js 26676/18). Sie hatten, wie für das Containern üblich, weggeworfene Lebensmittel aus einem versperrten Müllcontainer einer bekannten Supermarktkette geholt. Den Container hatten sie mithilfe eines mitgebrachten Werkzeuges geöffnet. Mit der Aktion wollten sie auch auf die tägliche Verschwendung von Lebensmitteln aufmerksam machen. 

Nach einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung landen allein aus Privathaushalten jährlich 4,4 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Es gibt Schätzungen, wonach es in Supermärkten insgesamt 18 Millionen Tonnen sein sollen. Die Studentinnen wollten dieses Urteil jedoch nicht hinnehmen und gingen in Revision.

Der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts

Diese hat der 6. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts jetzt jedoch mit Beschluss vom 2. Oktober 2019 verworfen und somit das Urteil des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck bestätigt. Das Urteil des Amtsgerichts ist damit rechtskräftig. Der Senat begründet wie folgt: Die entwendeten Lebensmittel standen zum Zeitpunkt der Wegnahme im Eigentum der Supermarktkette, unbeachtlich dessen, dass die Lebensmittel für die Abholung durch ein Entsorgungsunternehmen aussortiert worden waren. Die Lebensmittel wurden vor dem Zugriff Dritter geschützt, in einem abgesperrten Container auf dem Firmengelände aufbewahrt. Die Angeklagten durften also allein schon vom Anschein nicht davon ausgehen, dass ihnen die Mitnahme erlaubt war. 

Zudem führt der Senat weiter aus, habe die Supermarktkette für die gesundheitliche Unbedenklichkeit der wieder in Verkehr gebrachten Lebensmittel einzustehen. Diese Pflicht, die die Supermarktkette treffe, sei nicht außer Acht zu lassen. Die Lebensmittel wurden aussortiert, weil sie nicht mehr als verkehrsfähig angesehen wurden – die Verwahrung im verschlossenen Container erfolgte lediglich zur ordnungsgemäßen Entsorgung durch ein beauftragtes Unternehmen.

Die beiden Studentinnen haben auf diese Entscheidung mit großem Unverständnis reagiert. Die Anwälte der verurteilten Frauen wollen jetzt eine Verfassungsklage vor dem Bundesverfassungsgericht prüfen. Das Bayerische Oberste Landesgericht habe zwar mit der juristisch herrschenden Meinung, dass das Eigentum an wertlosen Lebensmitteln in Abfallcontainer eines Supermarktes fortbesteht, begründet, jedoch sei die Verurteilung wegen der Verletzung an festgestellt wertlosem Eigentum an durch einen Supermarkt weggeworfenen Lebensmitteln angesichts der täglichen Ressourcenvernichtung absolut unverständlich. (Das Amtsgericht Fürstenfeldbruck hatte die Geringwertigkeit der Lebensmittel im Container nach § 243 Abs. 2 StGB angenommen, sodass ein besonders schwerer Fall des Diebstahls ausgeschlossen wurde.)

Der Beschluss des Bundesrates

Auf politischer Ebene hat der Bundesrat am Freitag, den 11.10.2019 einen Vorstoß zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung abgelehnt, weil die erforderliche Mehrheit von 35 Stimmen nicht erreicht wurde. Der Entschließungsantrag von Bremen, Hamburg und Thüringen hat das Ziel, den Handel gesetzlich zu verpflichten, Lebensmittel an gemeinnützige Organisationen zu spenden, statt sie wegzuwerfen, wie dies beispielsweise in Frankreich seit 2016 bereits Pflicht ist. 

Ihrer Ansicht nach reicht das derzeit auf Freiwilligkeit basierende Spendensystem nicht aus, um bis 2030 die Lebensmittelverluste zu halbieren – so wie es der Koalitionsvertrag und die Agenda der Vereinten Nationen vorsehen. (Seit Februar 2016 ist es französischen Supermärkten mit einer Verkaufsfläche von mehr als 400 Quadratmetern verboten, Essen wegzuschmeißen. Stattdessen sind sie verpflichtet, mit Hilfsorganisationen zusammenzuarbeiten, um ihnen noch konsumierbare Lebensmittel mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum zur Verfügung zu stellen. Tun sie das nicht, drohen ihnen Strafen bis zu 3750 Euro pro Verstoß.)

Fazit 

Dass in Deutschland jährlich zahllose Lebensmittel weggeschmissen werden, steht fest. Wer aber diese Lebensmittel rettet, um sie selbst zu essen oder weiter zu teilen, macht sich strafbar. Zum einen kommt eine Strafbarkeit wegen Hausfriedensbruchs insbesondere bei der Überwindung eines körperlichen Hindernisses in Betracht – oder beim unberechtigten Betreten eingezäunter Grundstücke. Und zum anderen gilt das Nehmen von Nahrungsmittel aus Müllcontainern von Supermärkten und Fabriken, welche diese wegen abgelaufener Mindesthaltbarkeitsdauer oder Druckstellen weggeworfen haben, als Diebstahl. Eine politische Wende, die Supermärkte dazu verpflichten würde, solche Lebensmittel zu spenden, steht bisher nicht in Aussicht. 

Eine traurige Bilanz.

Bedauerlicherweise hat sich bislang der deutsche Gesetzgeber kein Beispiel an der Regelung einer sinnvollen Verteilung von Lebensmitteln in Tschechien genommen. In Tschechien müssen Lebensmittel, bei den das Haltbarkeitsdatum fast abgelaufen ist, an Hilfsorganisationen abgegeben werden, sodass sie auf diesem Wege geregelt zu den Hilfsbedürftigen gelangen. Bei Zuwiderhandlungen drohen Strafen bis zu 390.000 Euro.

Derzeit besteht somit in Deutschland die Gefahr, dass die Rettung von Lebensmitteln als eine strafbare Handlung betrachtet wird und daher trotz allem Unverständnis für die derzeitige Gesetzeslage davon dringend abzuraten ist. Bei Zweifelsfragen empfiehlt es sich bis auf Weiteres einen Rechtsanwalt zu konsultieren.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Prof. Dr. univ. Arsène Verny M.E.S.

Beiträge zum Thema

Ihre Spezialisten