Coronavirus in Polen trifft deutsche Unternehmen – Maßnahmenpaket der polnischen Regierung: Teil 1

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Coronavirus in Polen trifft deutsche Unternehmen – Übersicht über das Maßnahmenpaket der polnischen Regierung

Sehr geehrte Damen und Herren,

nachstehend präsentieren wir eine Übersicht über die wichtigsten Maßnahmen des Pakets von Gesetzen unter der Bezeichnung „polnisches Antikrisenpaket“, die durch das polnische Parlament am 31. März 2020 erlassen wurden („Gesetz”).

Arbeitsrecht

Wirtschaftliche Ausfallzeiten, verkürzte Arbeitszeit

Unternehmer, bei denen ein Rückgang des wirtschaftlichen Umsatzes von nicht weniger als 

  • 15 % innerhalb von 2 aufeinanderfolgenden Monaten nach dem 1. Januar 2020 im Vergleich zu gleichen Monaten im Jahr 2019 oder
  • 25 % von Monat zu Monat im Jahr 2020

verzeichnet wurde sind berechtigt, wirtschaftliche Ausfallzeit einzuführen oder Arbeitszeit zu verkürzen.

Unternehmer, die wirtschaftliche Ausfallzeit einführen oder Arbeitszeit verkürzen, können finanzielle Unterstützung für die Finanzierung der Vergütungen ihrer Arbeitnehmer aus dem Fonds für Garantierte Arbeitnehmerleistungen (poln.: Fundusz Gwarantowanych Świadczeń Pracowniczych, nachstehend „FGŚP“ genannt) beantragen. Finanzielle Unterstützung wird u. a. für Vergütungen an Arbeitnehmer und Auftragnehmer zustehen, die obligatorisch den Beiträgen für Sozialversicherung unterliegen. Einführung der wirtschaftlichen Ausfallzeit oder der verkürzten Arbeitszeit wird einer Abstimmung mit Gewerkschaften oder Arbeitnehmervertretern in Form einer schriftlichen Vereinbarung bedürfen. Die Vereinbarung ist beim zuständigen Bezirksarbeitsinspektor (poln.: Okręgowy Inspektor Pracy) innerhalb von 5 Tagen nach deren Abschluss einzureichen.

Arbeitnehmer

  • Haben während der wirtschaftlichen Ausfallzeit einen Anspruch auf Vergütung, die um höchstens 50 % reduziert ist und nicht weniger als der Mindestlohn beträgt (unter Berücksichtigung der Arbeitszeit) und erhalten finanzielle Unterstützung aus dem FGŚP in Höhe von 50% des Mindestlohns unter Berücksichtigung der Arbeitszeit;
  • Haben während der verkürzten Arbeitszeit einen Anspruch auf Vergütung, die in Proportion zu Arbeitszeit (um nicht mehr als 50 %) reduziert ist und nicht weniger als der Mindestlohn beträgt (unter Berücksichtigung der Arbeitszeit) und erhalten eine finanzielle Unterstützung aus dem FGŚP in Höhe von bis 50 % deren Vergütung, nicht mehr jedoch als 40% des Durchschnittslohns im vorigen Quartal.

Keinen Anspruch auf finanzielle Unterstützung werden Personen haben, deren Vergütung im Monat vor Einreichung des Antrags auf Zulage 300 % der prognostizierten durchschnittlichen monatlichen Bruttovergütung in der Volkswirtschaft im Jahr 2020 (d.h. 15.681 PLN) übersteigt. Neben den Vergütungen für Arbeitnehmer soll finanzielle Unterstützung auch die Kosten für Sozialversicherungsbeiträge umfassen.

Finanzielle Unterstützung wird aufgrund eines Antrags geleistet, der zusammen mit den im Gesetz genannten Unterlagen beim Marschall der Woiwodschaft eizureichen ist, in der der Unternehmer seinen Sitz hat. Wichtig ist, dass bei der Prüfung der Anträge die Zeitabfolge des Eingangs der Anträge entscheidend sein wird. Die Leistungen werden für einen Zeitraum von max. 3 Monaten gewährt, wobei der Ministerrat diesen Zeitraum durch Verordnung verlängern kann.

