Darf ich Polizisten im Einsatz filmen?

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Unser Staat will den einzelnen Bürger, also uns alle, immer mehr überwachen. Begründet wird dies mit Kriminalitätsbekämpfung und angeblich mehr Sicherheit.


Öffentliche Plätze, aber auch Flughäfen oder Bahnhöfe werden lückenlos mit Videotechnik überwacht. Die Auswertung erfolgt meist schon vollautomatisch.

Bewegen wir uns auf den Autobahnen, werden unsere Fahrten mit den Kameras an den Mautstationen lückenlos erfasst.


Das Bargeld soll abgeschafft werden, damit unsere sämtlichen Zahlungsvorgänge überwacht werden können.

Usw.

Soweit so gut.

Wenn aber der einzelne Bürger staatliche Maßnahmen überwachen oder dokumentieren will, zum Beispiel durch Videoaufnahmen von Polizisten bei Demonstrationen oder deren Einsätzen, wehrt sich dieser Staat mit allen Mitteln, nicht selbst überwacht zu werden.

Obwohl gerade Videoaufnahmen Straftaten von Polizisten beweisen können.

Die Ermordung des US Amerikaners George Floyd durch Polizisten, wäre z. B. ohne Videoaufnahmen nie ans Licht gekommen. Die Mörder somit straffrei geblieben.


Hier und in meinem Video  erfahrt ihr, wann ihr Videoaufnahmen von Polizisten machen dürft und wann nicht.


Smart­phone-Auf­nahme von Poli­zei­ein­satz nicht strafbar 

Wenn es bei Polizeieinsätzen es zu Auseinandersetzungen kommt, können Smartphone Videos oft helfen, die Wahrheit zu klären. 

Doch ist das Filmen von Polizisten im Einsatz eigentlich erlaubt?

Läuft bei einem Einsatz die Body-Cam, sprechen Polizeibeamte nicht mehr unbefangen. Wer dann zum Smartphone greift und filmt, macht sich deshalb nicht strafbar, hat das Landgericht Hanau entschieden. 

Muss man damit rechnen, strafrechtlich verfolgt zu werden, wenn man einen Polizeieinsatz mit dem Smartphone in Bild und Ton aufnimmt?

Zu dieser Frage gibt es mittlerweile mehrere Dutzend Gerichtsentscheidungen von Amtsgerichten, Landgerichten, zuletzt sogar von zwei Oberlandesgerichten.

Die Rechtslage ist aber noch nicht restlos geklärt.

Unterm Strich bleibt vor allem eins: Unsicherheit bei den Betroffenen und bei der Polizei.

Jede neue Gerichtsentscheidung steuert damit ein neues Puzzlestück bei, unterstützt oder kritisiert die Vorgängerentscheidungen, schreibt sie fort. Wer die Entscheidungen der vergangenen vier Jahre nebeneinander legt, kann beispielhaft beobachten, wie sich Stück für Stück zu einer ungeklärten Rechtsfrage eine neue Rechtsprechung herausbildet. 

Das neueste Puzzlestück hat nun das Landgericht Hanau geliefert. Es traf Entscheidungen zu einem Sachverhalt, der bisher noch nicht gerichtlich entschieden wurde, in der Praxis aber eine große Rolle spielt:

Wenn bei einem Polizeieinsatz die Bodycam eines Polizisten eingeschaltet ist, dann macht dieser sich nicht strafbar, wer mit seinem Smartphone filmt und den Ton aufnimmt.

Die Aufzeichnung mit der Body-Cam sorgt dafür, dass Äußerungen von Polizisten nicht mehr als "nichtöffentlich" im Sinne des § 201 Strafgesetzbuch (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes) angesehen werden können.

In dem Moment, in dem die Polizei zum Zweck der Beweissicherung aufzeichnet, dürfen es – und zwar straffrei – auch Betroffene auf der anderen Seite.

Das Landgericht begründet ein Prinzip der Waffengleichheit beim (Ton-) Filmen von Einsätzen.


Wann sind Gespräche nun "nichtöffentlich"? 

Gerichtsentscheidungen, die Aufnahmen als strafbar bewerten oder Videos mit Polizeigewalt, sorgen vor dem Hintergrund einer Diskussion über Polizeigewalt immer wieder für massive Aufmerksamkeit.

Filmende argumentieren naheliegend, sie wollten vor Ort nur Polizeieinsätze dokumentieren, für den Fall, dass sie aus dem Ruder laufen.  

