Daimler-Abgasskandal: Vier weitere obsiegende Urteile zum Vierzylinder-Dieselmotor des Typs OM651

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Drei Landgerichte haben die Daimler AG insgesamt viermal wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB beim Dieselmotor OM651 mit Euro 5-Abgasnorm verurteilt. Der Druck auf den Hersteller steigt damit nochmals immens an.

Mit mehreren verbraucherfreundlichen Urteilen haben sich Landgerichte in Süddeutschland wieder als Schreck der Daimler AG im Dieselskandal hervorgetan. In kurzem Abstand ist die Daimler AG für die Manipulationen am Dieselmotor OM651 mit der Abgasnorm Euro 5 und vier Zylindern viermal wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilt worden.

Das Landgericht Stuttgart, mittlerweile zu einem Erzfeind der Daimler AG mutiert, hat mit Urteilen vom 5. März 2021 (Az.: 14 O 460/20 und 14 O 652/20) geschädigten Verbrauchern Schadenersatz zugesprochen. Für einen Mercedes-Benz C 220 T CDI Blue EFFICIENCY mit einer Laufleistung von mehr als 220.000 Kilometern erhält der Kläger 4319,44 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit 14. August 2020. Ebenso wird er von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 492,54 Euro freigestellt. Ebenso trägt die Daimler AG 75 Prozent der Kosten des Rechtsstreits. Die Verurteilung nach § 826 BGB erfolgt wegen einer illegalen Abschalteinrichtung. Die Daimler AG haftet wegen der behaupteten Prüfstanderkennung und Optimierung der Emissionen lediglich auf dem Prüfstand.

„Der Kläger habe substantiiert die Behauptung einer solchen Motorsteuerungsfunktion vorgetragen. Die Behauptung der Funktion der Optimierung des Nix-Ausstoßes auf dem Prüfstand ist verständlich und nachvollziehbar, stellt das Gericht klar. Die Optimierung entspreche einer Funktion, die von der Volkswagen AG im Hinblick auf die Abgasrückführung tatsächlich eingesetzt wurde“, nennt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (www.hartung-rechtsanwaelte.de), Argumente des Gerichts. Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde.

In dem anderen Stuttgarter Verfahren (Az.: 14 O 652/20) erhält der Kläger für sein Fahrzeug Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4MATIC 18.528,70 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit 19. November 2020 und wird von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1049,57 Euro freigestellt. Die Daimler AG zahlt überdies 65 Prozent der Kosten des Rechtsstreits. Die Laufleistung betrug Anfang Februar fast 132.000 Kilometer. Dieselexperte Dr. Gerrit W. Hartung sagt: „Auch hier gilt, dass die Motorsteuerungs-Software den Prüfstand erkennt und dafür sorgt, dass nur auf dem Prüfstand der NOx-Ausstoß durch eine nur auf dem Prüfstand aktive Kühlmittel-Temperatur-Regelung optimiert werde. Bekanntlich bewirkt die Kühlmittel-Temperatur-Regelung, dass der Kühlmittelkreislauf des Motors künstlich kälter gehalten wird, wodurch sich das Aufwärmen des Motoröls verzögere und weniger NOx ausgestoßen wird.“

Vor dem Landgericht Offenburg (Urteil vom 15.02.2021, Az.: 3 O 240/20) wurde die Daimler AG verurteilt, dem Kläger Schadensersatz zu leisten für Schäden, die aus der Installation einer Software in der Motorsteuerung des Fahrzeugs Mercedes-Benz GLK 220 CDI resultiert, welche anhand der Geschwindigkeit und der Beschleunigung des Fahrzeugs erkennt, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet, und auf dem Prüfstand in einen Fahrmodus mit niedrigem Schadstoffausstoß schaltet (sogenanntes Slipguard). Der Kläger erhielt 31.479,85 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 7. August 2020 zu bezahlen. Die Daimler AG muss die Kosten des Rechtsstreits tragen. „Das gekaufte Fahrzeug verfügt über mehrere Softwarefunktionen, die dazu führen, dass erkannt wird, dass sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand in einer Testfahrt befindet und die dann in einen ‚sauberen‘ Prüfmodus schalten, während im normalen Straßenverkehr dieser nicht aktiv ist. Der Vortrag der Klagepartei hierzu ist aus prozessualen Gründen als zugestanden anzusehen, da die Beklagtenpartei diesen nicht substantiiert bestritten hat“, stellt Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung heraus.

Für einen Mercedes-Benz GLK 250 CDI BlueTEC (Laufleistung zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung: 165.761 Kilometer) erhält der geschädigte Verbraucher vom Landgericht Ravensburg (Az.: 1 O 167/20) Schadenersatz in Höhe von 18.165,43 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit 22. September 2020. Ebenso erhält er außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1100,51 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit 22. September 2020. Die Daimler AG trägt 70 Prozent der Kosten des Rechtsstreits. „Das Gericht bezieht sich dezidiert auf das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form einer Kühlmittel-Temperatur-Regelung. Sie bewirkt, dass bei der für die Typzulassung notwendigen Prüfung im Labor eine niedrigere Kühlmittel-Temperatur und auch eine andere Abgasreinigungsstrategie angewendet wird“, betont Anwalt Dr. Gerrit W. Hartung. Das Resultat: Auf dem Prüfstand hält der Wagen die Stickoxid-Grenzwerte ein, auf der Straße nicht.

Übrigens: Rund um den OM651 hat das Landgericht Ravensburg zuletzt für größere Diskussionen gesorgt. Das Gericht hat ein Dieselverfahren gegen die Daimler AG ausgesetzt und Fragen an den Europäischen Gerichtshof gerichtet. Der Paukenschlag im Dieselabgasskandal ist der mögliche Anspruch des geschädigten Verbrauchers aus § 823 Abs. 2 BGB. Damit wäre Sittenwidrigkeit dabei nicht vorausgesetzt, sondern es würde für die geschädigten Dieselkäufer einfache Fahrlässigkeit genügen, um Schadenersatzansprüche geltend zu machen. „Sollte sich diese Auffassung durchsetzen und damit auch bloße Fahrlässigkeit bei Verletzung eines Verbotsgesetzes mit Drittschutz ausreichen, wäre es der absolute Wendepunkt im gesamten Dieselabgasskandal. Dann könnten Geschädigte im Dieselskandal die Autohersteller wesentlich leichter für den verursachten wirtschaftlichen Schaden haftbar machen und Schadenersatz erhalten“, sagt Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.

Foto(s): Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH


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