Flexibilisierung der Arbeitszeit

Arbeitgeber, die bestimmte Kriterien erfüllen (erheblicher Umsatzrückgang, keine ausstehenden öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten), sind zu Folgendem berechtigt:

  • Reduzierung der täglichen (8 statt 11 Stunden) und wöchentlichen (32 statt 35 Stunden) ununterbrochenen Ruhezeiten eines Arbeitnehmers,
  • Einführung der Gleitzeit mit der Möglichkeit, die tägliche Arbeitszeit bis auf 12 Stunden mit einer auf 12 Monate verlängerten Abrechnungsfrist zu verlängern (in Absprache mit den Gewerkschaften oder Arbeitnehmervertretern),
  • Anwendung der Beschäftigungsbedingungen, die für die Arbeitnehmer weniger günstig als die sich aus den Arbeitsverträgen ergebenden Bedingungen sind (in dem Umfang und für den Zeitraum, der im Einvernehmen mit den Gewerkschaften oder Arbeitnehmervertretern vereinbart wurde).

Wenn beim Arbeitgeber keine Gewerkschaften tätig sind und die Wahl der Arbeitnehmervertreter schwierig sein sollte, kann die Einigung über die Umsetzung der oben genannten Lösungen mit denjenigen Arbeitnehmervertretern erzielt werden, die zuvor für andere Zwecke ausgewählt wurden.

Verlängerung der Fristen für die Einführung der Arbeitnehmerkapitalpläne (poln.: Pracownicze Plany Kapitałowe, nachstehend „PPK“ genannt)

Die Fristen für die Einführung der Arbeitnehmerkapitalpläne durch die Arbeitgeber, die 50 bis 249 Personen beschäftigen, werden um 6 Monate verlängert, und zwar: 

  • Frist für die Einigung über das Finanzinstitut – bis zum 27. September 2020 (statt bis zum 24. März 2020),
  • Frist für den Abschluss des PPK-Managementvertrags (Beauftragung der ausgewählten Finanzinstitution) – bis zum 27. Oktober 2020 (statt bis zum 24. April 2020),
  • Frist für den Abschluss der Vereinbarung über das Betreiben der  Arbeitnehmerkapitalpläne (Anmeldung der ersten Arbeitnehmer für Arbeitnehmerkapitalpläne) – bis zum 10. November 2020 (statt bis zum 11. Mai 2020).

Beiträge für ZUS (polnische Sozialversicherungsanstalt)

Die Befreiung von der Pflicht zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum von 3 Monaten (vom 1. März bis zum 31. Mai 2020) – nach Erfüllung bestimmter Voraussetzungen – können folgende Unternehmer beantragen:

  • Kleinstunternehmer (bis 9 Arbeitnehmer) zusammen mit mitarbeitenden Personen und Beschäftigten (u.a. aufgrund des Arbeitsvertrags, Auftragsvertrags),
  • darunter auch Selbständige, allerdings unter der Voraussetzung, dass deren Umsatz in dem der Einreichung des Antrags vorangehenden Monat 300 % der durchschnittlichen monatlichen Vergütung (im Jahr 2020 – 15.681 PLN) nicht übersteigt.

Zusätzliche Geldzulagen für Kleinst-, Klein- und Mittelunternehmer

Im Fall eines starken Umsatzrückgangs (mindestens 30 %) infolge von Covid-19 kann der Landrat den Unternehmern zusätzliche Geldzulagen gewähren

  • für die zusätzliche Finanzierung der Vergütungen für Arbeitnehmer oder 
  • für die Deckung der Kosten der Geschäftstätigkeit, wenn der Unternehmer keine Arbeitnehmer beschäftigt.