Die Strafrechtskeule ist hier der § 201 StGB.

§ 201 StGB schützt dabei aber nur die Vertraulichkeit des Wortes – es geht also nur um den Ton, nicht um die Bilder.

Vor allem sollen vertraulich geführte Gespräche auch vertraulich bleiben. Bestraft wird, wer das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt.

Streitpunkt bei den bisherigen Gerichtsentscheidungen ist die Frage: Was heißt eigentlich "nichtöffentlich"?

Vor allem aber dann, wenn der Polizeieinsatz in der Öffentlichkeit stattfindet.

Streitpunkt ist die sogenannte "faktische Öffentlichkeit", also einer Situation, in der beliebige weitere Personen von einem öffentlichen Ort aus die Aktion hätten wahrnehmen können.

Gespräche, die in einer solchen Umgebung geführt werden, fallen nicht unter die Strafvorschrift. Auch viele Strafgerichten sehen mit dem Smartphone angefertigte Aufnahmen von Polizeieinsätzen nicht als Straftaten nach § 201 StGB.

Das Merkmal "nichtöffentlich" besonders eng auslegen und damit die Strafbarkeit verneinen, wollten zuletzt das Oberlandesgericht Düsseldorf und das Landgericht Aachen.

Den Richterinnen und Richter reichte für eine faktische Öffentlichkeit bereits, wenn die Polizeibeamten anhand der Umstände von Zeit und Ort damit rechnen mussten, dass unbeteiligte Dritte mithören könnten. 


Nächtliche Polizeikontrolle endet im gegenseitigen Filmen 

Das Landgericht Hanau hatte nun einem Fall, in dem eine Polizeikontrolle gefilmt wurde, die auch nach dem ganz strengen Maßstab nicht in faktischer Öffentlichkeit stattfand.

Gegen 0:40 Uhr hatten Polizisten ein Fahrzeug kontrolliert. Das Fahrzeug hatte ohne Anlass den entgegenkommenden Polizeiwagen angehupt. Bei der anschließenden Kontrolle am Auto entwickelte sich eine Diskussion zwischen den Männern und den Polizisten, ob die Maßnahme eigentlich notwendig gewesen sei. Als einer der Polizisten mit seiner Taschenlampe in das Fahrzeug leuchtete, leuchtet einer der Männer mit der Lampe seines Smartphones zurück.

Einer der Polizisten startete seine Body-Cam, nachdem er das dem Mann angekündigt hatte. Woraufhin der ebenfalls mit seinem Smartphone die Situation filmte. Der Polizist forderte den Mann auf, das Filmen zu unterlassen, da er sich strafbar mache und ihm sonst das Mobiltelefon abgenommen würde.

Der Mann erklärte, dass sich das angefertigte Video "schon in der Cloud" befinden würde. Ein von den Polizisten ans Telefon geholter Bereitschaftsrichter ordnete dann die Sicherstellung an. Hiergegen wehrte sich der Mann nachträglich. Das Amtsgericht Hanau hatte der Beschwerde des Mannes gegen die Sicherstellung nicht abgeholfen, es sah einen Anfangsverdacht für eine Strafbarkeit nach § 201 StGB.


Wenn die Body-Cam läuft, sprechen Polizeibeamte nicht mehr unbefangen 

Anders entschied nun das Landgericht Hanau, das den Fall nutzte, um eine ganze Reihe Überlegungen rund um das Filmen von Polizeieinsätzen anzustellen. 

Zur Gesprächssituation: Sprechen Polizisten bei einer nächtlichen Verkehrskontrolle durch geöffnete Türen oder Fenster mit Fahrzeuginsassen, dann hätten laut Gericht selbst zufällig vorbeikommende Passanten keine Chance, davon mehr als nur Gesprächsfetzen mitzubekommen. Es handelt sich nach Auffassung des Landgerichts also um eine abgegrenzte Gesprächssituation. Die eingeschaltete Body-Cam hob diese Nichtöffentlichkeit aber dann auf. 

Die Richterinnen und Richter zeigten auf, dass § 201 StGB ursprünglich – das Gesetz stammt aus dem Jahr 1967 – eingeführt wurde, um die damals noch neuen und deshalb oft unbemerkten technischen Möglichkeiten der Tonaufnahme zu erfassen und dazu die heimliche Aufnahme vertraulicher Worte im engen Kreis "als wesentliches Merkmal von Freiheitsstandards demokratischer Staaten verhindern wollte".

