COVID-19-Schutzimpfung: Wer entscheidet, ob das Kind, der/die Jugendliche geimpft werden soll?

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Ob Kinder oder Jugendliche COVID-19-Impfung erhalten sollen, entscheiden in der Regel die Eltern gemeinsam. Aber was tun, wenn sie sich über die Schutzimpfung nicht einig sind? Wie ist die Rechtslage, wenn das Kind oder der/die Jugendliche die Durchführung der Corona-Schutzimpfung selbst ablehnt?

Wie genau die Entscheidung von Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, getroffen wird, kommt darauf an, welche Bedeutung die eine oder andere Angelegenheit im Leben des/der Minderjährigen hat.

Bei Angelegenheiten des täglichen Lebens darf nach § 1687 S. 2 BGB auch der eine Elternteil alleine entscheiden, welcher das Kind gerade betreut. Zu solchen gehören u.a. z.B. die Teilnahme an einem Tagesausflug; die Freizeitgestaltung und die Entscheidung über Alltagsprobleme beim Besuch eines Kindergartens oder einer Kindertagesstätte.

Bei Angelegenheiten der erheblichen Bedeutung entscheiden die beiden sorgeberechtigten Eltern nach § 1687 S. 1 BGB zusammen. Zu solchen Angelegenheiten gehört u.a. auch die Durchführung der COVID-19-Impfung. Der Hauptgrund dafür ist, dass Corona-Schutzimpfung einen medizinischen Eingriff darstellt: Sie ist mit der Gefahr von Komplikationen und - wenn auch statistisch betrachtet geringen - Nebenwirkungen verbunden.

1. Sind die Eltern bei bestehender STIKO-Empfehlung uneinig, ob eine COVID-19-Impfung bei ihrem Sohn oder ihrer Tochter durchgeführt werden soll, ist Übertragung der Entscheidungsbefugnis möglich, §§ 1627, 1628 S. 1 BGB. So hat Amtsgericht Hamburg in seinem Urteil entschieden – (AG Hamburg – Beschluss v. 17.12.2021 – 281 F 316/21).

Bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern, die nach Aufklärungsgesprächen mit dem Arzt und ggf. auch nach Durchführung des Beratungsgespräch in einer Erziehungsberatungsstelle bleiben, ist der Gang vor das Familiengericht das letzte Mittel. Dabei kann die Entscheidungsbefugnis bei bestehender STIKO-Empfehlung und mangels bestehenden besonderen Gesundheitsrisiken beim Kind/Jugendlichen auf den Elternteil übertragen werden, der die Impfung befürwortet, so AG Hamburg. Grundsätzlich nimmt das Familiengericht nicht die Entscheidung ab, sondern überträgt einem Elternteil die Entscheidungskompetenz.

2. Fehlt es an einer STIKO-Empfehlung für eine entsprechende Altersgruppe, sind bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, z.B. wie das betroffene Kind auf pandemiebedingte schulische Einschränkungen reagiert, ob er/sie Kontakt zu Großeltern hat, ob die Großeltern selber geimpft oder nicht geimpft sind. Darüber hinaus ist die eigene Meinung von Kindern und Jugendlichen von Bedeutung.

Auch in einem solchen Fall kann das zuständige Familiengericht die Befugnis auf den Elternteil übertragen werden, der die Impfung befürwortet, wenn es an Vorerkrankungen fehlt und andere das Kindeswohl bestimmende Umstände für die Durchführung der Impfung sprechen. Im dem schon oben erörterten Fall bestand regelmäßiger Kontakt zu geimpften Großeltern, das Kind hat die pandemiebedingten schulischen Einschränkungen als belastend empfunden. Das Kind wollte durch die COVID-19-Schutzimpfung sich selbst und andere schützen. Das AG Hamburg hat somit die Entscheidungsbefugnis auf den impfwilligen Elternteil übertragen.

3. Ob die Jugendlichen die Durchführung der Corona-Schutzimpfung nach einem ausführlichen ärztlichen Aufklärungsgespräch selbst einwilligen oder ablehnen dürfen, ist unklar.

Es soll die Einwilligungsfähigkeit des Minderjährigen entscheidend sein. Einerseits weisen die Vorschriften der §§ 630d Abs. 1 S. 1, 2, 1746 Abs. 2, § 2229 Abs. 1 BGB und auch § 19 StGB darauf hin, dass der/die Jugendliche mit 14 Jahren schon einwilligungsfähig ist und in der Lage sein soll, in die Heilbehandlung selbst einzuwilligen. Es gibt aber durchaus Ausnahmen. Es ist dabei eine ausführliches und verständliches Aufklärungsgespräch mit den Jugendlichen geboten, damit er/sie die Bedeutung und Risiken der Impfung überblicken könnte. Dies ist in Impfzentren, in denen bis 20 Impfungen pro Stunde verabreicht werden, kaum möglich. Dort sind Jugendliche unter 16 Jahren daher nur zu impfen, wenn auch eine entsprechende Einwilligung der Sorgeberechtigten gegeben ist.

Andererseits hat OLG Frankfurt am Main in seiner Entscheidung (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 17.8.2021 – 6 UF 120/21) beschlossen, dass es auch bei vorhandener Einwilligungsfähigkeit in eine COVID-19-Impfung bei einem fast 16-jährigen Kind bei nicht unwichtigen Entscheidungen über eine ärztliche Behandlung auch eine Zustimmung der beiden sorgeberechtigten Eltern bedarf.

Daher enthalten heute das Gesetz und die Rechtsprechung keine eindeutige Antwort darauf, ob die Minderjährigen allein in der Lage sind, die Durchführung von Schutzimpfung einzuwilligen oder abzulehnen. Darüber hinaus liegt aktuell keine uneingeschränkte bedingte Zulassung eines Impfstoffs vor, die Impfung wird selbst von Fachleuten kontrovers diskutiert und langfristige Impfschäden für Minderjährigen sind unklar.

Es ist somit empfehlenswert, die Einwilligung des Kindes bzw. Jugendlichen zusätzlich zu der Einwilligung der Eltern einzuholen. Solange die Familie und der Minderjährige die Impfung wünschen, schadet eine zusätzliche Einwilligung nicht. Lediglich bei Meinungsverschiedenheiten ist eine anwaltliche Beratung mit ggf. Einleitung eines Verfahrens vor dem zuständigen Familiengericht ratsam.


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