Der maximale Betrag der Zulage für einen Arbeitnehmer soll maximal von 50 % bis 90 % des Mindestlohns betragen, erhöht um den Betrag der Sozialversicherungsbeiträge (abhängig vom Umsatzrückgang). Der maximale Betrag der Zulage für einen Unternehmer, der keine Arbeitnehmer beschäftigt, soll von 50 % bis 90 % des Mindestlohns betragen (abhängig vom Umsatzrückgang). Die Zulage soll monatlich für nicht mehr als 3 Monate gezahlt werden. Der Ministerrat wird durch entsprechende Verordnung diesen Zeitraum verlängern können. Das Gesetz verpflichtet den Arbeitgeber, die Arbeitnehmer, für die die Zulage zuerkannt wurde, für einen bestimmten Zeitraum weiter zu beschäftigen.

Ausfallzeitzulage für Selbständige und Personen, die im Rahmen der zivilrechtlichen Verträge beschäftigt sind

Anspruch auf Ausfallzulage soll zustehen:

Selbständigen, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen, u.a. wenn sie

  • ihre wirtschaftliche Tätigkeit nach dem 31. Januar 2020 unterbrochen haben oder
  • ihre wirtschaftliche Tätigkeit nicht unterbrochen haben und von einem Umsatzrückgang von Mindestens 15% im Monat vor der Einreichung des Antrags im Vergleich zum Vormonat betroffen sind,

Personen, die unter zivilrechtlichen Verträgen arbeiten (d.h. Agenturvertrag, Dienstleistungsvertrag, Werkvertrag), wenn sie u.a. folgende Kriterien erfüllen:

  • der Vertrag nicht später als am 1. Februar 2020 abgeschlossen wurde und
  • die vereinbarte Vergütung mindestens 50 % des im Jahr 2020 geltenden gesetzlichen Mindestlohns beträgt.Die berechtigte Person kann eine einmalige Leistung in Höhe von 80 % des Mindestlohns im Jahr 2020 (2.080 PLN brutto) beantragen. Der Ministerrat kann aufgrund einer Verordnung die erneute Zahlung der Ausfallzeitzulage unter Berücksichtigung der Dauer der epidemischen Bedrohung  oder des Epidemie-Zustands und der daraus resultierenden Folgen zuerkennen. Bedingungen für die Inanspruchnahme der Unterstützung sind u.a.:
  • Stellung des entsprechenden Antrags,
  • Unterbrechung des Betriebs des Selbständigen oder des Auftraggebers, mit dem ein zivilrechtlicher Vertrag abgeschlossen wurde, verursacht durch das Auftreten von Covid-19,
  • es besteht keine Sozialversicherungspflicht auf der Basis eines anderen Titels,
  • bei Selbständigen – im Monat vor dem Monat der Antragstellung kein Umsatz erzielt wurde, der 300 % der prognostizierten durchschnittlichen Bruttovergütung im Jahr 2020 (d.h. 15.681 PLN) übersteigt.

Zusätzliche Kreditunterstützung für Unternehmer

Inländische Banken, Niederlassungen der ausländischen Banken und Kreditinstitute sowie Genossenschaftliche Spar- und Kreditkassen SKOK zählen zur Besteuerungsgrundlage keine Kredite, die den durch Folgen der Epidemie betroffenen Unternehmern eingeräumt wurden. Zusätzliche Darlehen können Kleinstunternehmer erhalten. Maximale Höhe der Unterstützung beträgt 5 Tsd. PLN mit Rückzahlungsfrist bis zu 12 Monaten. Es besteht die Möglichkeit, die Schuld zu erlassen, sofern der Unternehmer innerhalb von 3 Monaten nach Erhalt der Unterstützung sich nicht entschieden hat, die Beschäftigung zu reduzieren.

Bank Gospodarstwa Krajowego (BGK)  [Bank der Landeswirtschaft] erhält die Möglichkeit, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Bürgschaften und Garantien für Rückzahlung der für Aufrechterhaltung der Liquidität bestimmten Kredite bis 80 % der Kredithöhe zu erteilen. Die Bank wird berechtigt sein, die im Vertrag festgesetzten Bedingungen oder Termine für Rückzahlung des Kredits gegenüber dem Sektor der Klein- und Mittelunternehmer (MŚP) zu ändern, sofern der Kredit vor 8. März 2020 eingeräumt wurde. Die Änderung darf für den Kreditnehmer nicht weniger günstig sein. 

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