Hintergrund waren 1967 spektakuläre "Lauschangriffe" auf Politiker und einen deutschen Atomphysiker. Alles Fälle, die vom nicht heimlichen Filmen in der Öffentlichkeit ziemlich weit entfernt sind.

Tatsächlich kam der § 201 StGB erst so richtig zum Einsatz in der Justiz, nachdem 2015 das Bundesverfassungsgericht geurteilt hatte, dass Aufnahmen von Polizeieinsätzen nach § 22 und § 33 KunstUrhG strafbar sein sollten, auch wenn die Aufnahmen gar nicht veröffentlicht werden sollen, sondern nur zur Dokumentation angefertigt werden.

Staatsanwaltschaften und Polizei hatten dann den § 201 StGB für zahllose Strafverfahren genutzt... 

Das Landgericht Hanau stellt aber fest, die Polizisten bei der Kontrolle sprächen im hoheitlichen Kontext und fertigten Aufnahmen an, wozu sie gesetzlich ermächtigt seien. Polizisten würden dann nicht mehr unbefangen sprechen.

Vielmehr sei ihr Sprechen gekennzeichnet durch "das Bemühen um höchst konzentrierte, präzise auf die Ausfüllung des rechtlichen Rahmens abgestimmte Kommunikation." 

Die Richterinnen und Richter weiter: "Eine solche Gesprächssituation nimmt nach Auffassung der Kammer gemessen an Wortlaut, Entstehungsgeschichte und insbesondere dem Strafzweck des § 201 StGB nicht mehr an dessen Schutz teil." 

So lässt sich prozessuale Waffengleichheit herstellen, ohne dass die Beweisbarkeit der Darstellung des Beschuldigten ausschließlich an dem Polizeivideo hängt. Es ermächtigt die Betroffenen, die Beweissituation selbst in der Hand zu halten; auch um gegebenenfalls verwaltungsrechtlich gegen die Maßnahme vorzugehen.


Bürgerinnen und Bürger sind mittlerweile in ihrem Alltag daran gewöhnt, bedeutsame Ereignisse mit dem Smartphone festzuhalten.

Dieses Interesse von Bürgerinnen und Bürgern, die Polizeiarbeit zu dokumentieren, stehe aber in Spannung mit dem Interesse der Polizei, ungestört ihre Arbeit machen zu können.

Auch kann berechtigterweise von Polizeiseite befürchtet werden, dass Aufnahmen ausschnitthaft oder aus dem Kontext gelöst später verwendet werden.

Seit Jahren sind diese rechtlichen Probleme im Zusammenhang mit Filmen von Polizeiarbeit bekannt.

Der Gesetzgeber versagt hier seit Jahren auf ganzer Linie. Er regelt dies nicht in einem Gesetz und lässt damit in der Unsicherheit, ob ihr Filmen strafbar oder erlaubt ist.


Auch der BGH könnte entscheiden 

Typischerweise kommen solche Fälle, in denen es ums Filmen von Polizeieinsätzen geht, nicht weiter durch die Instanzen als bis zum Landgericht.

Denn häufig geht es in diesen Fällen entweder um die Beschlagnahme eines Smartphones, dann gibt es aber nur zwei Instanzen: Das Amtsgericht entscheidet zuerst; wird dagegen Beschwerde eingelegt, ist das Landgericht dran – und danach ist Schluss.

Oder die Fälle, in denen die Staatsanwaltschaft wegen § 201 StGB direkt verfolgt, sind Strafbefehlsverfahren.

Zu einem Gerichtsverfahren kommt es dann nur, wenn sich der Betroffene wehrt; erst dann können ein Urteil ergehen und ggf. dagegen Rechtsmittel eingelegt werden. Auch nur so kann das Verfahren zu einem Oberlandesgericht gelangen - oder sogar irgendwann mal ein Fall für den BGH werden.

Wenn ein Oberlandesgericht  in einer Rechtsfrage von einem anderen OLG abweichen will, kann es nämlich dem BGH vorlegen. Der BGH kann dann für Rechtseinheitlichkeit sorgen, obwohl der Instanzenzug eigentlich beim Oberlandesgericht endet. Dann gäbe es auch endlich Klarheit.


Weitere Infos findet ihr in meinem Video oder unter:

GLÜCK - Kanzlei für Strafrecht

Foto(s): GLÜCK - Kanzlei für Strafrecht

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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